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Ausgabe:

Februar/1998

Spalte:

163 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Staats, Reinhart:

Titel/Untertitel:

Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel. Historische und theologische Grundlagen.

Verlag:

Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft 1996. XIV, 363 S. gr.8°. Geb. DM 78,­. ISBN 3-534-01840-0.

Rezensent:

Hans Georg Thümmel

Dieses Buch will ein kirchliches Buch sein, das zwar Geschichte darstellt, aber sie dauernd auch im Bereich heutiger Relevanz sieht. Das ist legitim und gibt dem Buch etwas Lebendiges, Aktuelles. Im ganzen ergibt sich eine kenntnisreiche und ausführliche Diskussion aller Einzelprobleme in großer Breite. Das Buch ist für Laien, oder auch für Laien geschrieben, denen verdeutlicht werden soll, worin ihr trinitarischer Glaube wurzelt. So werden auch theologische Gemeinplätze mit weiten Exkursen breit diskutiert. Der Anmerkungsapparat ist klein gehalten. Es geht um das Nicaenoconstantinopolitanum von 381 (NC), um seine Aussage, seine historische Einbindung, besonders sein Verhältnis zum Nicaenum von 325 (N), aber eben auch um den ganzen Bereich des Glaubensbekenntnisses an sich und des Glaubens und Bekennens überhaupt. Das Thema liegt dem Vf. am Herzen, wie eine Reihe einschlägiger Publikationen aus seiner Feder zeigt. So kann das Werk auch als eine gewisse Zusammenfassung gelten.

In einem ersten Kapitel stellt der Vf. Glauben und Bekennen in der frühen Kirche dar und zeigt die Grenzen zwischen Dogma, Bekenntnis, apologetischer und missionarischer Rede auf. Dann wird NC in seinen Übersetzungen vorgeführt, 3. werden die historischen Ereignisse um das Konzil 381 diskutiert, mit dem Ergebnis, daß NC wirklich zu diesem Konzil gehört, 4. wird der Sitz im Leben bestimmt und 5. eine Verhältnisbestimmung zu anderen Bekenntnissen vorgenommen. Nach letzterer hat das mit dem Romanum verwandte Jerusalemer Symbol auf N gewirkt, alle drei auf den Tomos von Antiochien 379, der die unmittelbare Vorstufe von NC bildet. Dem folgt 6. die liturgische und kirchenrechtliche Wirkungsgeschichte von NC, schließlich 7. die Theologie von NC mit der Diskussion der einzelnen Formeln und ihrer Erläuterung aus den Schriften der zeitgenössischen Väter und 8. das NC als Basis der Ökumene in der Neuzeit. Hier wird die Geschichte des NC seit der Reformation dargestellt, und den Schluß bilden zehn Thesen, in denen der Vf. Intentionen formuliert, die man nur bejahen kann. Die Abfolge der Kapitel habe ich nicht als glücklich empfunden. Da dauernd schon einzelne Formeln von NC diskutiert werden, fragt sich der Leser, warum die Grundlage dafür erst im 7. Kapitel geliefert wird. Die Wiedergabe der anderen Bekenntnisse erlaubt nur schwer einen Vergleich mit NC, sie sind nicht leicht zu finden, und man hätte sich unter den ausführlichen Registern am Schluß auch eines der Bekenntnisse und der Väterzitate gewünscht. Die Darstellung ist nicht frei von Wiederholungen.

Ein Werk, das einen großen Bereich z. T. sehr umstrittener Probleme abschreitet, wird auch auf abweichende Meinungen treffen. Ich kann hier nur einige Punkte benennen.

