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Ausgabe:

März/2007

Spalte:

379-380

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Lombaerts, H., and D. Pollefeyt [Eds.]:

Titel/Untertitel:

Hermeneutics and Religious Education.

Verlag:

Leuven: University Press; Leuven-Paris-Dudley: Peeters 2004. XIV, 427 S. m. Abb. gr.8° = Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium, 180. Kart. EUR 70,00. ISBN 90-5867-433-9 (University Press); 90-429-1558-7 (Peeters).

Rezensent:

Astrid Dinter

Der von H. Lombaerts und D. Pollefeyt herausgegebene Band fokussiert auf Hermeneutik als Basisdisziplin, die die Grundlage menschlicher Kommunikationskultur in Form von Texten erschließt. Da bei ist Hermeneutik immer an einen bestimmten historischen oder kulturellen Kontext gebunden. Diese kulturelle Grundlage der Hermeneutik ist durch philosophische Entwicklungen wie die Exis tentialphilosophie und postmoderne Strömungen ­ H. Lombaerts und D. Pollefeyts Bewertung folgend ­ in Vergessenheit geraten.

Ausgehend von dieser grundlegenden Analyse stellen H. Lombaerts und D. Pollefeyt die Frage, welche Relevanz die Hermeneutik für die Religionspädagogik besitzt. Ein zentraler Aspekt dabei ist die Weitergabe religiöser Tradition. Ausgehend von dieser Grundfragestellung wurde an der theologischen Fakultät der katholischen Universität Leuven ein hermeneutisch-kommunikatives Modell religiöser Erziehung entwickelt. Im Januar 2003 fand ein zu diesem Projekt assoziiertes Symposium statt, aus dem der Band »Hermeneutics and Religious Education« hervorgegangen ist. Dabei gliedert sich der Band in die Einzelabschnitte »Hermeneutics in Recent Religious Educational Theories«, »Biblical and Theological Perspectives« und »Practical and Empirical Groundwork«.

Im Einleitungskapitel »The Emergence of Hermeneutics in Religious Education Theories: An Overview« suchen H. Lombaerts und D. Pollefeyt die 18 Beiträge des Bandes gedanklich zu verbinden, indem sie thematische Achsen aufzeigen. Hermeneutik reagiert auf die Historizität von Religion, in deren festen Formen sich der charismatisch-prophetische Ursprung traditioneller Religion abbildet. Diese Historizität von Religion bildet den Ursprung jeglicher Hermeneutik. Allerdings ist eine derartige Historizität immer eng mit der Notwendigkeit verbunden, authentische und aktuelle Formen christlichen Glaubens eingebettet in den jeweiligen Kontext zu entwickeln. Dabei besteht immer eine Spannung zwischen den tradierten Überlieferungen und der jeweils aktuellen individuellen Aneignung von Religion in einer pluralen Gesellschaft. Zugleich wird ein Rückgang spezifisch christlicher Praxis erkennbar, wie sie Säkularisierungstendenzen prägen. So ist mit derartigen individuell-religiösen Abbruchprozessen auch das Verschwinden von Religion im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang verbunden.

Mit der Diagnose der Säkularisierung ist ein Problem angezeigt, das gerade für religionspädagogisches Handeln zentral wird. So bildet die Hermeneutik nach H. Lombaerts und D. Pollefeyt den Grund religionspädagogischer Arbeit ­ die tradierte dogmatische Grund lage ­ entsprechend ab, wobei jeweils eine zeitgemäße und indi viduelle Aneignung von Tradition in Relation zur Erfahrung der Gegenwart zu erfolgen hat. In dem Sinne sucht religionspädagogisches Handeln immer einerseits traditionelle Bezüge im Blick zu behalten und versteht sich andererseits als hermeneutischen Prozess. Damit ist eine Öffnung des Begriffs der Hermeneutik zu verzeichnen, die diesen nicht allein auf textuelle Bezüge wie die Bibel festlegt, sondern vielmehr auch kreative Prozesse der Rückkehr von Religion gedanklich umfasst. Zugleich sind jedoch auch komplexe Dimensionen religionspädagogischer Prozesse wie z. B. Körperlichkeit, Ästhetik und Symbolverstehen zu berücksichtigen und ein zu verengtes textuelles und allein auf Tradition bezogenes Verständnis von Hermeneutik ist im Sinne eines multidimensionalen Zugangs aufzusprengen: Dies gilt insbesondere auch für interreligiöse Lernprozesse. Damit ist grundsätzlich die Frage nach dem Charakter von Religion an sich und ihren Bezügen zu Erziehung aufgeworfen.

