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Ausgabe:

März/2007

Spalte:

297-299

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Albertz, Rainer:

Titel/Untertitel:

Elia. Ein feuriger Kämpfer für Gott.

Verlag:

Evangelische Verlagsanstalt 2006. 231 S. m. Abb. 8° = Biblische Gestalten, 13. Kart. EUR 14,80. ISBN 3-374-02351-7.

Rezensent:

Martin Beck

Die erfolgreiche Taschenbuchreihe »Biblische Gestalten«, die von der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig publiziert wird, ist um den Band zum Propheten »Elia« aus der Feder des Münsteraner Alttestamentlers Rainer Albertz bereichert worden.

In Teil A (»Einführung«, 9­18) macht A. mittels der Metapher »feuriger Elias« (s. Dampflok) auf die Besonderheit und Problematik der Eliagestalt aufmerksam.

Teil B (»Darstellung«) beginnt A. mit einer »historischen Spurensuche« (Abschnitt 1: 19­63). Diese gestaltet sich zwar angesichts der teilweise relativ späten Abfassung der Erzählungen und der im Zuge der Überlieferung erfolgten Übermalung der historischen Ge stalt als schwierig. Trotzdem ist Folgendes wahrscheinlich: Beim Namen Elia handelt es sich um den ihm von seinen YHWHfrommen Eltern verliehenen Geburtsnamen des Propheten. Der mit einem zottigen Fellmantel und einem ledernen Hüftschurz bekleidete (s. 2Kön 1,8) Elia stammt aus Tischbe in Gilead (s. 1Kön 17,1 u.ö.), hatte aber keinen festen Wohnsitz und erwirtschaftete kein geregeltes Einkommen, ist also »religionssoziologisch dem Typ des institutionell ungebundenen wandernden Einzelpropheten zu [zu]ordnen« (23), einem Typ, der für die Entwicklung der Propheten zu wirklichen Gegenspielern der Könige bedeutend ist. Elia war ein berühmter Regenmacher (s. 1Kön 18,41­43). Ihm wurde vorgeworfen, seine magischen Fähigkeiten »zum Schaden des Volkes eingesetzt und sich dem staatlichen Zugriff durch Flucht entzogen« (26) zu haben (17,1; 18,17). Den Dürrekonflikt hat er wegen einer Vernachlässigung der Verehrung YHWHs zu Gunsten Baals provoziert (so die Grunddaten der freilich ins Grundsätzliche überhöhten Kapitel 17­18). Denn obwohl Ahabs Religionspolitik nicht aggressiv war (s. die YHWHhaltigen Namen seiner Kinder), hat dieser doch für Baal einen Tempel samt Altar in Samaria errichtet (1Kön 16,32; vgl. auch 2Kön 10,18 ff.) und wollte dem Nationalgott YHWH in Baal einen stärker für die Natur zuständigen göttlichen Begleiter zuordnen. Außerdem hat Elia gegen die Verehrung einer Baalgottheit im privaten Bereich des Königshauses protestiert (2Kön 1,3 f.6.16). Sogar gegen soziale Übergriffe des Königshauses, das stets Landbedarf hatte, ist Elia eingeschritten (1Kön 21,19b).

Es folgen in Abschnitt 2 (»Die Erzählungen über Elia«, 63­160) eine literargeschichtliche Analyse (64­88) und Auslegungen (88­160) der Elia-Erzählungen 1Kön 21; 2Kön 1; 1Kön 17­18; 1Kön 19; 2Kön 2. Die Nabot-Erzählung 20,1­20a, die in eine Erzählung vom Justizmord an Nabot ein altes, eigenständig umlaufendes Prophetenwort Elias aufnimmt, stammt aus dem letzten Jahrzehnt des Nordreichs im 8. Jh. Sie wurde ins DtrG integriert, dabei erweitert (V. 20b­29, evtl. später V.25 f.) und ins Grundsätzliche verallgemeinert (s. V. 20b.22b); mit der Bekehrung Ahabs (V. 27­29) wird die Konstatierung seines natürlichen Todes (22,40 gegen 21,19) ausgeglichen. Die Ahasja-Anekdote 1,2.5­8.17a stammt aus der 2. Hälfte des 8. Jh. und wurde in dieser Gestalt ins DtrG aufgenommen. In nachexilischer Zeit wurde sie zweimal erweitert: Die V. 9­14.15b­16 malen die »Wehrhaftigkeit Elias gegen eine noch so überlegene militärisch-staatliche Gewalt« aus (71); die Engelszenen V. 3­4.15a »verdeutlichen, dass Gott selber die scheinbar zufällige Begegnung der Boten des Königs mit Elia eingefädelt hat und seinen Propheten in Gefahren bewahrt« hat (72). Die weitgehend literarisch einheitliche Dürre-Komposition Kapitel 17­18 wurde erst in spätexilischer Zeit (d. h. 539­520) verfasst. Sie ist direkt auf ihre Position im DtrG hin konzipiert worden und setzt die dtr Ahab-Passage 16,29­33 inhaltlich und literarisch voraus. Ihr »Op timismus, ganz Israel durch das göttliche Gericht zur Umkehr zu JHWH bewegen zu können, wie ihn besonders die aufgenommene Karmel-Erzählung, die wohl selber erst aus der Exilszeit stammt, ausstrahlt, passt am besten in die Zeit des beginnenden Neuanfangs« (84).

