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Ausgabe:

Januar/1998

Spalte:

55 f

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Sysling, Harry

Titel/Untertitel:

Tehiyyat Ha-Metim. The Resurrection of the Dead in the Palestinian Targums of the Pentateuch and Parallel Traditions in Classical Rabbinic Literature.

Verlag:

Tübingen: Mohr 1996. XXI, 329 S. gr.8° = Texte und Studien zum Antiken Judentum, 57. Lw. DM 228,­. ISBN 3-16-146583-0.

Rezensent:

J. P. M. van der Ploeg

Dieses gelehrte Buch enthält eine so große Fülle von Material, daß es nicht möglich ist, davon hier auch nur eine Zusammenfassung zu geben. Es behandelt den Gedanken der Auferstehung der Toten (Teh.iyyat ha-me-tîm) in ausgewählten Stellen der palästinischen Targumim zum Pentateuch und Parallelen dazu in der "klassischen" rabbinischen Literatur. Das Buch beginnt mit einer Einleitung (Kap. 1), in der der Autor u. a. die literarische Art der Targumîm kurz bespricht, von denen er einige Abschnitte behandeln will: Proto-Onqelos (palästinischer Herkunft [mit Fragezeichen]); Pseudo-Yonathan; Neofiti; Fragmententargum; Fragmente aus der Kairo Geniza (Kap. 1, 1-38).

Es folgen Kap. 2 (40-66): Leviathan und der Tag der Tröstung (PsYon Gen 1,21) ­ das wie alle anderen Kapitel mit einer Zusammenfassung beschlossen wird ­, Kap. 3 (67-90): "Aus Staub genommen" (pal.Targumîm Gen 3,19), Kap. 4 (91-103): Die Frau von Lot: eine Salzsäule bis zum Tage der Auferstehung der Toten (pal.Targumîm von Gen 19.26); Kap. 5 (104-135): Die Leugnung der Auferstehung und der kommenden Welt (PsYon Gen 25,29.32/pal.Targumîm Gen 25,34), Kap. 6 (136-163): Die vier Schlüssel (pal.Targumîm Gen 30,22; PsYon Dt 28,12), Kap. 7 (164-186): Der Disput zwischen Meer und Erde (pal.Targumîm Ex 15,12), Kap. 8 (187-209): Der Aufenthaltsort der Seele nach dem Tode (PsYon Dt 31,16), Kap. 9 (210-228): Der zweite Tod (pal.Targumîm Dt 33,6), Kap. 10 (229-250): Der die Toten lebend machte (FrTg Ex 13,17; PsYon Num 11,26; pal.Targumîm Dt 32,39; PsYon Ex 20,18) und Kap. 11 (263-329): Zusammenfassung, Bibliographie, Indices.

Nach S. ist das Studium des Verhältnisses zwischen targumischen und rabbinischen Traditionen in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt und er will eine Lücke füllen in Beziehung zu den von ihm behandelten Abschnitten des Pentateuchs. Er vergißt nicht, dabei gelegentlich die Septuaginta, das Targum Hiob (Qumrân), samaritanische und andere Quellen zu zitieren. Man hat auch die Septuaginta ein Targum genannt, sollte aber bedenken, daß die Grenze zwischen Übersetzung und Interpretation schwer zu ziehen ist. Jede Übersetzung ist schon wesentlich eine Erklärung. Was man in dieser Hinsicht in der Septuaginta findet, wird stellenweise auch im Targum Hiob gefunden (siehe meine und Van der Woude’s Textausgabe, Le Targum de Job de la grotte XI de Qumran, 1971, 8). Das Aramäische der sogenannten palästinischen Targumîm ist nach S. dieselbe Sprache, die zur Zeit Jesu in Palästina gesprochen wurde.

Die Targumîm sind inhaltlich volkstümlich und enthalten wichtige vorchristliche Traditionen. 11QTgJob stammt aus dem zweiten vorschristlichen Jahrhundert, wie auch 4QTgLevi und 4QTgJob. Die Anfänge der palästinischen targumischen Literatur datieren also wenigstens aus dieser Zeit, wenn sie nicht älter sind. S. be-merkt noch, daß in der rabbinischen Literatur die aramäischen Stücke von Ezra und Daniel targûm genannt werden, so wie jede Übersetzung in eine Fremdsprache (13). Im zweiten vorchristlichen Jahrhundert, so S., waren (ein nicht ganz ausgestorbenes) Hebräisch, Griechisch und Aramäisch die in Palästina bekannten Sprachen ­ das Aramäische darunter wahrscheinlich die am meisten gebrauchte Umgangssprache. Der Sitz im Leben der rabbinischen Tagumîm war zuerst die Synagoge, wo sie nach der Schriftlesung (im Hebräischen) benutzt wurden, aber hier und da hatten sie ihren Ort auch in der Schule (19). Auch der Einfluß der sogenannten mündlichen Torah findet sich in den Targumîm.

