Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Mai/2007

Spalte:

596 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Lachmann, Rainer, Mokrosch, Reinhold, u. Erdmann Sturm [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Religionsunterricht – Orientierung für das Lehramt. M. 25 Tabellen/Grafiken.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006. 391 S. 8°. Kart. EUR 29,90. ISBN 3-525-61014-9.

Rezensent:

Bernd Schröder

Diese Einführung in das Studium der evangelischen Theologie wendet sich dezidiert an Lehramtsstudierende aller Schulformen. Sie will material das »brauchbare[] Orientierungswissen« bieten, das die »Empfehlungen« zur »Reform des Lehramtsstudiums Evangelische Theologie/Religionspädagogik« (»Im Dialog über Glauben und Leben«, Gütersloh 1997) als notwendig auswiesen. Zwei der Herausgeber – erfahrene und hochgeschätzte Fachdidaktiker Religion – haben denn auch schon bei der Erarbeitung jener »Empfehlungen« in der Gemischten Kommission eine maßgebliche Rolle gespielt.
Der Aufriss des Buches orientiert sich allerdings nicht an den Kompetenz-Clustern der Empfehlungen, sondern an der Fachsys­tematik evangelischer Theologie. Auf eine einleitende »Einführung in den Beruf einer Religionslehrkraft« (13–49) folgen sieben jeweils etwa 40 Seiten lange Kapitel zu den Disziplinen des Theologiestudiums sowie ein weiteres zur »Ökumenischen Theologie«. Mit Ausnahme des ersten sind alle Kapitel identisch gegliedert: Sie umreißen zunächst material das einschlägige »Sach- und Überblickswissen« und stellen anschließend fachspezifische »Arbeitsformen und -methoden« vor. Ein dritter Abschnitt beschreibt unter der Überschrift »Beispiele für das Studium«, in welcher Weise ausgewählte Themen didaktisch anregend bedacht werden könnten. Den Ab­schluss bilden sog. »Hilfen für das Studium«. Hier empfiehlt der Autor bzw. die Autorin bestimmte Lehrveranstaltungstypen und grundlegende Literatur, er bzw. sie beschreibt zudem, worin im Blick auf die jeweilige Disziplin die wünschenswerte (religions-) didaktische Kompetenz besteht.
Zum Auftakt entwirft Rainer Lachmann ein Profil der Religionslehrerin bzw. des Religionslehrers. Durch direkte Anrede der Leser und Leserinnen und Ergebnisse einer Befragung Bamberger Studierender unterstreicht er eindrück­lich, dass ein Theologiestudium die eigene Person tangiert – um sodann den Beruf in erster Linie von den Erwartungen anderer (Staat, Kirche, Eltern) her zu beschreiben. Seine Entfaltung »religionspädagogischer Kompetenz« erschließt in Übereinstimmung mit »Im Dialog über Glauben und Leben« ein anspruchsvolles Panel wünschenswerter Fä­higkeiten einschließlich methodologischer Kenntnisse (z. B. »Grundinformation über derzeit in den Humanwissenschaften gängige Forschungsmethoden und -wege«, 41).
Der Abschnitt über »Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts« (Reinhold Mokrosch, 51–91) reicht von einer wissenschaftstheoretischen Skizze zum Selbstverständnis von »Religionspädagogik« bis zu knappsten Hinweisen auf Methoden des Religionsunterrichts – alles in der Regel gut verständlich geschrieben, aber dennoch wohl jeweils zu wenig und zu schematisch, um es wirklich mit Gewinn aufnehmen zu können. Als Beispiel sei die Skizze zur Entwicklungspsychologie angeführt, die m. E. sehr wichtige neuere Forschungen wie diejenige zur Genese komplementären Denkens unbeachtet lässt und nicht einmal auf die einschlägigen Standardwerke von Friedrich Schweitzer verweist (67–71).
Die Abschnitte »Biblische Theologie – Altes Testament« (Friedrich Johannsen, 93–130) und »Biblische Theologie – Neues Testament« (Peter Müller, 131–172) leiten in einer für Anfänger gut nachvollziehbaren Sprache in Kanonfragen, Schriften und Geschichte ein – ohne allerdings etwa den in den Über- schriften gewählten, mehrdeutigen Begriff »Biblische Theologie« zu erläutern oder gar zu problematisieren. Im Kapitel »Historische Theologie« (Ute Gause, 173–210) verbindet die Autorin ihren Abriss der Kirchen- und Theologiegeschichte geschickt mit Hinweisen auf unkonventionelle Themenkreise (Bildungsgeschichte und Religionsunterricht, die Rolle von Frauen, Frömmigkeitsgeschichte). Im Unterschied zu den bisherigen Fachskizzen wird im Blick auf »Systematische Theo­logie/Dogmatik« (Erdmann Sturm, 211–247) darauf verzichtet, alle Schlüsselthemen der Dogmatik inhaltlich zu charakterisiere n– der Autor setzt demgegenüber in gelungener Weise auf problematisierende Einführungen in die Rede vom »Glauben«, in Aufgabe und Struktur von Dogmatiken und die korrelative Auslegung von »Glaubensbekenntnisse[n]« und »Reden von Gott angesichts atheis­tischer Kritik«. Analog verfährt Sturm in seinem Kapitel »Ökumenische Theologie« (283–315), wo er die »Ökumenische Bewegung«, Zielvorstellungen der Ökumene und die Frage der Abendmahlsgemeinschaft fokussiert.
Der Beitrag »Ethik« (Reinhold Mokrosch, 249–282) schreitet zunächst – keineswegs nur theologische – ethische Ansätze ab, um dann »Werterziehungsmodelle« und drei aktuelle ethische Problemfelder (Krieg und Frieden, Sterbehilfe, Embryonenforschung) zu erörtern. Und schließlich umreißt Johannes Lähnemann ebenso behutsam wie nachdrücklich Stellenwert und Feld der »Religionswissenschaft« im Rahmen des Theologiestudiums (317–352). Im Bewusstsein, nur »einen ersten Geschmack« des »Ozeans« der Religionen zu vermitteln (319), skizziert er Judentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus, dazu u. a. »Modelle der Religionsbegegnung« und Aufgaben für das Studium.

