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Ausgabe:

Mai/2007

Spalte:

513 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Janowski, Bernd, u. Gernot Wilhelm [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Staatsverträge, Herrscherinschriften und andere Dokumente zur poli­tischen Geschichte. M. Beiträgen v. F. Breyer, J. D. Hawkins, K. Hecker, A. Jördens, F. Junge, J. Klinger, H. Koch, I. Kottsieper, G. Moers, N. Nebes, H. Neumann, H. Niehr, D. Schwemer, H. Sternberg-el Hotabi u. G. Wilhelm. Redaktion: M. Lichtenstein.

Verlag:

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2005. XVIII, 406 S. m. Abb. u. Ktn. gr.8° = Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Neue Folge, 2. Geb. EUR 148,00. ISBN 3-579-05288-8.

Rezensent:

Kai Lämmerhirt

Der thematisch an TUAT I/2 und 4–6 anknüpfende Quellenband ist in acht Abschnitte unterteilt: I. Mesopotamische Texte, II. Texte der Hethiter, III. Altsyrische Texte, IV. Ägyptische Texte, V. Texte aus Iran, VI. Nordwestsemitische Texte, VII. Sabäische Texte, VIII. Griechische Texte aus Ägypten. TUAT.NF 2 enthält Übersetzungen von mehr als 100 Texten aus dem Zeitraum zwischen ca. 2430 v. Chr. (Herrscherinschrift Enmetenas von Lagasˇ , 9 f.) und etwa 240 n. Chr. (Statueninschriften D und E aus Hatra, 317 f.). Bei den meisten Texten handelt es sich um Staatsverträge und Herrscherinschriften. Aufgenommen wurden jedoch auch Datenlisten und Chroniken aus Mesopotamien (27–45), die Inschrift eines ägyptischen »Warlords« der »Ersten Zwischenzeit« (187–196), ein kleines Fragment, das über das Wirken des Römers C. Rabirius Postumus, Finanzminister unter Ptolemaios XII. (51–47 v. Chr.), berichtet (382) und der in den letzten Jahren zu einiger Berühmtheit gekommene Berliner »Kleopatra-Papyrus«, auf dem sich möglicherweise die eigenhändige Unterschrift Kleopatras VII. (51–30 v. Chr.) erhalten hat (383). Am Ende des strapazierfähig gebundenen Bandes finden sich ein Re­gister der zitierten Bibelstellen (390) und ausführliche Zeittafeln (391–406). Beigegeben sind ferner drei Karten (auf den Innenseiten der beiden Buchdeckel).
Die beiden ältesten dargebotenen Staatsverträge sind der ins 24./23. Jh. v. Chr. datierende Vertrag zwischen der nordsyrischen Stadt Ebla und dem am Oberlauf des Euphrat gelegenen Fürstentum Abarsal (2–9) sowie der etwas jüngere Vertrag Elams mit dem akkadischen König Nara-m-Sîn (ca. 2260–2223 v. Chr.), der zu­gleich die erste eindeutig in elamischer Sprache verfasste Inschrift ist (283–287). Im ersten werden neben den territorialen Ansprüchen Eblas, das den Vertrag offensichtlich diktiert hat, auch die gegenseitige Verköstigung von Karawanen und Reisenden (§§ 6–10), freies Geleit für die Kaufleute des Vertragspartners (§§ 24–25) und die kultische Verehrung des Gottes von Ebla in Abarsal (§ 26) festgeschrieben. Beim zweiten handelt es sich offenkundig um einen Bündnis- bzw. Friedensvertrag, in dem ein elamischer König, dessen Name nicht erhalten ist, bei insgesamt 37, größtenteils einheimischen Göttern schwört, keine feindlichen Unternehmungen ge­gen den König von Akkade zuzulassen, keine Deserteure aufzunehmen und Akkade im Kriegsfall beizustehen.
Bedauerlich ist hier, dass die von H. Koch beigegebenen Erläuterungen (283 f. u. 287) nur die Schwurgötter und philologische Probleme zum Gegenstand haben, während der eigentliche Inhalt des Vertrags unkommentiert bleibt.
Abschnitt I (Akkadische Texte) enthält ferner einen internationalen Handelsvertrag zwischen einem nicht namentlich genannten altassyrischen Herrscher und Till-abnû, König von Apum (88–90), einen Vertrag zwischen Zimrī-Līm von Mari und Hammurapi von Babylon (90), den Treueschwur Atamrums von Andarig gegenüber Zimrī-Līm (91) sowie den wahrscheinlich gegen Ende des Jahres 669 v. Chr. aufgesetzten Loyalitätsvertrag der Zakūtu/Naqi’a (91–93). Letzterer verpflichtet die Enkel der Königswitwe Zakkūtu (Gemahlin Sanheribs, Mutter Asarhaddons) sowie die höchsten assyrischen Würdenträger zur Loyalität gegenüber Zak­kūtus Lieblingsenkel, dem gerade gekrönten Assurbanipal (669–630? v. Chr.). Brisant ist, dass an erster Stelle der genannten Personen Šamaš-šumu-ukīn erscheint, der sich 652 v. Chr. gegen seinen Bruder As­surbanipal erheben sollte.