S. denkt, daß die Vernachlässigung, die er ganz besonders im theologischen Studium des Verhältnisses von Targumîm und rabbinischer Literatur meint feststellen zu können, der fraglichen Auffassung zu verdanken sei, daß alte prä-tannaîtische und christliche Traditionen auf die palästinischen Targumîm zurückzuführen seien (37). Einen Teil dieser Lücke, in Beziehung zum Auferstehungsgedanken, möchte er auffüllen.

Kap. 2 (40 ff.): Wo in Gen 1,21 steht, daß Gott die großen Meeresungeheuer schuf, fügt PsYon hinzu: "Leviatan und seine Gefährtin, die gemacht waren für den Tag der Vertröstung". Mit diesem Tage ist zuerst die "Wiederherstellung" gemeint und schließlich die Auferstehung der Toten. Leviatan spielt darin eine Rolle, entweder weil Gott mit ihm spielt während der messianischen Mahlzeit, oder weil er dabei sogar gegessen wird! Die rabbinischen Traditionen wissen allerhand von ihm zu erzählen. Nach Kap. 3 (67 ff.) spielt Gen 3,19 eine zentrale Rolle in der rabbinischen Lehre der Auferstehung, die im TgYon an dieser Stelle ausdrücklich genannt wird. Auch bei den Samaritanern spielt die Auferstehung eine zentrale Rolle in der Erklärung von Gen 3,19. In Kap. 4 (91 ff.) geht es darum, wie Lots Frau zur Salzsäule wurde. Schon sehr früh haben jüdische und christliche Ausleger die Frage gestellt, warum sie in eine Salzsäule verwandelt wurde. Die Antwort war selbstverständlich schwer, aber die Targumîm stimmen überein, den Grund darin zu sehen, daß die Frau Lots aus Sodom war. Bis zum Tage der Auferstehung (Vertröstung) wird sie eine Salzsäule bleiben. In Kap. 5 (104 ff.) erläutert S., daß nach alter rabbinischer Tradition Esau, der Bruder Jakobs, die Auferstehung leugnete. Kap. 6 (136 ff.) behandelt mit den "vier Schlüsseln" ein bekanntes rabbinisches Thema. Sie sind die Symbole einer Macht, die nur Gott gehört, und nicht immer sind es dieselben. Auch in den Targumîm sind sie nicht überall ganz gleich und es hat eine (amoräische) Tradition von drei Schlüsseln gegeben: der Regen, die Gräber, der Mutterschoß. In den Targumîm wird daran die "Erhaltung" (= Nährung: parnasta) hinzugefügt. Nur Gott kann die Gräber öffnen, nur er hat den Schlüssel zur Auferstehung der Toten.

Kap. 7 (164 ff.): In Ex 15,12 liest man im Triumphlied zum Schilfmeer: "Du strecktest aus deine Rechte, die Erde wird sie verschlingen". In den Targumîm folgt hier ein Wortstreit zwischen Meer und Erde: Wer wird sie verschlingen? Eigentlich sollte es doch das Meer tun, worin Pharao und sein Heer ertranken. Doch die Anwort lautet: Schließlich wird die Erde sie verschlingen, denn die Ägypter werden nicht auferstehen am letzten Tag! In Kap. 8 (187 ff.) behandelt S. die Frage: Wo bleibt die Seele nach dem Tod? Er stellt diese Frage anläßlich einer (gezwungenen) rabbinischen Übersetzung von PsYon Dt 31,16. Dort liest man, daß Jahwe zu Moses sprach: "Siehe, du wirst bei deinen Vätern liegen, und dieses Volk wird auferstehen" (qam ha’am hazzeh). Mit "diesem Volk" ist Israel gemeint, das später abtrünnig wird; aber es gab Rabbiner, die den Text nicht so verstehen wollten, sondern in qam einen Imperativ lasen; demnach befahl Gott Moses aufzuerstehen ("stehe auf"), und das weise eben auf die (endzeitliche) Auferstehung hin. S. behandelt diese Tradition und dazu die Frage nach dem "wo" des Aufenthaltsortes der Toten zwischen Tod und Auferstehung.