Die umfangreiche programmatische Analyse von H. Lombaerts und D. Pollefeyt im Rahmen dieses Bandes bietet einen umfassenden Überblick über die allgemeine Relevanz wie auch die Chancen und Grenzen des hermeneutischen Paradigmas innerhalb der Religionspädagogik. Dabei bezieht sie die zentralen Erkenntnisse der 18Beiträge des Bandes »Hermeneutics and Religious Education« mit ein. Der Überblick über die Relevanz des hermeneutischen Pa radigmas hätte allerdings an einzelnen Stellen noch systematisch stratifizierter ausfallen können. ­ Im Abschnitt »Hermeneutics and Recent Religious Educational Theories« finden sich u. a. Beiträge von N. Mette, F. Schweitzer, C. Hermans und W. Meijer.

N. Mette fokussiert in seinem Beitrag »Emergence of Hermeneutics in Catholic Religious Pedagogue and the Consequences of this Development« auf den Ansatz der Fundamentalkatechetik, wie er insbesondere von H. Halbfas vertreten wurde. Dieser Ansatz verdeutlicht, dass Religionspädagogik nicht bei Glaubensdogmen ansetzen sollte, sondern vielmehr bei einem hermeneu tischen und alltagsorientierten Zugang zu Religion. Religionspädagogische Ausbildung in der Schule ist damit notwendiger Teil allgemeiner Bildung und auf allgemeine Spiritualität gerichtet.

F. Schweitzer sucht in seinem Beitrag »The Hermeneutic Condition of Religious Education« einen neuen Blick auf die Relation von Religionspädagogik und Hermeneutik. Er zeichnet die Geschichte der Religionspädagogik bis zur Entstehung des hermeneutischen Ansatzes kritisch nach. Letzterer bleibt nach F. Schweitzer ein unhintergehbarer Teil moderner Theologie. Allerdings muss es zu Vermittlungsprozessen zwischen Tradition, gegenwärtiger Situation und dem religiösen Subjekt kommen. C. Hermans entwickelt ein Modell abduktiver Hermeneutik, das darauf fokussiert, wie Neues erkannt werden kann, indem ein Zugang zum Bereich des Möglichen gesucht wird, das immer in Relation zum Gottesbegriff steht.W. Meijer versteht den religiösen Lernprozess ­ ausgehend von Robert Jack sons Überlegungen zu »Religious Education« ­ als einen hermeneutischen, der sowohl nach den eigenen internen Konzeptionen als auch nach solchen in der Begegnung mit anderen Traditionen in einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft fragt.

Im Abschnitt »Biblical and Theological Perspectives«, in dem sich u. a. Beiträge von R. Bieringer, C. de Souza und G. Kelly finden, geht es vor allem um eine Auseinandersetzung mit der Tradition und den biblischen Überlieferungen in ihrer Relevanz für die Religionspädagogik, wobei auch Möglichkeiten der praktischen Ausgestaltung religionspädagogischer Lernprozesse entwi ckelt werden. Letzteres gilt auch für den Abschnitt »Practical and Empirical Groundwork«, dem u. a. Beiträge von D. Hutsebaut, L. Francis und J. Astley an gehören. Hier finden zudem empirische Analysen und Fragen ethischer Ur teilsbildung Berücksichtigung.


Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der Band einen breiten Überblick über aktuelle Herausforderungen des hermeneutischen Paradigmas für die Religionspädagogik bietet und von daher einen wichtigen Beitrag zu religionspädagogischer Theoriebildung, aber auch zur praktischen Ausgestaltung religionspädagogischer Lernprozesse liefert, der sich den Herausforderungen der säkularisierten Moderne mit ihren veränderten Ausgangslagen stellt.