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Ausgabe:

Februar/2007

Spalte:

231-233

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Kerner, Wolfram:

Titel/Untertitel:

Gläubigentaufe und Säuglingstaufe. Studien zur Taufe und gegenseitigen Taufanerkennung in der neueren evangelischen Theologie.

Verlag:

Norderstedt: Books on Demand 2004. 276 S. 8°. Kart. EUR 17,80. ISBN 3-8334-2174-6.

Rezensent:

J. Christine Janowski

Recht und Gültigkeit der Säuglingstaufe sind in der wissenschaftlichen Diskussion seit vor allem K. Barth nach wie vor ebenso umstritten wie im ökumenischen Dialog auch nur innerevangelischer Art.

Diese Heidelberger Dissertation eines ehemaligen Baptisten ist der Frage nach den theologischen Grundlagen des bleibenden Dissenses so gewidmet, dass sie zugleich Ansätze zu dessen Überwindung zu Gunsten einer gegenseitigen Taufanerkennung sowohl im neueren innerevangelischen ökumenischen Dialog (Teil B, 26­86: baptistisch-reformierter Dialog 1977, Limadokument zur Taufe 1982, baptistisch-lutherischer Dialog 1990, Dialog zwischen Waldensern bzw. Methodisten mit Baptisten in Italien 1990) als auch in neuerer Dogmatik (Teil C, 87­257) reformierter (K. Barth, O. Weber, G. W. Bromiley, T. F. Torrance), lutherischer (E. Schlink, W. Pannenberg) und baptistischer (G. R. Beasley-Murray, J. W. McClendon, S. M. Heim und P. S. Fiddes) Prägung als entscheidend für eine Kirchengemeinschaft sowie für pastorale Handlungsgewissheit aufzuweisen und von daher einen eigenen Lösungsansatz zu entfalten sucht (Teil D, 258­267). Das geschieht höchst konzentriert, dazu methodisch wie sachlich umsichtig im Blick auf komplexe theologische Zusammenhänge.

Einleitend (Teil A,12­25) werden Thema und Fragestellung systematisch zupackend so entfaltet, dass unter Rekurs auf die eigentümliche Asymmetrie im Blick auf die Anerkennung von Säuglingstaufe und Gläubigentaufe die Frage nach einem theologischen Verständnis der Taufe »im allgemeinen« mit methodischen Folgen vorangestellt wird, um von ihrer Beantwortung aus die Antwort auf die Frage nach der Vorzugswürdigkeit der einen oder anderen Taufform sowie die nach der Gültigkeit der Säuglingstaufe abhängig zu machen. Die Wahl der Begriffe »Säuglingstaufe« und »Gläubigen taufe« wird derart begründet, dass der letztere Begriff offen ist für eine von der Säuglingstaufe unterschiedene Kindertaufe, die als solche auch baptistisch nicht abgelehnt wird, und zum anderen mit dem Limadokument präzisiert wird durch die Taufe auf Grund eines eigenen Glaubensbekenntnisses bzw. Taufbegehrens der Täuflinge. Es folgen methodische Vorbemerkungen und zugleich ein Inhaltsüberblick, in dem antizipatorisch Fortschritte und bleibende Desiderate, insbesondere Unklarheiten, Inkonsistenzen bzw. Spannungen, im genannten ökumenischen Dialog so kenntlich werden, dass dem dogmatisch orientierten Hauptteil C überzeugend eine doppelte Funktion zugewiesen wird: einerseits eine klarere Herausarbeitung bestehender konfessioneller Differenzen, andererseits die Aufnahme und Vertiefung von Erfolg versprechenden dogmatischen Ansätzen, »die in den ökumenischen Gesprächen bereits zu einer Annäherung oder Einigung führen konnten, Š damit sie so eine größere Wirkung im weiteren Dialog über die theologische Begründung der Säuglingstaufe sowie über die gegenseitige Taufanerkennung entfalten können« (18). Entsprechend ist dieser zweite Hauptteil das eigentliche Korpus dieser Untersuchung.

Zunächst überraschenderweise setzt dieser Teil mit einem Kapitel zu K. Barths hoch umstrittener letzter Tauflehre ein (87­116), aus der die Ablehnung der Kinder- bzw. Säuglingstaufe sachlich an sich unmittelbar folgt. Doch zu Recht wird daran erinnert, dass Barth selbst diese Konsequenz mit seiner Ablehnung der sog. Wiedertaufe und seinem »tief unordentlich, aber nicht einfach ungültig« (vgl. 88.109 f.) ohne hinreichende Begründung gerade nicht gezogen hat. Von da aus wird ­ zum Teil mit Barth selbst ­ gegen Barths deutliche Tendenz zur Trennung zwischen Taufe mit dem Heiligen Geist und Wassertaufe als menschlichem Gemeinschaftswerk argumentiert, ohne eine automatische Verbindung beider zu unterstellen und sich mit der Berufung auf einen objektiven Glauben als Be gründung der Säuglingstaufe zu begnügen. Vier untereinander zu sammenhängende, im Fortgang der Untersuchung weiter verfolgte Ansatzpunkte zur Überwindung dieser Trennung, allen voran der trinitarische und pneumatologische, werden von da aus ge nannt (115).

