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Ausgabe:

Februar/1998

Spalte:

167 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Ioannis Calvini

Titel/Untertitel:

Opera Omnia. Series II: Opera Exegetica Veteris et Novi Testamenti. XIX: Commentarius in Epistolam ad Hebraeos, ed. T. H. L. Parker.

Verlag:

Genf: Droz 1996. XLVI, 268 S. 8°.

Rezensent:

Joachim Rogge

Im Rahmen der neuen Gesamtausgabe Johannes Calvins liegt hier in der Reihe der exegetischen Werke zum Alten und Neuen Testament der Hebräerbrief vor. Bereits erschienene Kommentare sind in ThLZ angezeigt worden (120, 1995, 1097 f. und 122, 1997, 930 f.). Dabei wurde über Umfang, Anlage und Editionsgrundsätze das Erforderliche mitgeteilt. Hier sei lediglich wiederholt, daß wir in der in Angriff genommenen Werke-Edition wohl das zuverlässigste Instrument zur Erfassung der Lebensarbeit des Genfer Reformators vor uns haben.

Seit 1992 hatte Helmut Feld Kommentarausgaben zu Briefen des Neuen Testamentes veröffentlicht, ebenso Calvins Exegese der ersten acht Kapitel des Johannesevangeliums. Dadurch wurden im besten Sinne des Wortes Maßstäbe gesetzt. Thomas H. L. Parkers Hebräerbrief-Edition führt nun mit denselben Kriterien und mit seinen bereits vielfach nachgewiesenen Editionserfahrungen das Unternehmen in englischer Sprache fort. 1981 hatte er Calvins Römerbriefexegese vorgelegt (VII) und wollte sich danach dem Hebräerbrief zuwenden. Es ist hochdankenswert, daß sich der Autor jetzt in die schon laufende Reihe der Ioannis Calvini Opera Omnia einfügte und auf eine separate Ausgabe verzichtete. Der Kontakt mit Helmut Feld und den Initiatoren der Internationalen Calvin-Kongresse, die auch als Herausgeber der Gesamtausgabe fungieren, ist dem vorliegenden Band sehr zugute gekommen.

Calvin hat erstaunlich wenig über die Entstehung seines Hebräerbriefkommentars mitgeteilt. Seine Dedikationszeilen an den polnischen König Sigismund II. August vom 23. Mai 1549 (XII, 3-9) machen deutlich, wie weit Genfs Reformator sein ökumenisches Interesse im Rahmen der Entwicklung der Reformation spannte.

Parker stellt in seinen erfreulich distinguierten Anmerkungen den kirchengeschichtlichen Kontext für die Kommentierung des Hebräerbriefes heraus (s. z. B. 3, Anm. 1). Auf diese Weise wird pars pro toto im Duktus der Kommentierung das Lebenswerk Calvins transparent gemacht, das ja ­ schon was den äußeren literarischen Umfang betrifft ­ wesentlich durch Bibeltextauslegung als Begründung für die Reformation der Kirche gekennzeichnet war. So wurde auch der Trinitätsleugner Michael Servet von Calvin mit der Auslegung des Johannesevangeliums angegriffen (cf. den Johanneskommentar, hrsg. von H. Feld). Es ist charakteristisch, daß die Dedikation an den der Reformation aufgeschlossen gegenüber stehenden polnischen König wohl die mit Calvin in Verbindung stehenden polnischen Reformatoren unterstützen sollte, seine bibelsachbezogene Auslegung aber in keiner Weise beeinflußte (XII).

Der Hrsg. erkennt in Calvins Hebräerbriefauslegung die folgenden Themen als entscheidend: "Hebrews is here described as rich in its teaching on Christ’s eternal Divinity, his pre-eminence as Doctor of the church, his unique Priesthood, and as showing us the whole of Christ’s power and his office". Ähnlich summierend erklärt Parker die Kapitelaufteilung des Briefes bei Calvin folgendermaßen:

1-3,6: "The supremacy of Christ and his Gospel";
3,7-4,13: "Exhortations and threatenings";
4,14-5,10 und 7,1-10,35: "The Priesthood of Christ";
5,11-6,19: "Digression: reproofs and exhortations";
10,36-11: "The patience of faith";
12-13: "Varius precepts on right living" (XVI).

Parker konstatiert, daß in den verschiedenen Revisionen des Kommentars durch Calvins Hand keine wesentlichen Änderungen im exegetischen Ergebnis zu bemerken sind. Darum auch hat sich der Hrsg. für die Textfassung von 1556 (XXXII) entschieden, allerdings unter der Bedingung genauer Angabe der Abweichungen in den vorausgegangenen Editionen.

Einleitung und Bibliographie (IX-XLVI) stellen alles Wichtige vor, was zum Verständnis des Kommentars erforderlich ist, die biographische Einbettung, die Revisionen zu Calvins Lebzeiten, die theologischen Hauptanliegen, den verwendeten biblischen Text und weitere Ausgaben, die die theologiegeschichtliche Bedeutung des Kommentars durch die Jahrhunderte signalisieren. Er erschien zwischen 1549 und 1975 in folgenden Sprachen: Lateinisch, französisch, englisch, niederländisch, deutsch, spanisch, ungarisch und japanisch; jeder Weiterarbeitende findet vielfältige Hinweise und Auskünfte zu benutzten Bibelausgaben, klassischen Autoren, Kirchenväterliteratur, mittelalterlichen Autoren und solchen aus dem 16. Jh. sowie der Gegenwart.

Der Hauptteil des Bandes (1-248) umfaßt den Kommentartext selbst mit einem ausführlichen textkritischen Apparat, der u. a. die Revisionsvarianten berücksichtigt; diesem folgen abschließend einige Indices (249-268).

Calvin war es hauptsächlich um die christologische Mitte des Hebräerbriefes zu tun. In Anlehnung an alttestamentliche Aussagen über Abraham und Melchisedek entfaltet der Reformator sein Verständnis des Christus-Amtes in Kapitel 7 (105-108,3). Christus ist nicht König und Priester, sondern Prophet und Priester; "... these two are the chief subjects of Hebrews ..." (XXII). Immerhin sieht Calvin nach dem Zeugnis des Hebräerbriefes den Priesterkönig Melchisedek als "... Christum ... similem ..." (105,29 f.). Christus ist "Rex iustitiae" in dem Sinne, daß er "ab effectu ... in omnes suos iustitiam diffundit" (106,4 f.). Christus allein (solus Christus) ist es, der "Dei iustitiam nobis communicat ..." (106,1; XXII). Und solche Mitteilung von fremder Gerechtigkeit geschieht durch Versöhnung (gratuita reconciliatio) und Erneuerung durch den Heiligen Geist. Hier ist der Hauptakzent der Theologie Calvins in der Zusammensicht von Rechtfertigung und Heiligung wieder manifest. Christus wirkt geschenkweise Versöhnung und erneuert (renovat) uns "Spiritu suo, ut pie sancteque vivamus" (106,3 f.).

Parker führt seine Leser durch die Herausgabe des Hebräerbriefes, aber auch schon durch seine Einführung in den Kommentar in das Zentrum der Theologie Calvins. Viele Fachkollegen werden an dieser wissenschaftlichen Leistung ihre Freude haben.