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Ausgabe:

Januar/1998

Spalte:

48 f

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Burchard, Christoph

Titel/Untertitel:

Gesammelte Studien zu Joseph und Aseneth. Berichtigt und erg. hrsg. mit Unterstützung von C. Burfeind.

Verlag:

Leiden-New York-Köln: Brill 1996. XXIII, 461 S. gr.8° = Studia in Veteris Testamenti Pseudepigrapha, 13. Lw. hfl. 270.­. ISBN 90-04-10628-6.

Rezensent:

Jens Herzer

Der dem Gedenken an Joachim Jeremias gewidmeten Aufsatzsammlung des Heidelberger Neutestamentlers und Spezialisten für die Erforschung der Schriften des antiken Judentums sind einleitende Bemerkungen (XIII-XXIII) vorangestellt, in denen B. zunächst einen interessanten Einblick in seine eigene Geschichte der Beschäftigung mit JosAs gibt, woraus deutlich wird, daß besonders die so unterschiedlich beurteilte Textgestalt (vgl. vor allem M. Philonenko, der im Unterschied zu B. den Kurztext bevorzugt) immer wieder zu bedenken war und ­ wie B. betont (XVI) ­ weiterhin ist. Auf einen kurzen Überblick über die neuere Forschung zu JosAs (XIV-XVI) folgen Berichtigungen und Ergänzungen zu den Beiträgen (XVII-XXIII), die größtenteils unverändert abgedruckt sind (bis auf den neueren und ergänzten Beitrag Nr. 6 sowie die Bibliographie).

Die Studien sind in zwei Abteilungen geordnet. Unter I. "Überlieferung und Textgestaltung" finden sich folgende Beiträge: 1. Zum Text von "Joseph und Aseneth" (1970: 3-34); 2. Joseph und Aseneth neugriechisch (1977/78: 35-51); 3. Joseph und Aseneth serbisch-kirchenslawisch. Text und Varianten (1980: 53-91); 4. Joseph und Aseneth 25-29 armenisch (1979, in Umschrift: 93-102); 5. Zur armenischen Übersetzung von Joseph und Aseneth (1983: 103-137); 6. Neues von Joseph und Aseneth auf armenisch (1990/91: 139-159); 7. Ein vorläufiger griechischer Text von Joseph und Aseneth (1979, einschließlich der Überarbeitungen von 1982: 161-209). ­ Ohne die bekannten Aufsätze im Einzelnen diskutieren zu können, bleibt wohl als eines der wichtigen Ergebnisse hervorzuheben, daß B. trotz (oder wegen) der vielen Auseinandersetzungen um die Textgestalt (vor allem mit M. Philonenko) auf der Grundlage sorgfältiger Untersuchungen des Textes und dessen Übersetzungen bei der Bevorzugung des Langtextes bleibt, den er unter Nr. 7 abdruckt und der auch seinen Übersetzungen in OTP (ed. J. H. Charlesworth) und JSHRZ sowie dem Text in der Konkordanz von A.-M. Denis/Y. Janssens zugrunde liegt. Bemerkenswert ist dies vor allem auf dem Hintergrund der Tatsache, daß neuere Arbeiten beide Textformen als alt einschätzen und damit zwischen bisherigen Positionen gleichsam einen Kompromiß finden (vgl. dazu die Bemerkungen XIV).

Der zweite Teil des Bandes faßt unter der Überschrift "Deutung und Bedeutung" folgende Beiträge zusammen: 8. Ei nach einem Ausdruck des Wissens oder Nichtwissens Joh 9,25; Act 19,2; I Cor 1,16; 7,16 (1961: 213-221) ­ macht grammatische Beobachtungen in JosAs für die neutestamentlichen Texte fruchtbar; 9. Joseph et Aséneth. Questions actuelles (1974: 223-246) ­ diskutiert sprachliche, strukturelle und inhaltliche Fragen; 10. A Note on rema in JosAs 17:1 f.; Luke 2:15,17; Acts 10:37 (1985: 247-261) ­ untersucht die Bedeutung von rema im Verhältnis zu logos und zieht Konsequenzen für die Deutung der neutestamentlichen Stellen, bei denen B. zur Vorsicht hinsichtlich der Beurteilung des semitischen Sprachhintergrundes mahnt (260); 11. The Importance of Joseph and Aseneth for the Study of the New Testament: A General Survey and a Fresh Look at the Lord’s Supper (1987: 263-295) ­ geht der Relevanz der Mahlaussagen in JosAs 8-21 für die neutestamentlichen Mahlüberlieferungen von Joh 6 und 1Kor 10 f. nach; 12. beschreibt "The Present State of Research on Joseph and Aseneth" (1987: 297-320); 13. Der jüdische Asenethroman und seine Nachwirkung. Von Egeria zu Anna Katharina Emmerick oder von Moses aus Aggel zu Karl Kerényi (1987 = ANRW II.20.1: 321-436) ­ zeichnet in monographischem Umfang die Wirkungsgeschichte zunächst der zahlreichen Übersetzungen (mit ausführlichen Textzitaten) nach, verfolgt die literarischen und nichtliterarischen Nachwirkungen, um schließlich die Forschungsgeschichte und einzelne Probleme (Text; Genre; Lebensbrotproblematik; Problem des jüdischen Übertrittsrituals) zu erörtern.

Das Buch ist in vieler Hinsicht von großem Wert für die wissenschaftliche Arbeit über den hellenistisch-jüdischen Aseneth-roman, der in den letzten Jahren verstärkt Gegenstand monographischer Untersuchungen geworden ist (vgl. dazu XIV ff.). Der Band vereint Aufsätze und Studien, die zwischen 1961 (Nr. 8) und 1991 (Nr. 6) an sehr verschiedenen Orten erschienen sind. Die inhaltliche Ordnung der Beiträge macht darüber hinaus deutlich, wie aus akribischer Arbeit an der Textgestalt die Bedeutung von JosAs nicht nur für die frühjüdische Literatur und Geschichte, sondern auch für die frühen christlichen Traditionen hervorgehen kann. Daraus ergibt sich eine Gesamtsicht, die aus den isolierten Beiträgen mit ihrem spezifischen Eigenwert in dieser Weise nicht ersichtlich ist. Der Gattung der Aufsatzsammlung sowie der Sache selbst entsprechend enthalten die Beiträge auch Wiederholungen von bereits zuvor Gesagtem; dennoch entsteht ein eindrucksvolles Gesamtbild einer 40jährigen Forschung an JosAs, die ­ wie der Umschlagtext formuliert­ "als Ausgangspunkt für weitere Forschung zum Text und seiner Bedeutung für Judaistik und Bibelwissenschaft dienen (kann)". Mit Spannung erhofft man ­ über die Andeutungen auf S. XIV-XVI hinaus ­ des Vf.s eigene Diskussion der seit 1991 erschienenen Literatur zu JosAs, bei der besonders feministisch- theologische Ansätze eingeflossen sind.

Der Zugang zum Ganzen wird durch z. T. ergänzte Einzelgliederungen und zwei abschließende Register erleichtert. Dankbar ist man auch für die auf den neuesten Stand gebrachte Bibliographie zu JosAs.