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Ausgabe:

März/2007

Spalte:

299-301

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Dietrich, Walter:

Titel/Untertitel:

David. Der Herrscher mit der Harfe.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2006. 381 S. m. 53 Abb. 8° = Biblische Gestalten, 14. Kart. EUR 16,80. ISBN 3-374-02399-1.

Rezensent:

Ernst-Joachim Waschke

D., der sich seit mehreren Jahrzehnten intensiv mit der Erforschung der Samuelbücher beschäftigt, konnte von den Herausgebern der Reihe Biblische Gestalten für den Band David gewonnen werden. Angesichts der Vielschichtigkeit der Quellen und ihrer schwierigen Deutung setzt sich D. das Ziel, »alt und neu zu mischen, die Zu sammenschau der Ebenen, gleichsam die Schaffung einer neuen Skulptur Davids aus teils vertrauten, teils noch unverbrauchten Materialien« zu versuchen (9). Ein insgesamt gelungenes Unternehmen.

In einer knappen Einführung (»Die Vita Davids im Spiegelbild der Kunst«, 11­19) wird der biblische Erzählhintergrund anhand des Bilderzyklus über David im »Bamberger Psalmenkommentar des Peter Lombardus« (12. Jh.) ausgeleuchtet.

Die Darstellung selbst ist dreigeteilt. In einem ersten Teil (»Die Quellen über David aus biblischer Zeit«, 20­97) wird über die Quellenlage informiert. Neben der Stele aus Tel Dan, der einzigen außerbiblischen Bezeugung für die davidische Dynastie in der Frühzeit, bildet für die geschichtliche Beurteilung Davids die These von einem »Höfischen Erzählwerk« die wichtigste Grundlage. Zu datieren ist dieses durch seine ambivalente Erzählweise charakterisierte Werk nach dem Untergang des Nordreiches und es spiegelt in dem Geschick der Könige Saul und David gleichsam die Geschichte der beiden Reiche in jener Zeit wider. Es basiert auf älteren Traditionen: Listen, Lieder, Einzelerzählungen und kleinere Erzählkränze. In jedem Fall hat nach D.s Überzeugung mit diesem zusammenfassenden Erzählwerk der Grundbestand der Samuelbücher schon in vordeuteronomistischer Zeit vorgelegen. Zu den späteren, exilisch-nachexilischen Erweiterungen rechnet D. nur die Natansweissagung (2Sam 7), Natans Gerichtsrede (2Sam 12), die Abschiedsrede Davids im dtr Rahmen von 1Kön 2,1­10 sowie den Anhang zu den Samuelbüchern (2Sam 21­24). Die biblischen Aussagen über David werden dann weiter über die Propheten, die Chronik und die Psalmen bis hin zu Jesus Sirach (»Lob der Väter«) und dem Neuen Testament verfolgt.

Im zweiten Teil (»Die Geschichte Davids im 10. Jahrhundert v. Chr.«, 98­200) wird die in der Forschung höchst strittige Frage nach dem »historischen David« gestellt. Die Positionen, die heute durch die archäologische Forschung einerseits und die unterschiedliche Beurteilung der alttestamentlichen Quellen andererseits vertreten werden, lassen in absehbarer Zeit keinen Konsens innerhalb der Forschung erwarten. D. versucht insofern zu vermitteln, als er zu nächst die Befunde der Siedlungs- und Flächenarchäologie für die frühe Eisenzeit im 10. Jh. v. Chr. vorstellt und anschließend fragt, wie sich der literarische Befund den archäologischen Daten zuordnen lässt. Das Ergebnis ist u. a. in einer Tabelle zusammengefasst, in der die Texte für eine mögliche »David-Biografie Š nach ihrer historischen Plausibilität aufgelistet sind« (125). Dies ge schieht in vier Spalten, wobei der Grad der historischen Wahrscheinlichkeit von der ersten bis zur letzten Spalte abnehmend ist. Für die Rekonstruktion beschränkt sich D. aber nicht nur auf die Texte der ersten Spalte (1Sam 14,47.*49.50­52; 22,1­2.3­4; 27,6; 30,26­31; 2Sam 1,19­27; 2,8.9.11; 3,2­5; 5,3.14­16; 8,16­18; 20,23­26; 23,24­39; 1Kön 1,39; 2,10. 28ff.), vielmehr zieht er auch jene Texte mit zu Rate, denen er als Grundbestand des »Höfischen Erzählwerks« für die historische Betrachtung insgesamt »eine hohe Wahrscheinlichkeit« einräumt (129).So zeichnet er nicht, wie es sich von den archäologischen Befunden und den wenigen historisch wahrscheinlichen Notizen in der Textüberlieferung nahe legen würde, ein fast fleischloses Skelett, sondern ein äußerst detailliertes Davidbild. Dieses besitzt seinen Anfang in der Geschichte vom Söldner, Freibeuter und philis täischen Vasall, setzt sich fort in Davids Herrschaft über eine Doppelmonarchie mit eigenen außenpolitischen Aktivitäten und findet seinen Abschluss in der Geschichte um die Thronnachfolge. Darüber, ob in diesem Umfang wirklich der David des 10. Jh.s ins Bild gesetzt oder nicht eher ein späteres Gemälde des legendären Dynas tiegründers zu Jerusalem erfasst ist, werden sich die Exegeten un tereinander und die Exegeten mit den Archäologen auch in der weiteren Zukunft noch streiten.

Im dritten Teil (»Die Gestalt Davids in Bibel und Kunst«, 201­328) geht es dann um die Wirkung Davids in der europäischen Literatur, Kunst und Musik. Als Leitfaden zur Durchdringung der eigentlich unüberschaubaren Materie dienen vier thematische Schwerpunkte: »David und die Macht«, »David der Mann«, »David der Künstler und Dichter« und »David als Mensch vor Gott«. Dabei versucht D., der Wechselwirkung zwischen der biblischen Gestalt und ihrer Adaption auf den verschiedenen Ebenen in der Kunst- und Geistesgeschichte nachzuspüren.

Das Schlusskapitel (»Ausweitung«, 329­357) behandelt gesondert die Natansweissagung (2Sam 7) als den für die Wirkungsgeschichte wahrscheinlich wichtigsten Text. Dessen Bedeutung, die sich schon in den alttestamentlichen und frühjüdischen Überlieferungen ab lesen lässt, wird darin aufgezeigt, wie diese Prophezeiung in verschiedenen messianischen Strömungen und bei der Herausbildung einer David-Christus-Kaiser-Typologie von der römischen bzw. byzantinischen Zeit bis in die Neuzeit rezipiert worden ist.

Ein umfangreiches Literaturverzeichnis und der Nachweis der Abbildungen finden sich am Ende dieses äußerst informativen und auch für den mit der Materie vertrauten Leser höchst anregenden Bandes.