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Ausgabe:

April/1999

Spalte:

423–425

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Molanus

Titel/Untertitel:

Traité des saintes images. (Louvain 1570, Ingolstadt 1594). Introduction, traduction, notes et index par F. Boespflug, O. Christin, B. Tassel. Tome I: Traduction avec introduction, annotations et index. Tome II: Texte latin, documentation iconographique.

Verlag:

Paris: Cerf 1996. 8 = Patrimoines christianisme. Tome I: 670 S. m. 11 Abb.; Tome II: 512 S. m. 84 Abb.

Rezensent:

Hans Georg Thümmel

Zum Abschluß des Konzils von Trient ist 1563 auch noch die Bilderfrage behandelt worden, auf Drängen der französischen Delegation, in deren Heimat inzwischen der calvinistische Bildersturm zum großen Problem geworden war. Die Aussagen des Konzils waren freilich knapp und allgemein gehalten. Diese Lücke hat Jan Vermeulen (Molanus) mit seinem Werk zu füllen versucht, das zuerst 1570, dann in erw. Auflage (posthum) 1594 erschien. Es ist das Verdienst der Herausgeber, dieses für die Geschichte der christlichen Bildkunst wichtige Werk erneut herausgegeben zu haben. Die Ausgabe besteht aus einer Einführung, einer Übersetzung (der Auflage von 1594) ins Französische und einem fotomechanischen Nachdruck, dem seinerseits ein Nachdruck von 1617 zugrundeliegt. Beigegeben sind reiche Indices und bildliche Illustrationen.

Die sachliche Ordnung des gelehrten enzyklopädischen Dossiers ist nicht sehr streng, es gibt auch Wiederholungen. Während das 1. Buch (erwachsen aus einer Oratio contra Iconomachos 1568) den Byzantinischen Bilderstreit referiert und demgegenüber feststellt, daß Rom in seiner Bilderlehre immer orthodox gewesen sei, führt Buch 2, c.3-16 Themen vor (Trinität, Maria, Engel, Propheten, Apostel, Heilige), c. 17-71 diskutieren, unter vielfachem Bezug auf einzelne Themen, Prinzipien der Bildkunst. Buch 3 macht Anmerkungen zu ausgewählten Festen und Heiligen, Buch 4 versucht dies noch einmal für die beweglichen Feste und die Communia sanctorum durchzuführen.

Ausgangspunkt ist der feste Glaube, die Kirche habe nie geirrt, auch nicht in der Bilderfrage. Darum gibt es eigentlich kaum Falsches und Verwerfliches auf den Bildern (bes. II 25). Dennoch ist es Ziel des Werkes, für die "Unterweisung der Ungebildeten" durch Bilder (Gregor I.) den Geistlichen Regeln an die Hand zu geben. Die Bischöfe sollen die Bildwerke beurteilen, aber eigentlich soll doch Rom das letzte Wort haben. Die richtige und die falsche Darstellung legt M. anhand von Bildbeispielen vor, die oft seiner belgischen Heimat entnommen sind, und füllt dies alles mit einem riesigen gelehrten Apparat auf.

Zur Bestätigung dienen M. weniger theologische Reflexionen als Traditionsbeweise. Vieles scheint nicht erst uns abwegig, manches spiegelt ein zu großes Vertrauen in die Tradition. So wird ein riesiger wissenschaftlicher Apparat aufgeboten, um zu klären, ob bei der Enthauptung des Paulus Blut oder Milch geflossen sei (III 23), oder um zu beweisen, daß Christophorus eine historische Gestalt gewesen sei (III 27), desgleichen Sapientia und ihre Töchter, Fides, Spes und Caritas, die als wirkliche Heilige und nicht als personifizierte Tugenden zu gelten hätten (II 61). Dionysius Areopagita sei erster Bischof von Paris gewesen und wirklich nach der Enthauptung zwei Meilen mit dem Kopf in der Hand nach Norden (bis St. Denis) gegangen (III 44). Joseph solle nicht als Trottel dargestellt werden, der kaum bis fünf zählen kann (qui vix quinque numerare possit, III 12). Was als praktische Anweisung an die Maler übrigbleibt, ist kaum mehr, als daß sie nicht sonntags malen sollen (II 71).

Bereits frühere Autoren haben festgestellt, daß der Einfluß des Werkes auf die Entwicklung der christlichen Kunst sehr gering war. Immerhin gibt es einige Bezugnahmen darauf, auch von Regionalsynoden, doch wird es dann als Richtschnur empfohlen und dient eher allgemeiner bilderfreundlicher Propaganda (46-48). Nichtsdestoweniger ist hier eine Fülle von Themen christlicher Bildkunst ausführlich diskutiert worden und wichtige Informationen werden mitgeteilt. Das Werk ist eine kultur- und frömmigkeitsgeschichtliche Fundgrube.

Die ausführliche Einleitung schildert detailliert die Auseinandersetzungen um die christliche Kunst in der Zeit des sich ausbreitenden Calvinismus. Der Einschätzung des Werkes ist sehr wohlwollend ausgefallen. Die Bilderlehre des M. wird zusammenfassend dargelegt (49-63).

Wenn M. sich gegen laszive Darstellungen in der Kirche wendet (II 37.42), dann ist dem zuzustimmen. Wenn er meint, alles müßte letztlich in Rom entschieden werden (II 24), dann ist das zu respektieren. Doch muß die Frage erlaubt sein, wie solche Anfrage in Rom angekommen wäre. Damals wurde im Chor der Peterskirche das Grabmal Pauls III. als erstes Papstgrabmal im Neubau errichtet. Auf dem Sockel befanden sich eine nackte jugendliche Frauengestalt (Justitia), für die die Schwester des Papstes (Julia Farnese) das Modell abgegeben hatte, und eine halbnackte ältere (Prudentia), die die Mutter (Giovanella Caetani) zeigte (erstere ist 1595 mit einer Blechtunica bekleidet worden). Ob man in Rom nicht über die treuherzige Einfalt im Norden gelächelt hätte? Ob es nicht doch demgegenüber eher eine Verwandtschaft von Calvinisten und Katholiken im Norden im Ernstnehmen des Evangeliums gegeben hat?