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Ausgabe:

März/1998

Spalte:

288 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Claret, Bernd J.

Titel/Untertitel:

Geheimnis des Bösen. Zur Diskussion um den Teufel.

Verlag:

Innsbruck-Wien: Tyrolia 1997. 437 S. 8° = Innsbrucker theologische Studien, 49. Kart. DM 77,­. ISBN 3-7022-2074-7.

Rezensent:

Hans Schwarz

Die vorliegende Untersuchung machte sich zur Aufgabe, das Geheimnis des Bösen im Zusammenhang mit der Frage nach Gott und dem Menschen zu bedenken. Dabei geht der Vf. von der Voraussetzung aus, daß die Frage nach dem Teufel eng mit dem Geheimnis des Bösen verknüpft ist. In kritischer Auseinandersetzung mit der von Herbert Haag vertretenen Position überprüft der Vf., ob die Theologie darauf verzichten kann, über die Frage nach dem Teufel nachzudenken. Während sich die gegenwärtige Theologie weitgehend von der Frage nach dem Ursprung des Bösen abgewendet hat und sich statt dessen mit der Praxis der Bewältigung des Bösen beschäftigt, möchte der Vf. die Frage nach dem Ursprung des Bösen nicht einfach beiseite legen.

Wie der Autor im ersten Kapitel (Lebensweltlicher Erfahrungshorizont heute) aufzeigt, hat eine weitgehende Entzauberung der Welt stattgefunden, so daß eine ungebrochene Rede vom Teufel nicht mehr möglich ist. Doch stellt er gleichzeitig fest, daß inzwischen wieder sehr viele Menschen, "die sich für aufgeklärt halten, an übermenschliche Wesen, Geister, Engel, Dämonen" glauben (34). So haben der Prozeß der Aufklärung und der Aufbau einer zunehmend technischen Welt, verbunden mit dem Versagen der Kirche, Hohlräume entstehen lassen, die massiv danach verlangen, gefüllt zu werden. Der Vf. sieht auch die vermehrte Beschäftigung mit dem Okkulten als ein "Streben nach Bewußtseinserweiterung und neuen Erfahrungen im Umgang mit dem Transzendenten inmitten einer als eng und erfahrungsarm empfundenen Welt" (48). Doch weist er darauf hin, daß der moderne Geisterglaube nichts mit dem neutestamentlichen Geisterglauben zu tun hat. Auch im modernen Satanismus geht es nicht um ein Wiederentdecken des Satanischen, sondern "um einen Protest gegen das offizielle Christentum und gegen eine vom Christentum geprägte Kultur" (57). Der Vf. will mit Hinweisen auf den Okkultismus, das Irrationale und den Satanismus der Moderne nicht zum rechten Nachdenken über das Geheimnis des Bösen anleiten, sondern aufzeigen, daß der christliche "Teufelsglaube" diese bedenklichen Gegenwartsphänomene nicht mitverursacht hat, wie "in den siebziger und achtziger Jahren immer wieder zu hören war" (48).

In den nächsten beiden Kapiteln geht der Autor ausführlich auf die Diskussion um den Teufel im katholischen deutschen Sprachraum (1966-1980) ein, wobei ihm zufolge diese durch den französischen Theologen Christian Duquoc mit seinem Aufsatz «Symbole ou réalité» angestoßen wurde. Sehr ausführlich setzt sich der Vf. mit Herbert Haags Plädoyer "Abschied vom Teufel" auseinander. Haag versuchte aufzuweisen, "daß die kirchlich-traditionelle Lehre vom Teufel nicht nur anachronistisch ist, sondern im Grunde genommen eine Verirrung der Kirche und der Theologie darstellt" (84). Während der Vf. herausstellt, daß der biblische Befund, den Haag anführt, im Wesentlichen nichts Neues bietet, kritisiert er die daraus gezogenen Schlußfolgerungen, denn man kann die biblische Vorstellung vom Teufel nicht einfach als "erledigt" betrachten, "nur weil sie für den heutigen Menschen kaum mehr nachvollziehbar scheint" (141). Somit befaßt sich der Autor auch ausführlich mit der Kritik an Haags Thesen, angefangen von einer Ansprache Papst Paul VI. bis zu Kardinal Ratzingers Reaktionen. Obwohl der Vf. Haag bescheinigt, daß er "eine dringend notwendige Kritik an der überkommenen Lehre vom Teufel und an der gängigen Auffassung über den Teufel vorgetragen" hat (184), kritisiert er an ihm, daß er bei der Beantwortung der Frage nach dem Ursprung des Bösen die Sünde und das Böse ihres absurden und gottwidrigen Charakters entkleidet und so zu einer "Flucht in eine falsche Harmlosigkeit" kommt (194). Wenn Haag eine Verwurzelung der Sünde in der Natur des Menschen feststellt, so wird Gott letztendlich für die Sünde und das Böse verantwortlich gemacht.

