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Ausgabe:

Februar/1998

Spalte:

199 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Kirsner, Inge

Titel/Untertitel:

Erlösung im Film. Praktisch-theologische Analysen und Interpretationen.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1996. 295 S. gr.8° = Praktische Theologie heute, 26. Kart. DM 69,­. ISBN 3-17-014413-8.

Rezensent:

Birgit Marchlowitz

"Theologie kann von den Bildern des Kinos wieder das Laufen lernen" (279), denn der Film ist Spiegelbild, Traumbild, Charakterbild, er ist Transzendierung der Alltagswelt, er ist nicht abstrakt, er ist konkret. Insofern bietet der Film einen Schlüssel zur Wirklichkeit. Aus theologischer Sicht interpretiert K. den Film als eine hermeneutische Kategorie. Sie beklagt den Sinnlichkeitsverlust der Theologie. Verführt durch die griechische Ideenkultur, habe das Christentum den Boden seiner ursprünglichen Erinnerungs- und Erzählgemeinschaft verlassen. Der Film sei nun die große Möglichkeit, den Weg zurückzufinden vom Geiste zum Fleische.

Dieses Anliegen entfaltet K. anhand der Analyse von vier Filmen: dem Gangsterfilm "Blast of Silence" von Allen Baron (47-83), dem Revolutionsfilm "Die Kommissarin" von Alexander Askoldow (83-133), dem Jesus-Film "Jesus von Montreal" von Denys Arcand (133-184) und dem Science Fiction "Solaris" von Andrej Tarkowskij (184-242).

Das methodische Vorgehen K.s sei hier stellvertretend an dem Film "Jesus von Montreal" transparent gemacht. Zunächst wird ­ nach einer kurzen Einleitung (133-134) ­ die Einordnung des konkreten Films in die jeweilige Gattung vorgenommen, d. h. hier in das Genre des Jesus-Films, versehen mit einem Exkurs zum Bilderstreit (135-150). Sodann schließt sich die Vorstellung des Films im engeren Sinne an mit Informationen zur Stadt Montreal und zum filmerischen Kunstwerk Arcands (150-154). Dem folgt die Schilderung der eigentlichen Film- Story (154-161), der eine Charakterisierung des Jesusdarstellers Daniel Coulombe (161-166) sowie eine Motiv- und Personenanalyse (166-173) angefügt ist. Die filmerische Gestaltung der ’Passion’ (173-175) und die Zusammenfassung der Rezeptionsgeschichte des Films "Jesus von Montreal" (175-178) schließen die Filmdokumentation ab. Erst dann kommt K. in einem Schlußkapitel (178-184) auf ihr eigentliches Anliegen zu sprechen: Die religiöse Interpretation des Films, die ­ obwohl Zielpunkt der Analyse ­ hier äußerst knapp ausfällt.

Dennoch liegt in der Präsentation des Filmmaterials der eigentliche Gewinn der Arbeit. Die mehr theoretisch orientierten Einleitungs- und Schlußkapitel "Film und Theologie" (11-37) sowie "Alltag und Religion" (243-283) entbehren in ihrem aphoristischen Stil oft der systematischen Kategorien. So deutet etwa K. den Film als Sakrament (281), oder an anderer Stelle als Fleischwerdung des transzendenten Gehalts von Wirklichkeit (181), unterläßt es aber, ihre Terminologie bzw. ihre Inhalte genauer zu klären. Dementsprechend drängt sich die Frage auf, ob denn alles im Film Dargestellte Sakramentscharakter für sich beanspruchen dürfe, ob denn ungebrochen Gott in das "Fleisch" Film eingegangen sei? Allerdings muß K. zugute gehalten werden, daß sie sich mit ihrem Forschungsgegenstand auf absolutes Neuland begibt. Ihr tastender Versuch, ein neues Medium für die Theologie fruchtbar zu machen, ist ebenso zu befürworten, wie ihre Absicht, die Theologie zur Auseinandersetzung mit der Alltagskultur aufzufordern.