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Ausgabe:

März/1998

Spalte:

318 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Juhl, Diana

Titel/Untertitel:

Die Askese im Liber Graduum und bei Afrahat. Eine vergleichende Studie zur frühsyrischen Frömmigkeit.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz 1996. 179 S. gr.8° = Orientalia Biblica et Christiana, 9. Lw. DM 128,­. ISBN 3-447-03842-X.

Rezensent:

Martin Tamcke

Afrahat und ­ in geringerem Umfang ­ das Liber Graduum beschäftigen mit ihren Vorstellungen zur Askese die Fachwissenschaftler seit längerer Zeit. Nun legt Diana Juhl dazu eine vergleichende Studie vor. Die Vfn. hat in Halle bei Peter Nagel sich seit 1985/86 der Erforschung des Christlichen Orients gewidmet und als "wissenschaftliche Aspirantin" Gelegenheit gehabt, sich mit den Quellen zu ihrer hiermit vorliegenden Dissertationsschrift zu beschäftigen, die sie nach der Umstrukturierung an der Universität Halle 1994 in Marburg abschließen konnte.

Die Zielsetzung des Vergleichs ist für die Vfn., "nicht nur die Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer asketischen Praxis" herauszuarbeiten. Sie will vielmehr die Gedanken beider Quellen "im eigenen Zusammenhang" entfalten (20).

Nach einer thematischen Hinführung im Vorwort (15-21), in dem zuweilen etwas undifferenziert mit einem Begriff wie "Ostkirche" umgegangen oder die Selbstverständlichkeit des Schrifttumsstudiums zur Kenntnis der inneren Geschichte der frühen Christenheit ausdrücklich gleich konstatiert wird (15), stellt die Einleitung die beiden Quellen vor (23-37) und gibt einen Überblick über den Forschungsstand (leider fehlt etwa die Arbeit von Bruns zur Christologie des Afrahat, während seine Edition benutzt wurde, ein Hinweis wenigstens auf die umfangreiche Literatur zu Bundestöchtern und Bundessöhnen wäre ebenfalls durchaus angebracht gewesen).

In drei Abschnitten wird sodann der Vergleich durchgeführt: Im ersten Abschnitt ("Die Interpretation von Gen 1-3 als Ausgangspunkt der theologischen Anthropologie", 38-70) reiht die Autorin die einschlägigen Stellen im Liber Graduum auf unter den Stichworten "Der vollkommen geschaffene Mensch und sein Fall" und "Das Verständnis vom Sündenfall und seinen Folgen", dem sich eine Zusammenstellung der entsprechenden Stellen im Werk Afrahats unter den Stichworten "Der geschaffene und der gefallene Mensch" und "Der erste Sündenfall und seine Folgen" anschließt. Während Adam bei Afrahat den "Typus des sündigen Menschen" verkörpere (56), ist ihm im Liber Graduum als Geschöpf Gottes Vollkommenheit gegeben unter Einbeziehung asketischer Motive und des Bildnisses Jesu (38).

"Die Christologie, Ausgangspunkt für das Verständnis vom Heilsweg", ist der folgende Abschnitt (71-98) überschrieben, der hinsichtlich des Liber Graduum unter "Das Werk Christi", "Die Nachfolge Christi" und "Die soteriologische Bedeutung Jesu" die relevanten Stellen erfaßt, hinsichtlich Afrahats unter "Das soteriologische Werk Christi" und "Die Nachfolge Christi" (es schließt ein Exkurs zum Verständnis der ersten und zweiten Geburt sowie vom ersten und zweiten Tod an).

Der letzte Abschnitt (99-159) ist dann der asketischen Praxis gewidmet ("Die himmlische Gemeinde der Vollkommenen im Liber Graduum" und "Die Ambivalenz von Weltflucht der Asketen und ihrer Zugehörigkeit zur Gemeinde der weltlichen Christen bei Afrahat").

In einer Zusammenfassung (160-165) bietet die Vfn. noch einmal knapp und pointierter den vorangehend aufgeführten Stoff. Die Asketen Afrahats sähen "sich als eine Elite innerhalb der Gemeinde der weltlichen Christen", während die des Liber Graduum "sich als eine Elite über die weltliche, die sichtbare Kirche hinausgehoben" hätten (164). In beiden Quellen fände sich "die Askese zur Verinnerlichung" (165). Ob es wirklich ein Ergebnis des Vergleichs war, daß das syrische Asketentum auf Dauer nur bewahrt werden konnte, wenn es sich der kirchlichen Hierarchie unterordnete und darin "seinen ekklesiologischen Platz finden konnte", darf hinterfragt werden.

Ob die Ablehnung der Einbeziehung von Umwelteinflüssen und der konkreten historischen Bedingungen "der vergleichenden Analyse beider Schriften" wirklich "nicht dienlich" wäre (20)? Ist es ein hinlänglicher Grund ­ möchte man fragen ­, daß solch eine Einbeziehung es "erschweren" würde, der Aufgabe der vergleichenden Analyse" gerecht zu werden"? Wenn "in beiden Schriften bereits ältere Motive der Askese sichtbar werden", warum werden sie dann nicht konkret benannt und auf einschlägige Literatur dazu verwiesen? Warum wird die Diskussion mit der wissenschaftlichen Literatur fast gar nicht geführt? Während im Abkürzungsverzeichnis selbst "S." für Seite und "AT" für Altes Testament zu finden sind, fehlen etwa Hinweise auf die früheren deutschen Übersetzungen von Bickell (Afrahat) und Braun (Märtyrerakten). Doch: Auf der Grundlage des hier erhobenen Materials wird sich weiter arbeiten lassen!