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Ausgabe:

Februar/2007

Spalte:

204-205

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Heimbach-Steins, Marianne [Hrsg.]:

Titel/Untertitel:

Christliche Sozialethik. Ein Lehrbuch unter Mitwirkung v. A. Baumgartner, Th. Bohrmann, G. Drösser, Th. Hausmanninger, W. Veith. Bd. 1: Grundlagen.

Verlag:

Regensburg: Pustet 2004. 327 S. gr.8°. Geb. EUR 29,90. ISBN 3-7917-1923-8.

Rezensent:

Hartmut Kreß

Das Lehrbuch entfaltet Grundlagen der christlichen ­ genauer gesagt: der katholischen ­ Sozialethik. Die einzelnen Abschnitte sind von Vertretern des Faches verfasst, die an bayerischen Universitäten lehren. Das Buch ist einheitlich konzipiert und didaktisch als ein gut übersichtliches Lehrbuch angelegt, das auch von Studierenden der evangelischen Theologie oder anderer Fächer mit Gewinn genutzt werden kann. Leitgedanken sind in sog. Merksätzen zusammengefasst worden, die eine sinnvolle Übersicht ermöglichen.

Der abschließende vierte Teil des Buches ­ »Normative Orientierungen« (261­326) ­ repräsentiert den gedanklichen Ertrag. Er entfaltet die klassischen Prinzipien der katholischen Soziallehre, nämlich das Person-, Gemeinwohl-, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip. In jüngster Zeit sind sie um die Nachhaltigkeit bzw. das Retinitätsprinzip ergänzt worden, dem ebenfalls ein eigener Abschnitt gewidmet worden ist. Darüber hinaus wird der Begriff der Gerechtigkeit gesondert erörtert. Die Sozialprinzipien bilden das besondere Merkmal des katholisch-theologischen Zugangs zur Ethik. Sofern darauf geachtet wird, dass sie nicht normativistisch überdehnt werden, machen sie die Stärke der katholischen Soziallehre aus. Das Subsidiaritätsprinzip hat sogar weit über den katholischen Bereich hinaus ausgestrahlt. Am Beispiel des Nachhaltigkeitsbegriffs zeigt sich, dass die katholische Soziallehre in der Lage war, in anderen Kontexten entwickelte Leitvorstellungen ihrerseits zügig zu übernehmen. Im vorliegenden Buch bleibt auch der Abschnitt über die Gerechtigkeit keineswegs auf die klassische aristotelische oder thomanische Begriffsbildung beschränkt, sondern erwähnt z. B. die neuere Idee der Beteiligungsgerechtigkeit. Sinnvoll wäre es gewesen, zusätzlich die sog. Befähigungsgerechtigkeit zu erörtern und auf diese Weise Gerechtigkeit sowie Freiheit miteinander zu verschränken.

Die ersten drei Abteilungen des Buches enthalten grundlegende Informationen über den Begriff »Ethik« und die gedanklichen Zugänge zur Ethiktheorie, entfalten ­ mit dem Schwerpunkt des katholischen Christentums ­ geistesgeschichtliche Entwicklungen und reflektieren soziologische oder institutionentheoretische Rahmenbedingungen der Ethik. Spezielle katholische Fragen, etwa die Zuordnung bzw. Abgrenzung von Moraltheologie und Soziallehre oder die Problematik des Lehramts, bleiben weitgehend ausgeklammert. Dies ist im Rahmen des vorliegenden Buches sicherlich sinnvoll. Interessant ­ auch in ökumenischer Hinsicht ­ sind die Überlegungen über die potenzielle Funktion biblischer Texte für die Ethik (besonders 104: heuristisch-hermeneneutisch, sensibilisierend, begründend sowie kulturgeschichtlich orientierend) oder über die Bedeutung von Thomas von Aquin für die Morallehre (126ff.). Die Gefahr biblischer oder biblizistischer Deduktionen, die in der evangelischen Theologie bis in die Gegenwart hinein anzutreffen sind, oder einer neoscholastischen oder metaphysischen Thomasrezeption werden vermieden. Soweit es im vorgegebenen Rahmen möglich war, sind philosophische Theoriebildungen aufgegriffen worden. Selbst wenn manch andere oder zusätzliche Akzente hätten gesetzt werden können ­ die Säkularisierung und Pluralisierung der heutigen Gesellschaft hätten eine stärkere Aufarbeitung verdient; geistesgeschichtlich hätten sich die durch Schleiermachers Güterlehre vermittelten Impulse stärker herausarbeiten lassen ­, handelt es sich um eine ertragreiche Übersicht über Grundlagen der Ethik, deren Vorzug in ihrer philosophischen Anschlussfähigkeit und ökumenischen Offenheit besteht.