Nach der Auseinandersetzung mit der weiterführenden Fragestellung nach dem Bösen bei Walter Kasper und Karl Lehmann geht der Vf. ausführlich auf Paul Ricoeur und dessen Symbolik des Bösen ein, der dafür plädiert, den Mythos als Mythos anzuerkennen, so daß der Symbolgehalt des Mythos wiedergewonnen werden kann. Entscheidend ist für den Vf. dabei Ricoeurs Aussage: "Das Symbol gibt zu denken" (265). Wichtig ist auch der Hinweis Ricoeurs, daß es dem Adams-Mythos nicht gelingt, den Ursprung des Bösen allein in der Figur eines Urmenschen zu konzentrieren, sondern noch eine äußere Figur bewahrt und zugleich einführt (285 ff.). Es ergibt sich nach dem Vf. das Fazit: "Der Teufel symbolisiert eine ’Außenheit’ des Bösen, ein ’Voraus’ des Bösen, nämlich das Böse, dem der Mensch nachgibt, wenn er sündigt" (304).

Nach diesen umfassenden und sorgfältigen Vorarbeiten versucht Claret, einen eigenen Beitrag zur Diskussion um den Teufel auszuarbeiten. Er gibt zu bedenken, "wer nicht vom Teufel sprechen will, muß mit der Frage ringen, ob Gott vielleicht nicht doch grausam und böse sei" (311). Doch auch mit der Einführung des Teufels bleibt das Böse "ein quälendes Geheimnis" (319). Ausführlich beschäftigt er sich mit der Personhaftigkeit des Teufels, da diese expressis verbis durch den römisch-katholischen Weltkatechismus wieder aufgenommen wurde. Doch weist er darauf hin, daß die Frage nach der Existenz eines Teufels "im Sinne eines übermenschlichen, mit Freiheit und Vernunft begabten Geistgeschöpfs" nicht nur naturwissenschaftlich, "sondern auch mit theologischen Mitteln nicht entscheidbar" sein dürfte (400). Er betont, sowohl die Auskunft, der Teufel existiere als ein übermenschliches Geistgeschöpf wie auch die Auskunft, er existiere nicht als ein solches, erregten den Verdacht, interessegeleitete dogmatische Setzungen zu sein. Damit darf aber nicht die Frage nach dem Teufel von vornherein der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Da der Teufel jedoch kein Thema für sich darstellt, sondern nur am Rande erscheint, wenn über das Phänomen des Bösen gesprochen wird, ist eine isolierte Rede vom Teufel unmöglich. Sie ist immer eine Rede vom Phänomen des Bösen, wobei versucht wird, bestimmte Aspekte und Dimensionen dieses Phänomens besonders zur Sprache zu bringen. Die christliche Rede vom Phänomen des Bösen ist dabei immer im Horizont der befreienden Erlösung durch Gott in Jesus Christus zu sehen. Sie ist "immer Heilsverkündigung" (405), da sie sich als "eine Auslegung der christlichen Botschaft von der Befreiung des Menschen durch Christus versteht" (406). Die Rede von einer (außermenschlichen) diabolisch-dämonischen Wirklichkeit bildet somit den Hintergrund für die Heilsverkündigung, für die Botschaft von der Befreiung des Menschen und der ganzen Welt.

Die Untersuchung von Bernd Claret ist nicht nur deswegen verdienstvoll, weil sie die Diskussion um den Teufel im deutschen katholischen Sprachraum der jüngsten Vergangenheit gut leserlich und sorgfältig darstellt und wertend präsentiert, sondern weil sie abschließend zeigt, daß das Randphänomen der Satanologie notwendig ist, um die christliche Heilsverkündigung biblisch und systematisch überzeugend darzustellen. Zu wünschen wäre allerdings gewesen, daß die Bezeichnungen "Teufel" und "Satan" auch auf ihre gegenwärtige Brauchbarkeit untersucht worden wären, wie es der Vf. für den Bereich der Satanologie selbst überzeugend getan hat. Hier wäre etwa an den Begriff "widergöttliche Mächte" zu denken, wie ihn etwa Karl Heim verwendete.