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Ausgabe:

Februar/1998

Spalte:

158–160

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Drecoll, Volker Henning

Titel/Untertitel:

Die Entwicklung der Trinitätslehre des Basilius von Cäsarea. Sein Weg vom Homöusianer zum Neonizäner.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1996. XIV, 416 S., 1 Kte gr.8° = Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, 66. Lw. DM 120,­. ISBN 3-525-55174-6.

Rezensent:

Jörg Ulrich

In seiner 1995 bei Wolf-Dieter Hauschild in Münster fertiggestellten Dissertation zeichnet Volker Henning Drecoll den Weg des Basilius von Cäsarea vom Homöusianer zum Neonizäner nach. Damit fügt sich die Arbeit in einen größeren Kreis von unlängst entstandenen Untersuchungen zur Entwicklung der Trinitätslehre in der zweiten Hälfte des vierten Jh.s ein und ergänzt diese durch die eingehende Auseinandersetzung mit einem der drei großen Kappadokier um einen wichtigen Beitrag.

D. beschreibt zunächst die theologische Lage nach 361, die durch die Existenz unterschiedlicher trintitätstheologischer Gruppierungen der Neuarianer, Homousianer, Homöer gekennzeichnet ist. Er unterscheidet darüberhinaus "Linkshomöusianer", die das Nizänum weiterhin nicht akzeptieren und an den homöusianischen Optionen von 358 f. festhalten (332) und "Rechtshomöusianer" (17, 332); letztere vertreten nach der Katastrophe von 360 das homoios kat ousian sowie das Nizänum und speisen sich zum großen Teil aus ehemaligen Homöern, die zu der Einsicht gelangt sind, daß ihre bis 360 vertretene Positionen zur Abwehr des Neuarianismus nicht ausreichten, aber auch aus ehemaligen Homöusianern. Von diesen Gruppen hebt D. das "Neonizänertum" ausdrücklich ab, welches er erst mit der "Kernformel" mia ousia ­ treis hypostaseis vorliegen sieht (17 f.); diese Formel jedoch sei bis einschließlich 363 in der theologischen Debatte nicht nachweisbar (20; gegen die konventionellen Zuordnungen Tomus ad Antiochenos bzw. Marius Victorinus 18-20).

In diesen theologiegeschichtlichen Horizont zeichnet D. nun in eingehenden Analysen die trinitätstheologisch relevanten Texte des Basilius von Cäsarea ein. Um 362/363 ist Basilius in seinem Briefwechsel mit Apollinaris noch als "Rechtshomöusianer" anzusprechen (41). Die Dreiheit bezeichnet er hier jedenfalls (noch) nicht mit hypostasis. Auch das im Vorfeld der Synode von Lampsakus entstandene Werk Adversus Eunomium I-II (AE I-II) zeigt Basilius noch als eindeutigen Vertreter der einen (unerkennbaren) ousia Gottes, während das Nebeneinander von Vater, Sohn und Geist als Nebeneinander dreier Hypostasen keine Rolle spielt (101), vielmehr wird hier die Differenz in der Trinität ganz in eusebianischer und athanasianischer Tradition als "Abbild", als Prädikation des Vaters als "Ursprung" und schließlich als Einheit und Differenz im Sinne des Lichtbegriffes (103 ff.) ausgesagt. In dem (literarkritisch von I-II zu unterscheidenden, gleichwohl sicher echten) AE III zeichnet sich hierbei (antipneumatomachisch motiviert) v. a. eine Zunahme der Bedeutung der Pneumatologie im Denken des Basilius ab.

Erst Anfang der siebziger Jahre unternimmt Basilius dann einen kirchenpolitisch motivierten Versuch einer Einigung zwischen Rechtshomöusianern und Linkshomöusianern, der dann letztlich bei seinem Bruch mit Eustathius von Sebaste scheitert. In den Zusammenhang dieses Einigungsversuches gehört der Text De Spiritu Sancto (DSS), in welchem D. die entscheidende Wendung in den trinitätstheologischen Optionen des Basilius erblickt. Hier tritt (auch mit Rücksicht auf linkshomöusianische Diskussionsgegner) die bisherige Betonung der gemeinsamen ousia von Vater, Sohn und Heiligem Geist zurück, während Basilius zum Zwecke der Differenzierung der Drei den Begriff hypostasis nun gezielt in die Trinitätslehre einführt (337). Ab dem Jahre 373 sei dann die vollständige neonizänische Formel mia ousia ­ treis hypostaseis als Interpretationsmuster des Nizänums bei Basilius deutlich nachweisbar, insbesondere in seinen epp. 125 und 52 sowie in den DSS ergänzenden Texten ep. 231 ff.

Eine besondere Rolle spielt hierbei auch ep. 38, deren Verfasserschaft in der Patristik lange umstritten war, und die D. nun mit gründlichen lexikographischen und stilistischen Analysen als wahrscheinlich basilianisch erweist, möglicherweise um 375 verfaßt und die neue, reife Trinitätstheologie des Basilius prägnant profilierend. D. faßt die grundlegende These seines Buches dahingehend zusammen, daß sich der Neonizänismus langsam und Schritt für Schritt aus dem rechtshomöusianischen Lager entwickelt habe (340).