Formal ist das Buch sorgfältig redigiert – gleichwohl sind einige Versehen und Unstimmigkeiten zu vermerken: So liegt die von R. Heiligenthal herausgegebene »Einführung« seit 2004 in »überarbeiteter Neuausgabe« vor (42); die »Christentumsdidaktik« stammt nicht von G. Lämmermann, sondern von G. R. Schmidt (91); bisweilen sind Tippfehler geblieben (49.53 u. ö.) und im Beitrag »Ethik« finden sich zum Teil (unvollständige) Literaturhinweise im Fließtext statt in Fußnoten (vgl. 253.255 u. ö.). Abkürzungsverzeichnis sowie Sach- und Autorenregister runden den Band ab.
Das Buch soll »als Arbeitsbuch das gesamte Studium begleiten« (10)– dies ist ein verständlicher, aber in der Sache doch eher bedauerlicher Wunsch, denn er nährt das Missverständnis, es genüge, sich das hier gebotene Orientierungswissen anzueignen, um im Theologiestudium ein angemessenes Maß religionspädagogischer Kompetenz zu erwerben. Doch eben dies ist m. E. nicht der Fall.
Zwar wird hier in der Regel souverän klassischer Stoff skizziert, doch fehlen naturgemäß viele Themen(bereiche) und neuere Ak­zente – um nur zwei Beispiele unterschiedlicher Reichweite zu nennen: »Konfessionskunde« kommt nur als Desiderat vor und der Elementarisierungsansatz umfasst seit geraumer Zeit fünf statt vier Dimensionen (76 f.). Vor allem aber mangelt es den Beiträgen – mit Ausnahme derer zu Dogmatik und Ökumenischer Theologie – an Anleitungen zu kriteriengeleiteter theologischer Urteilsbildung und didaktischer Auswahl etwa nach dem »Elementarisierungs«-Konzept.
Für eine autodidaktische Erarbeitung der gebotenen Sachverhalte bräuchten Studierende m. E. öfter Erschließungsfragen und spezifizierte Literaturhinweise – an zahlreichen Stellen dürften sie ratlos sein, wie sie den mehr angedeuteten als entfalteten Themenkreis durchdringen können, sei es die »neurophysiologische Erforschung religiöser Landkarten … im Gehirn« (54), die Frage nach der angemessenen Bezeichnung des sog. Alten Testaments (94) oder die »Embryonenforschung« (276 ff.).
Nicht zuletzt fehlen oftmals Hinweise auf alternative Lesarten der thematisierten Gegenstände (etwa was die Genese des Alten Testaments, den »Widerstand« der Kirchen im Nationalsozialismus oder ethische Ansätze angeht) – die Leserin bzw. der Leser muss über weite Strecken geradezu den Eindruck be­kommen, hier werde das definitiv und fraglos Wichtigste benannt. Ein gelingendes Studium sollte dies fragwürdig werden lassen.
Gleichwohl: Die Auftaktseiten der Kapitel markieren interessante Zugänge zum jeweiligen Fach; dass ein Theologiestudium mit Blick auf das Lehramt eine fachlich und persönlich herausfordernde Angelegenheit ist, wird einladend deutlich.