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Ausgabe:

Mai/2007

Spalte:

535 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Sänger, Dieter, u. Ulrich Mell [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Paulus und Johannes. Exegetische Studien zur paulinischen und johanneischen Theologie und Literatur.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2006. X, 556 S. gr.8° = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 198. Lw. EUR 109,00. ISBN 978-3-16-149064-4.

Rezensent:

K.-W. N.

13 Neutestamentler, darunter zwei Schweizer, ein Schwede und zwei deutsche Katholiken (alle übrigen sind Protestanten) haben zu dem Sammelband beigetragen, der auf ein Symposium anlässlich des 70. Geburtstages von Jürgen Becker, dem namhaften Kieler evangelischen Neutestamentler, zurückgeht. Der Geehrte selbst gibt in einem eigenen Beitrag am Ende »Anregungen zur Belebung einer Diskussion« um »Das Verhältnis des johanneischen Kreises zum Paulinismus« (473–495). Diese Frage spielt allerdings in den voranstehenden Beiträgen gar keine Rolle. Sie sind vielmehr wohlgeordnet zunächst Johannes (J. Frey zum johanneischen Dualis­mus, K. Scholtissek zu den »Begegnungsgeschichten« in Joh 5 und 9, M. Theobald zur Frage eines durch Johannes bezeugten synagogalen Judenchristentums, J. Zumstein zu den Metaphern der jo­hanneischen Hirtenrede) und dann Paulus gewidmet (R. von Bendemann zu »Zorn« und »Zorn Gottes« im Römerbrief, D. Hellholm zur Struktur von Röm 5,12–21, O. Hofius zur paulinischen Rede von den »Werken des Gesetzes«, A. Lindemann zu Paulus als Pharisäer und Apostel, U. Mell zum Galaterbrief als »urchrist­liche[m] Ge­meindeleitungsbrief«, D. Sänger zum Geschick Israels nach Röm 9–11, G. Sellin zu ästhetischen Aspekten der Sprache des Paulus, G. Theißen zur Deutung des Todes Jesu bei Paulus, S. Vollenweider zu einer politischen Theologie im Philipperbrief).
Der ausdrücklich dem Symposiums- und Bandthema gewidmete Beitrag von Jürgen Becker ist in der Tat anregend für künftige Diskussionen (diejenige, die sich an ihn auf dem Symposium an­schloss, vgl. [473], Anm. 1, wird freilich nicht dokumentiert), unterbreitet er doch nach einem Durchgang durch die nicht sehr reichhaltige Forschungsgeschichte zur Fragestellung einen profilierten eigenen Vorschlag. Anknüpfend an frühere Arbeiten zu Paulus, zum johanneischen Christentum und zur Geschichte des Urchris­tentums versteht B. »das Urchristentum als komplexe, synchron und diachron strukturierte Kommunikationsgemeinschaft« (483) und versucht so, zwischen der Skylla einer Pluralität voneinander isolierter Einzelgemeinden und der Charybdis einer geradlinig aufwärts strebenden Traditionsgeschichte zu navigieren. In der Geisterfahrung und im Geistverständnis identifiziert er bei Paulus und Johannes eine aus gemeinsamen urchristlichen Ursprüngen herrührende Grunderfahrung, die beide jeweils eigenständig und unabhängig voneinander argumentativ und situationsbezogen entfaltet haben.