In den Abschnitten II (Texte der Hethiter) und III (Altsyrische Texte) finden sich weitere Verträge. Die wichtigsten Vertragspartner sind Hatti, Ugarit, Amurru, Kizzuwatna und Alalah (95–138 und 161–186).
Von den Herrscherinschriften sind zwei für die alttestamentliche Forschung besonders interessant: Die von G. Moers übersetzte und ausführlich kommentierte Triumphinschrift Pharao Scheschonqs I. (945–924 v. Chr.) am »Bubastidentor« in Karnak (246–271) enthält eine lange Liste jener Orte, die im Verlauf des Palästina-Feldzugs von 925 v. Chr. erobert und zerstört wurden. Dieser Feldzug ist der in 1Kön 14,25–26 und 2Chr 12,2–9 erwähnte. Der im Frühjahr 700 v. Chr. geschriebene Rassam-Zylinder (67–74) liefert hingegen einen äußerst zeitnah verfassten Bericht über die erst ein Jahr zurückliegende Belagerung Jerusalems durch die Assyrer unter Sanherib (705–681 v. Chr.). Abweichend vom biblischen Be­richt in 2Kön 18,13–19 und Jes 36–37 ist hier kein katastrophaler assyrischer Misserfolg verzeichnet. Stattdessen wird die Eroberung und Plünderung zahlreicher judäischer Städte vermeldet, während König Hiskia (725–697 v. Chr.) »wie ein Käfigvogel« in Jerusalem eingeschlossen war. Ferner wird berichtet, dass Sanherib die von seiner Armee geplünderten Städte den Gebieten der Herrscher von Asdod, Ekron und Gaza zugeschlagen hat, was eine erhebliche Re­duzierung von Hiskias Herrschaftsbereich bedeutet haben dürfte. Hiskia selbst sollen diese Ereignisse zu umfangreichen Tributzahlungen veranlasst haben, die er dem inzwischen wieder abgezogenen Sanherib nach Ninive hinterherschickte. Hierzu ist der bereits in TUAT I/4, 388–391 von R. Borger übersetzte und geringfügig ab­weichende Bericht des erst 689 v. Chr. verfassten Chicago-Prismas und seiner Duplikate zu vergleichen. Die gute Gelegenheit, in TUAT.NF 2 auf neuere Literatur zu diesem Feldzug hinzuweisen, wurde leider nur ansatzweise genutzt. Neben der auf S. 68 genannten Monographie von W. R. Gallagher (»Sennacherib’s Campaign to Judah«) aus dem Jahr 1999 hätte wenigstens der von L. L. Grabbe 2003 herausgegebene Aufsatzband »›Like a Bird in a Cage.‹ The Invasion of Sennacherib in 701 BCE« (JSOT. Suppl. Series 363) Erwähnung verdient. Dasselbe gilt für den Stellenkommentar.
Hinsichtlich der in Z. 55 genannten Urbi-Truppe, über die seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert wird (Araber oder eine Arbeits- bzw. Söldnertruppe?), ist die auf S. 72 in Anm. 271 zu findende Erläuterung »Eine unklare Mannschaft oder Truppenart« unbefriedigend. Es fehlt ein Hinweis auf neuere diesbezügliche Ausführungen, vor allem die von J. Retsö (»The Arabs in Antiquity. Their History from the Assyrians to the Umayyads«. London-New York 2003, 156: identisch mit der Bezeichnung für Araber, die Grundbedeutung ist möglicherweise »Söldner«), W. Mayer (»Sennacherib’s Campaign of 701 BCE: The Assyrian View«, in: L. L. Grabbe [wie oben angegeben], 168–200, hier 183 f.: Metathese von r und b, zu ubru »Ortsfremder« zu stellen) und N. Na’aman (JAOS 120 [2000], 621–624 = Collected Essays 1 [2005], 298–304: urbı- = »Flüchtlinge« [‹ne-rubu »fliehen«]).
Alle anderen Texte weisen zumeist keine derartig engen Bezüge zum Alten Testament auf. Dies zeigt auch das kurze Register der Bibelstellen (390), in dem fast ausschließlich auf die zwei oben er­wähnten Herrscherinschriften verwiesen wird. Dass bei der Textauswahl, wie auf dem Rückendeckel von TUAT.NF 2 zu lesen ist, das Alte Testament als Bezugspunkt im Blick behalten wurde, ist somit nur schwer nachvollziehbar.
Abgesehen hiervon gilt jedoch: Das in TUAT.NF 1, VIII, angestrebte Ziel der neuen Reihe, die berücksichtigten Kulturbereiche möglichst umfassend zu dokumentieren, wurde erneut mit Bravour erreicht.