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Ausgabe:

Februar/1998

Spalte:

175 f

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Engemann, Josef

Titel/Untertitel:

Deutung und Bedeutung frühchristlicher Bildwerke.

Verlag:

Darmstadt: Primus 1997. V, 185 S. m. 138 Abb. 4°. Lw. DM 78,­. ISBN 3-89678-041-7.

Rezensent:

Hans Georg Thümmel

Der Vf. will an ausgewählten Beispielen den Inhalt frühchristlicher Bildwerke verdeutlichen. Dabei geht es vor allem um prinzipielle Probleme, die E. unter häufigem Rückgriff auf eigene Arbeiten darstellt. E. entscheidet sich (auch trotz allen Abbruchs von Glaubens-, Kult-, Bildtraditionen) zu Recht für eine "historische" Deutung der Denkmäler. Dazu dient ihm ein dreigliedriges Schema, das zwischen der Beschreibung der Erscheinung (Form), der Inhaltsbestimmung und schließlich der Deutung unterscheidet, wobei letztere versucht, darauf Antwort zu geben, in welcher Absicht eine Szene am bestimmten Ort, am besonderen Bildträger erscheint. Dem kann der Rez. um so eher zustimmen, als er selbst ähnliche Prinzipien zum Ausdruck gebracht hat (s. bes. "Studien zur frühchristlichen Grabeskunst", 1966, 170 ff.: Hermeneutische Prinzipien). Da der Vf. vor allem problematische Beispiele heranzieht, entsteht zunächst ein nicht zu positives Bild von der Möglichkeit, Bildwerke adäquat zu deuten. Das ändert sich dort, wo es um die Deutung speziell geht. E. hat hier den Stoff in fünf Bereiche untergliedert: Alltagsleben, Grabdekor, Herrscherikonographie, Kirchen, Magie.

Wie schwierig freilich die Probleme sind, zeigt sich sofort bei der Interpretation des einzelnen Werkes. Halte ich auch die Grundsätze für richtig und kann ich vielen Deutungen zustimmen (oder habe sie ähnlich selbst vorgenommen), so ergeben sich doch Differenzen. Für den Streit um die Bildlosigkeit der frühen Kirche (7 f.) verweise ich auf meine einschlägigen Arbeiten. Wenn E. zur Vorsicht bei der Auswertung von Schriftzeugnissen mahnt und darauf hinweist, daß auch antike Zeitgenossen (ausführende Handwerker, Betrachter) nicht unbedingt mit dem Inhalt christlicher Bilder vertraut waren (25-28), dann kann ich dem zustimmen, wenn ich auch vielleicht die Dinge nicht ganz so kraß sehe, vgl. Predigt in der Alten Kirche, hrsg. v. E. Mühlenberg u. J. van Oort, 1994, 121 f. Die Frage ist ja aber doch nicht nur, ob der normale Betrachter den Sinn einer Darstellung erfassen konnte, sondern ob der durchschnittliche Bischof, der vor allem als Auftraggeber in Frage kommt, der komplizierten Gedankengänge fähig war, die moderne Interpreten im Bild wiederfinden. So geht mir etwa die ausführliche Gesamtdeutung des Bildprogramms von S. Vitale/Ravenna etwas zu weit (130-142). Der Begriff der "Heilsgeschichte" scheint zu modern gefüllt. Gewiß gab es auch in der Alten Kirche diese Vorstellung, und sie hat besonders im Langhaus Verbildlichungen erfahren, doch ist die strenge Unterscheidung zwischen AT und NT so nicht zu finden: Gott spricht in beiden, und auch das AT redet von Christus. Außerdem wird gerade in S. Vitale ein Prinzip deutlich, das auch andernorts bezeugt ist, nämlich an den aufgipfelnden Stellen der Architektur ein Christus- oder Gottessymbol anzubringen (Kreuz, Monogramm, Etimasie, Lamm etc.). Grundsätzlich ist zu fragen, ob nicht ein weiteres hermeneutisches Prinzip einzubringen ist, nämlich bei der Deutung der Darstellungen von einer gewissen Koine der Vorstellungen auszugehen, und nur wenn diese nicht reicht, kompliziertere Konzeptionen anzunehmen (vgl. ThLZ 117, 1992, 455 f.).

Wenn der Vf. immer wieder zu zeigen versucht, daß bestimmte Dinge nicht dem Bereich des Grabes, sondern dem Alltag angehören (2 f. 53 f. 100 f.), dann ist übersehen, daß es hier Überschneidungen gibt. Szenen des Notgebets etwa konnten in der Notsituation des Alltags wie in der des Todes Verwendung finden. Und wenn Goldgläser für den Alltag hergestellt wurden, schließt das nicht aus, daß ähnliche Gläser auch für das Totenmahl dienten und hergestellt wurden (s. Boreas 17, 1994, 257-265).

Nicht jede Szene, in der ein Untier eine nackte menschliche Gestalt teilweise im Rachen hat (35), meint Jonas. Gerade im Frühmittelalter war solche Szene offenbar mit anderen Sinngebungen verbunden (Bedrohung durch böse Mächte?). Daß ein gefallener Engel (Teufel) nimbiert dargestellt sein soll (28 f.), glaube ich nicht.

Was mir auffiel: Die anonyme Katakombe an der via Anapo (17. 106) ist fälschlich 1578 mit der Priszilla-Katakombe, 1921 mit der der Jordanier identifiziert worden. S. 24 muß es heißen "Johannes Chrysostomos, Presbyter in Antiochia". Der Florentiner Jairussarkophag (73) ist jetzt in S. Lorenzo (Grab von Niels Stensen). Die fünfteiligen Elfenbeine sind ursprünglich kaum Buchdeckel gewesen (128, s. Byzantinoslavica 39, 1978, 196-206).

Wenn hier vor allem kritische Ausstellungen gemacht wurden, so darf das nicht darüber hinweg täuschen, daß E. in verdienstlicher Weise die Interpretationsmethoden der christlichen Archäologie einmal am Beispiel einzelner Denkmäler durchleuchtet hat.