Der Durchgang durch die anderen Positionen entspricht einem gleichfalls nuanciert abwägenden Rezeptions- und Rekonstruktionsprozess mit zudem stetiger Steigerung von Problemsensivität und von da aus Problemlösungskapazität. In diesem Prozess werden z. B. auch von kritisierten Lutheranern Teilargumente positiv aufgenommen (vgl. besonders Schlinks Kirchenverständnis, 177 f.). Gegen eine baptistische Verbindung der Abwehr von »Alles-oder-Nichts-Dualen« im Blick auf die Säuglingstaufe mit der These von dieser als einem »anderen Sakrament« gegenüber der Gläubigentaufe bei Beasley-Murray wird ebenso kritisch argumentiert (209 f.) wie gegen dessen Vernachlässigung des Aspekts der Sünde als überindividuellem, schicksalhaften Zusammenhang zugleich mit der Ablehnung der klassischen Erbsündenlehre (214) oder gegen den Kompromiss McClendons, die baptistische sog. Wiedertaufe als »Taufreparatur« zu verstehen und dabei eine bestimmte Praxis der Taufe im Neuen Testament zur Norm zu erheben (236 f.). Als von größter Bedeutung wird die baptistische Verschiebung der Anerkennungsproblematik im Rahmen eines Gesamtkonzeptes von christlicher Initiation bei Heim herausgestellt (239 ff.), das mit dem Limadokument zugleich der Tatsache entspricht, dass für baptistische Ekklesiologie »eine korrekte Ausübung der Taufe nicht konstitutiv ist für das Kirchesein oder für die Zugehörigkeit einer Person zur Kirche als dem Leib Christi« (239), so dass von daher mit Folgen für die Einschätzung der Säuglingstaufe statt von einer Vervollständigung der Taufe von einer Vervollständigung der christlichen Initiation gesprochen wird (244). Genau das Konzept eines auf die Taufe und ihre Folgen nicht reduzierbaren Initiationsprozesses aber wird von Fiddes (247 ff.) prozesstheologisch so in einen trinitätstheologischen Rahmen gestellt, dass er u. a. in Modifikation des klassischen stellvertretenden oder fremden Glaubens und zugleich in Ausdifferenzierung des schwierigen Glaubensbegriffs zwischen ðexper i encedÐ, ðaffiliativeÐ, ðsearchingÐ und ðownedÐ Glauben unterscheidet (253), um damit zugleich das Wirken des Heiligen Geistes ebenso wenig an die Wassertaufe und das, was ihr folgt, zu binden wie an subjektive Bekehrungs- und Bekenntnisakte und zugleich nicht dem Modell einer gemeinsamen Taufe, sondern einer gegenseitig anerkannten Taufe zu entsprechen (249 f.).

An diese in der Tat »hohe Integrationsleistung« (257), die u. a. den klassischen Dual von objektivem und subjektivem Glauben unterläuft, zugleich bleibende Differenzen nicht verwischt, sondern kreativ verarbeitet und die Vorzüglichkeit der sog. Gläubigentaufe impliziert, knüpft der Vf. im knappen Schlussteil an, wenn er die Taufe dezidiert ins Zeichen des Wirkens des trinitarischen Gottes und seines Geistes durch die Gemeinde als Leib Christi stellt und das Konzept des Prozesses christlicher Initiation, das sich im Leben verschiedener Menschen unterschiedlich gestalten kann, aufnimmt. Allerdings nimmt er Fiddes¹ Unterscheidungen im Glaubensbegriff nicht auf, um entsprechend der Säuglingstaufe nur die Aspekte der Taufe als (öffentlicher) »Eingliederung in die Kirche als Leib Christi« und als »Herrschaftswechsel« zuzusprechen (263). Dem entspricht das relativ unkritische Festhalten an der Unterscheidung in »Säug lingstaufe« und »Gläubigentaufe« als Bekenntnistaufe im Blick auf die Täuflinge selbst (s. o.).

Trotz dieses Mankos und der Notwendigkeit einer weiteren, durchaus auf Erfahrungsprobleme und die gesamttheologische Taufdiskussion zu beziehenden Begriffsarbeit im Blick insbesondere auf das Wirken bzw. Handeln des trinitarischen Gottes und seines Geistes (auch) in der Taufe ist diese Untersuchung gerade auf Grund ihrer dezidierten systematischen Berücksichtigung neuer baptistischer Positionen sowie ihrer methodischen wie sachlichen Dynamik nicht nur ausgesprochen informativ, sondern auch anregend ­ nämlich zum Weiterdenken.