St. bietet im Stile klassischer literarkritischer Arbeit einen Stammbaum der Symbole. Doch ist zu fragen, ob die Problemstellung zutreffend ist. Geht man etwa von der Notiz aus, daß das Symbol von Kaisareia die Grundlage für N gewesen sei, daß aber demgegenüber die Forschung das Jerusalemer Symbol als Vorlage benennt, dann ist doch damit gesagt, daß diese beiden Gemeinden Symbole hatten, und dann liegt die Annahme nahe, daß das für alle Gemeinden zutrifft. Nimmt man an, daß aufgrund gleicher Prinzipien und ökumenischer Kontakte diese Bekenntnisse einander sehr ähnlich waren, ist es schwierig, aus den etwa sechs oder sieben, die sich zufällig erhalten haben, weil sie kirchenpolitisch bedeutsam wurden, einen Stammbaum zu rekonstruieren. Vielleicht war dann auch das Symbol von Kaisareia (in Palästina) dem von Jerusalem sehr ähnlich? Hat es aber Symbole im Gebrauch von Gemeinden gegeben, die als Synodalbekenntnisse benutzt werden konnten, indem man sie den Erfordernissen anpaßte, dann ist auch die Vorlage von N ein Symbol mit vollständigem 3. Artikel gewesen, der aber nur angedeutet zu werden brauchte, weil es hier keine strittigen Fragen gab. Daß aus geringen Unterschieden weitgehende Schlüsse dogmatischer oder kirchenpolitischer Art gezogen werden, erscheint mir eine Überinterpretation. Ein Zählen von Wörtern kann nicht das Wägen der Aussagen ersetzen. Und von den Gemeindebekenntnissen heben sich ja doch die Bekenntnisse ab, die zwar auch meist eine Gliederung in drei Artikel durchscheinen lassen, aber offenbar ad hoc formuliert sind. Zu ihnen gehört die Fülle der Bekenntnisse, die mit den Synoden der vierziger und fünziger Jahre des 4. Jh.s zusammenhängen. Und dann ergibt sich die weitere Frage, was es bedeutet, daß man an diesen Bekenntnissen vorbei 381 auf Nikaia zurückging (vgl. ThLZ 109, 1984, 421 f.).

Den weitgehenden Interpretationen und Schlußfolgerungen aus der Formel "Fleisch geworden aus Heiligem Geist und der Jungfrau Maria" kann ich nicht folgen (24, 54 f., 140, 168, 176 f., 238 ff.). Diese Formel soll römisch und gegen Apollinarios gerichtet sein. Doch geht die Formel immerhin ja auf einen zentralen Bibeltext zurück (Lk 1,35), und sie konnte mit der Betonung der Fleischwerdung (statt Menschwerdung) Apollinarios eher entgegen kommen. Daß Apollinarios dabei als früher Monophysit gewertet wird, ist mir unverständlich: Geht es doch bei ihm um die Reduktion der menschlichen Natur, bei den Monophysiten um deren Vergöttlichung.

Ebenso wenig verstehe ich, warum St. einen Unterschied zwischen ex patre genitum und ex patre natum macht, wo es doch allein darum geht, die ohnehin nicht menschlich zu verstehende Vater-Sohn-Beziehung verbal auszusagen. Einen Bezug zu Weihnachten vermag ich nicht zu entdecken (23, 27 f. u. ö.).

Daß an der Dreieinigkeit im Osten mehr die Dreiheit, im Westen mehr die Einheit interessiert habe (105 f.), vermag ich nicht einzusehen. Auch die Führer der "Westpartei" waren östliche Theologen (Athanasios und Markellos). Und wenn dies auch auf die Akzentuierung Wesenstrinität ­ ökonomische Trinität gebracht wird, dann ist auf Augustin zu verweisen, der vor allem über die Wesenstrinität handelt. So stimmt auch die ikonographische Gegenüberstellung ­ Osten: Besuch der drei Männer bei Abraham, Westen: Auge Gottes im Dreieck ­ nicht. Das Auge Gottes ist im wesentlichen erst barock, zuvor gab es im Abendland den Synthronos, den Gnadenstuhl, die Taufe Christi und andere Trinitätsdarstellungen mehr.

Zu "Hypostasis" (106 f.) s. meine Ausführungen in: Die Weltlichkeit des Glaubens. FS U. Wickert, 1997, 347-398.

Hervorgehoben sei gegenüber aller Kritik noch einmal die schöne Kommentierung, die der Vf. NC aus den Schriften der großen Kirchenväter zuteil werden läßt.