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Ausgabe:

März/1998

Spalte:

315 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Gahbauer, Ferdinand R.

Titel/Untertitel:

Der orthodox-katholische Dialog. Spannende Bewegung der Ökumene und ökumenische Spannungen zwischen den Schwesterkirchen von den Anfängen bis heute.

Verlag:

Paderborn: Bonifatius 1997. 196 S. gr.8° = Konfessionskundliche Schriften des Johann-Adam-Möhler-Instituts, 21. Kart. DM 48,­. ISBN 3-87088-948-9.

Rezensent:

Peter Hauptmann

Es erhöht den Wert des vorliegenden Buches, daß sein Vf. den "katholischen" Partner dieses Dialogs nicht allein im Sinne der heutigen Konfessionsbezeichnung, sondern auch der gesamten abendländischen Tradition bis zur Reformation behandelt. Dadurch lenkt er den Blick bis zu den allerersten Anfängen eines langen Entfremdungsprozesses zurück.

Von den vier Hauptteilen seines Werkes stellt der erste "Die Herrschaftsteilung des Imperium Romanum als Ursache für die Entfremdung zwischen beiden Kirchen" (13-16) überzeugend heraus. Ihm kommt ungeachtet seiner Kürze besonderes Gewicht zu. In den beiden folgenden Hauptteilen wird die Entwicklung der Beziehungen von der Mitte des 4. bis zur Mitte des 20. Jh.s unter Rückgriff bis zum Streit um den Ostertermin in nachapostolischer Zeit in äußerst gedrängter, aber durchaus zuverlässiger und durch Anmerkungen belegter Darstellung einprägsam vorgeführt: "II. Die kirchlichen Beziehungen zwischen Ost und West von der nachkonstantinischen Zeit bis zum Jahre 1054" (17-66) und "III. Das wechselseitige Verhältnis der Schwesterkirchen zwischen 1054 und dem Zweiten Vatikanischen Konzil" (67-127). Dabei scheint der Einschnitt zwischen den in 13 bzw. 10 Unterabteilungen übersichtlich aufgegliederten Hauptteilen eher um der besseren Überschaubarkeit willen vorgenommen worden zu sein als zur Herausstellung der Ereignisse des Jahres 1054, vor deren oft anzutreffender Überschätzung und Fehlinterpretierung der Vf. wiederholt mit Recht warnt. Anders verhält es sich mit der Abgrenzung zum letzten Hauptteil: "IV. Der orthodox-katholische Dialog seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil" (140-185); denn die Begegnung von Papst Paul VI. mit Patriarch Athenagoras von 1964 bezeichnet weit eher einen Wendepunkt in den gegenseitigen Beziehungen als die Bannflüche von 1054. Die Auswirkungen des Übergangs vom "Dialog der Liebe (ab 1964)" (140-146) zum "Dialog der Wahrheit (ab 1980)" (146-166) wiederum sind vorerst noch nicht abzusehen.

Obwohl sich der Vf. einerseits bemüht zeigt, alle Gegensätzlichkeiten zwischen Katholizismus und Orthodoxie unabgeschwächt bewußt zu machen, wirbt er doch andererseits sämtlichen Schwierigkeiten zum Trotz für die Fortsetzung und Vertiefung des begonnenen Dialogs. Der von ihm als Modell der Kirchenleitung von den Anfängen bis zur Gegenwart angepriesenen Pentarchietheorie, der er 1993 bereits eine Monographie gewidmet hat, dürfte dabei freilich kaum eine Schlüsselrolle zufallen. Denn selbst bei wohlwollendster Schätzung liegt die Gesamtseelenzahl der vier Alten Patriarchate des Ostens doch kaum höher als die eines einzigen der größeren Bistümer der römisch-katholischen Weltkirche und bleibt weit hinter der aller mit Rom unierten Ostkirchen zurück.

Daß hinter der orthodox-katholischen Annäherung seit 1964 neben geistlichen Beweggründen auch kirchenpolitische Berechnungen stehen, sollte nicht übersehen werden: Athenagoras mußte bestrebt sein, den vom Zypernkonflikt verursachten Bedeutungsverlust seines Patriarchats durch zusätzliche Unternehmungen auszugleichen, und die Päpste konnten über die orthodox-protestantische Zusammenarbeit im Weltkirchenrat zumal nach dem Beitritt des Moskauer Patriarchats von 1961 nicht länger untätig hinwegsehen. Die völlige Ausblendung der protestantisch-orthodoxen Dialoge führt eben, auch wenn sie nicht Bestandteil der Darstellung sein können, zur Verengung des Blickfelds.

Dem Protestantismus steht der Vf. überhaupt etwas ratlos gegenüber. So läßt er, verwirrt durch die Abkürzungen VELKD und EKD, eine "vereinigte evangelische Kirche Deutschlands" Patriarch Aleksij II. einladen (175), bezeichnet er die Reformierten bzw. Calvinisten wiederholt als "Kalviner", obwohl dieser Ausdruck selbst im LThK nicht einmal als Verweisstichwort auftaucht, und unterstellt den Evangelischen, unter ihnen Festen nähme der Karfreitag den höchsten Rang (!) ein (132).

Der zwischen den 3. und 4. Hauptteil eingeschobene Exkurs über "Die unterschiedlichen Ansätze in der Spiritualität in Ost und West" (128-139) enthält allzu viele Vereinfachungen und Verkürzungen, als daß er befriedigen könnte, und bleibt damit weit hinter dem hohen Niveau der übrigen Teile dieses durchaus empfehlenswerten Buches zurück.