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Ausgabe:

Mai/2007

Spalte:

517 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Mobley, Gregory

Titel/Untertitel:

The Empty Men. The Heroic Tradition of An­cient Israel.

Verlag:

New York-London-Toronto-Sydney-Auckland: Doubleday 2005. XVII, 294 S. gr.8° = The Anchor Bible Reference Lib­rary. Geb. US$ 35,00. ISBN 0-385-49851-9.

Rezensent:

Rüdiger Bartelmus

»The purpose of this book is to read portions of the Bible as adventure stories. … It is an attempt to pull together disparate bits of evidence and reconstruct the outline of Early Iron Age Israelite warrior culture, and to analyze the conventions and appreciate the structure of biblical adventure stories. It is an attempt to isolate the heroic tradition of ancient Israel, as one might speak of Greek or Irish or Indo-Aryan heroic tradition, and to open this tradition up to comparisons with other heroic literatures« (5; Kursivsatz R. B.).
Das mit diesen Worten zusammengefasste umfassende Programm versucht M. in sieben Kapiteln zu bewältigen: 1. Muster (1–18); 2. Heroic Culture (19–47); 3. Heroic Conventions (48–74); 4. Ehud and the Monoliths (75–112); 5. Gideon and the Winepress (113–170) (mit drei [angesichts vieler weiterer textgliedernder Überschriften im Text] nur im Inhaltsverzeichnis klar zu identifizierenden Teilkapiteln: Gideon and the Winepress [129–142], Gideon and the Three Villages [142–146], Abimelech and the Stones [146–170]); 6. Samson and the Three Women (171–223); 7. The Heroic Age (224–246). Eine um­fangreiche Bibliography (247–266), ein Author Index (267–272), sowie ein Biblical Reference Index (273–282) und ein Subject Index (283–294) schließen das Werk ab. Die Anmerkungen sind – wie leider häufig in Literatur aus Übersee – jeweils am Kapitelende angefügt, so dass man je und je mühsam suchen muss, wo sich ein Verweis findet.
Die im Titel angedeutete Gleichsetzung von Heroen und »empty men« (bei Luther: »lose Männer/Leute«) – explizit etwa am Ende des Simson gewidmeten Kapitels vollzogen: »he is the ultimate empty man« (207) – irritiert nicht nur auf den ersten Blick. Im Verlauf der passagenweise sehr assoziativ anmutenden Darstellung wird nämlich deutlich, dass eine klare Differenzierung im Blick auf Begriffe bzw. Konzepte nicht Sache von M. ist. Das lässt sich z. B. anhand eines Blicks in die Anm. 6 (16 f.) unschwer belegen: Dort erwähnt er zwar zu Recht C. (H.) Gordon, J. Blenkinsopp und R. Bartelmus als wissenschaftliche Vorgänger, die sich mit dem Phänomen des »Heroentum(s) in Israel und seiner Umwelt« (so der Titel der Dissertation des Rezensenten, erschienen 1979 in der Reihe AThANT) auseinandergesetzt haben (»The present study is indept­ed to these studies«); er hat aber offenbar nicht gemerkt, dass sein (muttersprachlich geprägtes) Verständnis von »heroic« und die un­gleich differenziertere, am griechischen Heroenbegriff orientierte (und überdies nicht identische) Sicht des Phänomens bei den drei Autoren kaum kompatibel sind: Nicht umsonst fehlt dann in dem Simson gewidmeten Kapitel jeder Verweis auf die angeblich ausgewertete Dissertation des Rezensenten (der überdies zumeist als »Bartlemus« zitiert wird). Spätestens hier hätte M. nämlich erkennen müssen, dass nicht jeder Held ein Heros genannt werden kann.
Eine erste Anfrage an die innere Stringenz der Vorgehensweise von M. ergibt sich indes bereits aus dem Umstand, dass in dem zitierten Programm etwas zusammengespannt wird (angedeutet durch das oben kursiv gesetzte »and«), was methodisch doch säuberlich getrennt bleiben müsste: Im Rahmen einer philologisch-literarischen Untersuchung von antiken Texten beliebig in die Welt der Realien zu wechseln, um dann wieder zum Text zurück­zukehren, ist methodisch obsolet. Natürlich spiegelt sich in den Erzählungen des Richterbuchs in irgendeiner Weise die »Early Iron Age Israelite warrior culture«, aber von erzählerischen Details blind auf Realien zu schließen und umgekehrt, ist mehr als problematisch (vgl. dazu etwa 93–99). Erst recht gilt dieser Einwand, wenn zugleich ohne Berücksichtigung der jeweils vorliegenden Gattung munter Erzählungen von einem Kampfspiel mit anschließendem Mord (2Sam 2,14 ff.), einem Zweikampf (1Sam 17), einem Philisterkrieg (1Sam 13), einem Jahwekrieg (Ri 7) und Simsons Heroentat mit dem Eselskinnbacken (Ri 15,9–16) auf einer Ebene verhandelt werden (vgl. dazu 52–59; die vom Rezensenten getroffene Textauswahl ist exemplarisch – es werden weit mehr Texte angesprochen).
Was hier im allgemeinen Teil (»heroic conventions«) vorgebildet ist, wiederholt sich bei den konkreten Textanalysen in den Kapiteln 4 bis 6: Natürlich kann man unter dem Aspekt »Sieg für einen Israeliten« Ehud, Gideon und Simson zusammensehen, wie es die deuteronomistische Redaktion des Richterbuchs vollzogen hat. Aber dass die drei völlig unterschiedlich angelegten Erzählungen als Belege für eine einheitliche frühbronzezeitliche »heroic« »warrior culture« ausgewertet werden, überrascht doch sehr. Noch mehr überrascht den historisch-kritisch geschulten Mitteleuropäer, dass im letzten Kapitel der Kreis der Heroen gar noch auf Debora, Barak und Jaël auf der einen Seite, Samuel, Abner und Joab auf der anderen Seite ausgeweitet werden kann (227) – immerhin unterscheidet M. hier wenigstens noch zwischen den »heroes of Judges« und den »heroes in the scroll of Samuel«. Einem Autor, der ohne Probleme Parallelen zwischen »the wild man from Northern European folklore, Rumpelstilzchen« und Simson (225) bzw. der Simson-Erzählung und den neuzeitlichen Storys vom Bankräuber Jesse James oder dem »Bad Nigger« Stagolee herstellen kann (186 f.), mögen solche Einwände als exegetische Erbsenzählerei erscheinen: Der geis­tig im »alten Europa« beheimatete Rezensent kann umgekehrt mit einer so undifferenzierten Nacherzählung der »adventure stories« des Richterbuchs (244) wenig anfangen und vermutet, dass es vielen Kollegen und Studierenden bei einer Lektüre des Buches ähnlich ergehen dürfte.