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Ausgabe:

März/2007

Spalte:

336-337

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Scheibe, Michaela:

Titel/Untertitel:

Rekonstruktion einer Pietistenbibliothek. Der Büchernachlass des Johann Friedrich Ruopp in der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen.

Verlag:

Tübingen: Verlag der Franckeschen Stiftungen Halle im Max Niemeyer Verlag 2005. XI, 227 S. m. Abb. gr.8° = Hallesche Quellenpublikationen und Repertorien, 8. Kart. EUR 36,00. ISBN 3-484-84108-7.

Rezensent:

Ruth Albrecht

Die bereits bewährte Hallesche Reihe stellt der Pietismusforschung mit diesem Buch die Rekonstruktion einer kleinen Privat-Bibliothek zur Verfügung, die einen Blick in die Lese- und Sammeltä tigkeit eines pietistisch orientierten Theologen an der Wende vom 17. zum 18. Jh. vermittelt. Der Besitzer dieser Büchersammlung, Johann Friedrich Ruopp (1672­1708), steht in der Geschichte des Pietismus nicht an herausragender Stelle; er ist jedoch auch kein Unbekannter. Er spielte eine Rolle bei den pietistischen Streitigkeiten in und um Straßburg herum; gemeinsam mit anderen wurde er zu Beginn des 18. Jh.s von dort ausgewiesen. In Halle fand er im Umfeld August Hermann Franckes ein neues Lebens- und Betätigungsfeld. Ferner gilt Ruopp als Verfasser pietistischer Lieder.

Michaela Scheibes Veröffentlichung entstand als Hausarbeit im Rahmen der Abschlussprüfungen für den höheren Bibliotheksdienst. Neben der Rekonstruktion des Bücherbestandes von Ruopp enthält dieser Band eine Präzisierung der Biographie sowie etliche Register, die hilfreich sein werden für die weitere Erschließung von frühneuzeitlichen pietistischen Büchersammlungen und Lesegewohnheiten.

Ruopp entstammte einer Straßburger Schuhmacherfamilie, zu deren Verwandtschaft auch Pfarrer gehörten. Soweit sich die ersten Studienjahre in Straßburg und Leipzig verfolgen lassen, begann seine theologische Laufbahn unter den Vorzeichen der lutherischen Orthodoxie. 1698/99 setzte er sein Studium in Halle fort und kehrte als Vertreter pietistischer Überzeugungen in seine Heimat zurück. Bis 1705 war er auf mehreren Pfarrstellen in der Umgebung Straßburgs tätig und an der Verbreitung pietistischer Praktiken federführend beteiligt. 1704 veranlasste er den Druck eines pietistischen Gesangbuches, das auch von ihm geschriebene Lieder enthielt. Sch. kündigt eine eingehende Analyse dieses bisher als nicht erhalten geltenden Ruoppschen Werkes für die nächste Zeit an. Von 1705 an bis zu seinem frühen Tod am 26.5.1708 hielt sich der Straßburger Theologe wieder in Halle auf und arbeitete eng mit Francke zusammen.

Den Ausgangspunkt für die Rekonstruktion Sch.s bilden zwei Verzeichnisse des Büchernachlasses, die sich im Archiv der Franckeschen Stiftungen in Halle befinden und die beide aus dem Jahr 1708 stammen. Durch einen Abgleich beider Listen konnten 359 Titel erschlossen werden; allerdings ist nur noch ein Bruchteil der Werke aus Ruopps Bestand in der Bibliothek vorhanden bzw. sicher nachweisbar. Bei einigen Exemplaren ließ sich der Weg von Vorbesitzern bis zu Ruopp durch Besitzvermerke nachvollziehen. Sch. erschließt das Profil dieser Büchersammlung durch etliche statistische Auswertungen: So fragt sie nach den Erscheinungsjahren der gesammelten Bücher, dem Sprachprofil, den Druckorten sowie den Fachgebieten. Wie diese verschiedenen Aufstellungen ergeben, erwarb Ruopp seine Bücher vornehmlich von 1690 an und er bevorzugte neue theologische Literatur. Zwar lässt sich ein Schwerpunkt bei pietistischen Autoren erkennen, dieser Theologe stellte sich jedoch insgesamt eine theologische Bibliothek zusammen, die ein reformatorisches und lutherisch-orthodoxes Fundament aufweist.

Daneben richtete sich sein Interesse auch auf mystische und spiritualistische Themengebiete, wie etliche Titel von Jakob Böhme, Christoph Seebach oder Namen wie Catharina von Genua und Madame Guyon belegen. Beim Blick auf den Bestand der Bibliothek Ruopps, wie sie sich vermutlich zum Zeitpunkt seines Todes darstellte, fällt ein Faktum auf, das Sch. folgendermaßen beschreibt: »Ein angesichts der fast stereotypen Klassifizierung des Erblassers als Liederdichter überraschender Befund muss jedoch erwähnt werden: das fast völlige Fehlen von Gesangbüchern in der Büchersammlung Ruopps.« An dieser Stelle wären ein paar weiterführende Überlegungen Sch.s hilfreich gewesen, auch wenn diese nur hypothetisch formuliert werden können. Was mag es für Gründe für diesen Befund geben? Sollte Ruopp tatsächlich keine Gesangbücher erworben haben? Könnte er diese bereits vor seinem Tod in Halle an kundige Fachleute oder Sammler veräußert haben? Veränderten sich in Halle eventuell seine theologischen Arbeitsgebiete, so dass er an Liederdichtungen sein Interesse verlor? Oder spielte die Lieddichtung in seinem gesamten Wirken nur eine unterordnete Rolle?

Als Fazit der sorgfältigen Auswertung der beiden Hallenser Bü cherverzeichnisse fasst Sch. ihre Beobachtungen zum Profil des pietistischen Theologen Johann Friedrich Ruopp zusammen: »Hinter dieser Büchersammlung wird die Person ihres Besitzers« als die eines »ge rade in Fragen der praktischen Theologie und der persönlichen Frömmigkeitsübung ­ wie es der sich gegen die erstarrte luthe rische Orthodoxie wendenden pietistischen Bewegung entsprach ­ engagierten, wissenschaftlich interessierten Theologen sichtbar, der wohl grundsätzlich dem Halleschen Pietismus angehörte, aber auch die radikaleren Strömungen seiner Zeit rezipierte. Insofern kor respondiert das Profil der Ruoppschen Büchersammlung durchaus mit der Biographie des Besitzers. Man kann wohl von einer Pietisten- und Theologenbibliothek sprechen, nicht aber von der Bibliothek eines Liederdichters.«