Kleinere Unstimmigkeiten erklären sich hinreichend damit, dass der Verfasser »ältere, vorformulierte Prophetenüberlieferungen verwandt und in einen neuen Rahmen gestellt hat« (77). Literarisch sekundär sind lediglich 18,3b­4.12b­14.19b.30b.31b. Abgesehen von V. 31b hängen diese Verse mit der Einfügung von Kapitel 19 zusammen. Bei der Horeb-Erzählung 19,1­21 handelt es sich um eine literarisch einheitliche nachträgliche Ergänzung der Dürre-Komposition aus fortgeschrittener nachexilischer Zeit (5. Jh.), die nur in V. 19­21 (Berufung Elisas) eine ältere Erzähltradition aufnimmt. Kapitel 19 reagiert »auf ein neues Misstrauen, das der Prophetie nach dem weitgehenden Scheitern Haggais und Sacharjas, die direkt in die Politik des Wiederaufbaus eingegriffen hatten, entgegenschlug« (85). Die Erzählung von der Himmelfahrt Elias 2,1­18 (nur die V. 16­18 sind jung) gehört zur Elisa-Biographie (1Kön 19,19­21; 2Kön 2,19­6,23; 13,14­21) aus dem frühen 8. Jh. und wurde vom Verfasser von Kapitel 19 im 5. Jh. ins DtrG eingeschoben.

Teil C (»Wirkung«, 161­223) stellt in einem ersten Abschnitt die innerbiblische Wirkungsgeschichte Elias dar. Hier geht A. den Texten 2Chr 21,12­15; Mal 3,22­24; Sir 48,1­11; neutestamentlichen Evangelien; Röm 11,1­6; Jak 5,17­18; Hebr 11,35a.37 und Offb 11,3­13 entlang.

Im zweiten Abschnitt (»Elia in Kunst, Musik und Literatur«, 184­223) geht A. auf die jeweils eigene Schwerpunkte setzenden Elia-Darstellungen in der jüdischen Synagoge von Dura-Europos (um 200 n. Chr.), in der christlich-römischen Katakombe Via Latina (Mitte des 4. Jh.s n. Chr.), in der byzantinischen und russischen Ikonenmalerei des 13./14.Jh.s, beim protestantischen Maler Lukas Cranach dem Älteren (1472­1535) und auf das durch Marc Chagall in St. Stephan in Mainz geschaffene Glasfenster (1977­1981) ein. Es folgt eine Besprechung des 1846 uraufgeführten Oratoriums »Elias« von Felix Mendelssohn-Bartholdy und eine Vorstellung des 1996 (deutsch 1998) erschienenen Romans »Der fünfte Berg« von Paolo Coelho.

Abschließend enthält Teil D ein Abbildungsverzeichnis (230­231) sowie ein Literaturverzeichnis (225­229) mit einer »Auswahl wichtiger Titel«.

Dieses wäre unbedingt um die Aufsätze von M. Köckert zu ergänzen (Elia. Literarische und religionsgeschichtliche Probleme in 1Kön 17­18, in: Der eine Gott und die Götter. Polytheismus und Monotheismus im antiken Israel, hrsg. v. M. Oeming u. K. Schmid, AThANT 82, Zürich 2003, 111­144. ­ Neu erschienen: »Gibt es keinen Gott in Israel?« Zum literarischen, historischen und religionsgeschichtlichen Ort von II Reg 1, in: Auf dem Weg zur Endgestalt von Genesis bis II Regum. Festschrift Hans-Christoph Schmitt zum 65. Geburtstag, hrsg. v. M. Beck u. U. Schorn, BZAW 370, Berlin-New York 2006, 253­271).

A. gelingt es mit dem Büchlein sehr gut, die prominente biblische Figur Elia in ihrer historischen Bedeutung, in ihrer literaturgeschichtlichen Entwicklung und in ihrer reichen Wirkungsgeschichte einer breiteren Leserschaft anschaulich zu präsentieren. Gegenüber dem positiven Gesamteindruck ist es schade (wenn auch wenig gravierend), dass sich die Überschrift 2.1 in Teil B (64) nicht mit der entsprechenden des Inhaltsverzeichnisses deckt und im Vorwort (8) die Textauslegungen auf Abschnitt 2.2 in Teil B (richtig 2.2 bis 2.6) eingeschränkt werden. Auch wäre beim Zitationsverfahren etwas mehr Ausgewogenheit wünschenswert gewesen.

Von fachwissenschaftlicher Seite wird sicher gegenüber einigen Entscheidungen Bedenken angemeldet werden, z. B.: Sind die Elia-Erzählungen tatsächlich literarisch so einheitlich, wie A. glauben machen möchte? Inwiefern ist, was die Dürre-Komposition betrifft, eine so lange mündliche Überlieferung plausibel? Lässt sich 1Kön 17­18, gerade wenn hier eine Rechtfertigung der Gerichtsprophetie vorgenommen wird (123.126), wirklich noch historisch für das 9. Jh. auswerten? Die immer noch relativ »frühe« Datierung von 1Kön 17­18 in die ausgehende Exilszeit überrascht: Ist wirklich so schnell mit einer Rezeption des dtr Denkens und des monotheistischen Gottesverständnisses zu rechnen? Liegt die Mose-Überlieferung, wie sie 1Kön 19 voraussetzen soll (147), tatsächlich schon Mitte des 5. Jh.s in der dafür notwendigen Gestalt vor? Kann der Gedanke der prophetischen Sukzession mit der Rückführung auf Mose (159) wirklich schon für die Gerichtspropheten des 8. Jh.s angenommen werden? Außerdem wird manche sozialgeschichtliche Interpretation von A. skeptisch stimmen. Trotzdem gilt: ein anschaulich geschriebenes, informatives und lesenswertes Buch.