Das Buch ist sorgfältig gearbeitet. Die Arbeit bietet eine Fülle von Analysen zu Stil und Sprache, Argumentation (61, 131), Vorgehensweise (50, 61) und Theologie (167 ff., 310 ff.) des großen Kappadokiers. Die Einleitungen in die behandelten Texte sind durchweg gründlich. Die Thesen des Buches sind klar aus der Analyse der Texte entwickelt. Einige Passagen des Buches bieten hochinteressante neue Aspekte, ich verweise nur auf den Passus über die Athanasiusrezeption des Basilius (118f.). Auf Grund der umsichtigen Bearbeitung des Materials handelt es sich ohne Zweifel um eine wichtige neue Monographie zu Basilius wie auch zur Trinitätslehre des vierten Jahrhunderts. Als solche muß die Arbeit sehr begrüßt werden.

Zwei Anfragen etwas grundsätzlicherer Art sind mir bei der Lektüre geblieben: Zunächst scheint es nicht unproblematisch, das Vorliegen von "Neonizänismus" so ausschließlich an der Verwendung einer "Formel" oder "Kernformel" (mia ousia ­ treis hypostaseis) festzumachen, wie das bei D. (17, 19 u. ö.) geschieht. Damit verstellt sich der Vf. nämlich ein wenig den Blick für diejenigen Dissoziationen (und Dissoziationsversuche) zwischen ousia und hypostasis, die inhaltlich eine Aussage zur Einheit und der Dreiheit mit Hilfe der ousia- bzw. hypostasis-Begrifflichkeit unternehmen, ohne dabei die ausgeprägte "Kernformel" zu benutzen: Der Tomus ad Antiochenos etwa, bei dem (§ 5) ein ebensolcher Versuch vorliegt (von D. 18 f. A. 61 allerdings als "Zugeständnis" marginalisiert), wäre insofern durchaus als neunizänisch zu bezeichnen, obgleich er D.s entscheidendem Maßstab nicht gerecht wird: Immerhin ist hier der Vater als onta kai hyphestota dem Sohn als enousion onta kai hyphestota gleichgestellt und doch zugleich von ihm abgehoben (PG 26, 801). Insgesamt wäre zu fragen, ob wir nicht ein allzu enges (und damit unzulässig vereinfachendes) Bild von "Neunizänismus" erhalten, wenn das unzweideutige Vorliegen einer "Kernformel" in dem Maße zum alles entscheidenden Kriterium gemacht wird, wie dies bei D. geschieht. Welche Theologen, so wird man fragen müssen, würden dann eigentlich schon im Osten überhaupt noch als Neunizäner durchgehen können, und wie stark würde sich der Bestand an Neunizänern weiter reduzieren,wenn man gar an die Situation im Westen denkt, wo es ja bekanntlich mit der Wiedergabe der griechischen Terminologie einige Probleme gab?

Mein zweiter Einwand hängt mit dem ersten teilweise zusammen: D. stellt meines Erachtens Basilius’ Entwicklung vom Homöusianer zum Neonizäner insgesamt zu sehr als Bruch dar, indem er die verschiedenen Phasen des Werkes (die sich in der Tat ausmachen lassen!) einander allzu schroff entgegensetzt. Dies führt einerseits zu einer gewissen Marginalisierung der tendenziell eben doch schon neunizänischen Optionen in den früheren Phasen bei Basilius, andererseits aber auch zu einer Überbetonung des angeblich auf jene Kernformel zugespitzten Neunizänismus beim späteren Basilius. Man muß demgegenüber aber sehen, daß z. B. die Verwendung des Begriffes hypostasis für die individuelle Existenz von Vater, Sohn und Geist, also im Sinne einer trinitätstheologischen Differenzierung, in AE I-II durchaus schon nachweisbar ist (AE I 15 / wenn auch die komplette "Kernformel" hier fehlt), und daß andererseits eine terminologisch festgelegte "Formel" mia ousia ­ treis hypostaseis auch in DSS keineswegs im Vordergrund steht; überhaupt fehlt ja jede wirklich signifikante Selbstfestlegung auf gerade diese Formel im Werk des Basilius: Die beiden Briefe ep. 125 und ep. 52, an denen D. die von ihm postulierte Entwicklung in der Trinitätsterminologie hin zur neonizänischen Formel abschließend festmachen will (270-281), indem er sie nach DSS behandelt, gehören historisch vor DSS (vgl. D.s eigene Datierungen 263 bzw. 270). Schon von daher wäre die angesichts des Vorliegens jener "Kernformel" vermeintlich zu diagnostizierende "ontologische Fixierung" (270) in diesen Briefen keinesfalls als Abschluß einer Entwicklung anzusehen.

Trotz der geäußerten Anfragen wird man zu dem Gesamturteil kommen müssen, daß D.s Untersuchung alle Texte zur Trinitätstheologie des Basilius gründlich aufarbeitet und dabei eine Fülle wichtiger Detailuntersuchungen und Einzelbobachtungen bietet: Daß im Rahmen einer solchen Arbeit eine (wissenschaftlich gewiß wünschenswerte) Vergleichung mit Gregor von Nyssa und Gregor von Nazianz nicht mehr möglich war und auch die Wirkungsgeschichte der Trinitätslehre des Basilius ganz ausgeklammert werden mußte (XIV), ist völlig akzeptabel; D.s Arbeit gibt aber solchen möglichen Untersuchungen eine Fülle von Anregungen und auch eine solide Grundlage an die Hand. Sein Buch wird bei der weiteren Beschäftigung mit dem Werk des Basilius von Cäsarea und mit der Entwicklung des trinitarischen Dogmas im vierten Jahrhundert stets zu Rate zu ziehen sein. Daß es bei aller Kompliziertheit der Materie gut geschrieben und daher angenehm zu lesen ist, sei eigens vermerkt.