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Ausgabe:

Januar/1998

Spalte:

27 f

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Daiber, Karl-Fritz]

Titel/Untertitel:

Religion wahrnehmen. Hrsg. von K. Fechtner, L. Friedrichs, H. Grosse, I. Lukatis u. S. Natrup.

Verlag:

Marburg: Diagonal 1996. 364 S. 8°. ISBN 3-927165-43-3.

Rezensent:

Christian Grethlein

Die Festschrift zum 65. Geburtstag von Karl-Fritz Daiber ist deutlich durch die beiden Tätigkeiten des Jubilars geprägt: die Leitung der Pastoralsoziologischen Arbeitsstelle in Hannover und das akademische Lehramt in Marburg. Die Verfasser der 35 Beiträge bemühen sich, der Weite des Forschens von Daiber in fünf Abschnitten zu folgen, denen ein schönes Interview mit Daiber "Und es gibt eigentlich so viel, was bejaht werden kann..." und zwei an geteilte Lebenszeit erinnernde Beiträge des langjährigen Hausgenossen Christian Krause und des früheren Schulkameraden Jörg Baur vorausgehen.

Der erste Abschnitt befaßt sich unter der Überschrift "Kirche ­ Religion ­ Gesellschaft" mit "Interdisziplinären Zugängen". Dabei begegnen in Aufsätzen von G. Wegner, W. Sparn, G. M. Klinkhammer/J. Jetzkowitz, D. Stollberg und W. Fahlbusch Soziologie, Religionswissenschaft, Psychologie und Ökonomie als Gesprächspartner der Theologie. Einigkeit besteht dabei in der von Sparn vorgetragenen These, "daß ohne die Kultur-, Human- und Sozialwissenschaften die Theologie ihrer eigentümlichen Aufgabe, christlich-religiöses Glauben und Leben zu verstehen, nicht angemessen nachkommen kann" (45).

Sodann folgt der Abschnitt "Religion und Kirche im sozialen Wandel. Beobachtungen im ökumenischen Kontext". Neben eher grundsätzlichen Artikeln zu "Die beschränkte Lernfähigkeit der Kirchen" (L. Laeyendecker), "Spiel mit und ohne Grenzen. Skizze zur Pluralität von Grenzen und Grenzübersteigungen" (H.-W. Eichelberger) und "Religion und Gesellschaft revidiert: Religionssoziologie jenseits des Säkularisierungsparadigmas" (K. Gabriel) finden sich konkrete Analysen zur Lage von Kirche und Religion in Österreich (H. Bogensberger), der Schweiz (A. Dubach), Osteuropa (M. Tomka) und der Bundesrepublik (G. Traupe). Dabei ist das gemeinsame Bemühen ­ in Aufnahme von Deutungen des Jubilars ­ greifbar, die gegenwärtigen Veränderungen als Transformationen und nicht als Abbrüche zu verstehen und in einen "zivilgesellschaftlichen Religionsdiskurs" (145) einzutreten. B. Stierle bringt mit "Theologische Ethik und Frauen" noch eine neue Thematik zu Gehör.

Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit "Religion zwischen Kunstereignis und Freizeitkultur". Bildende Kunst (H. W. Dannowski), Literatur (J. Schmidt), Musik (R. Sommer), Aktionskunst (V. Drehsen), Techno (R. Sachau) sowie Fußball (M. Josuttis), Urlaub (I. Lukatis/W. Lukatis) und Kult-Marketing werden praktisch-theologisch analysiert. Dabei steht ­ von Josuttis explizit genannt ­ im Hintergrund die Erkenntnis Daibers: "die Schwierigkeit besteht darin, daß es Religion gibt, die sich als Nichtreligion versteht und vielleicht umgekehrt sogar auch Nichtreligion, die meint, Religion zu sein" (211, 217).

Im vierten Abschnitt wird "Jugend und Religion" thematisiert, und zwar aus jugendsoziologischer (A. Feige), religionspädagogischer (K. Wegenast), religionsdidaktischer (H. W. Grosse und E. Kampermann) sowie gemeindepädagogischer Perspektive.

Schließlich folgt ein fünfter, sehr weitgespannter Abschnitt "Kirchliche Praxis im neuzeitlichen Christentum". Neben einer Andacht (Chr. Bizer) und einer Predigt (G. M. Martin) finden sich eine Analyse von Gebeten in Fürbittbüchern (G. Schmied), homiletische Reflexionen (K. Fechtner/L. Friedrichs), religions-soziologische Hinweise zum evangelischen Gottesdienst (D. Pollack) und zwei kybernetische Beiträge (C. Dassler und R. Schloz).

Eine wichtige Abrundung erfährt der Band durch die beigegebene Bibliographie des Jubilars, die eindrücklich dessen Vielseitigkeit dokumentiert. So geben ­ eingerahmt durch Interview sowie biographische Reminiszenzen und Bibliographie ­ die Beiträge der Festschrift einen guten Einblick in das bisherige Wirken von Karl-Fritz Daiber als eines ungewöhnlich offenen, wesentlich Beiträge zu den Wandlungen von Religion in der Moderne leistenden Praktischen Theologen und Soziologen.