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Ausgabe:

Februar/2007

Spalte:

188-190

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Tertullian:

Titel/Untertitel:

De baptismo ­ De oratione. Von der Taufe ­ Vom Gebet

Verlag:

Übers. u. eingel. v. D. Schleyer. Turnhout: Brepols 2006. 339 S. 8° = Fontes Christiani, 76. Lw. EUR 41,03. ISBN 2-503-52115-0.

Rezensent:

Gert Haendler

Schon 2002 hatte D. Schleyer für die Reihe Fontes Christiani Band 42 vorgelegt mit Text und Übersetzung von Tertullians Schrift De praescriptione haereticorum (vgl. ThLZ 128 [2003], 683­685). In der Einleitung zu den beiden jetzt vorgelegten Schriften sagt Schleyer, dass T. vermutlich kurz nach 200 in der karthagischen Kirche Presbyter geworden sei. Aus diesem Amt seien ihm seelsorgerliche Aufgaben erwachsen, die »sich mit Fragen der christlichen Ethik und Askese, des christlichen Glaubenslebens und seinem Fundament, der Taufe, beschäftigen« (10). Ursprünglich seien es wohl Ansprachen »eines von der Kirche bevollmächtigten Lehrers« gewesen. Das klingt plausibel und wurde oft behauptet. Tatsache bleibt jedoch, dass sich T. niemals darauf berufen hat, irgendein kirchliches Lehramt innezuhaben. Seine späteren kritischen Äußerungen über die amtliche Kirche ­ zumal lehramtliche Ansprüche des »episcopus episcoporum« ­ sind dagegen sehr eindeutig.

Die Meinung, T. wende sich ursprünglich »in lebendiger Rede an seine Zuhörer« (22), begründet Schleyer damit, dass T.s Texte bekannte Eigenheiten der Antike aufweisen: »Typische Stilmittel der mündlichen Unterweisung sind Elemente des fiktiven Dialogs, die oft in beiden Schriften zu finden sind. Zu solchen gehören die Anrede der ðZielgruppeÐ in der zweiten Person Singular, rhetorische Fragen, Ausrufe der Entrüstung und Bewunderung«. Beide Schriften gehören zum Genus der Homilia oder des Sermo und zeigen solche Formen, »die schon typisch für den popular-philosophischen Lehrvortrag bei Kynikern und Stoikern waren und ebenso typisch für Predigten griechischer und lateinischer Kirchenväter « (22). Weitere Details führen zu der abschließenden Formulierung: »So scheinen die in De baptismo und De oratione jeweils zugleich verwendeten klassischen Formen der christlichen Predigt, Schrifterklärung, Ermahnung, dogmatische Belehrung und lobpreisende, hymnische Rede, den ursprünglichen Charakter mündlicher Unterweisung zu bestätigen« (25).

Die Schrift De oratione ist auch in Einzelheiten gut vergleichbar, denn sie bringt mehr oder weniger klare inhaltliche und stilistische Parallelen zu Taufkatechesen aus dem späten 4. Jh. Cyrill von Jerusalem, Johannes Chrysostomos und Ambrosius werden zitiert. Interessanter sind freilich Vergleiche mit Auslegungen des Vaterunsers, die Origenes und Cyprian nur wenige Jahrzehnte nach T. geschrieben haben. Auf jeden Fall ist aber die Auslegung von T. die früheste von allen schriftlich überlieferten Auslegungen zum Vaterunser (27).

Kapitel III »Taufe und Liturgie in der karthagischen Kirche« geht auf die Vorbereitung der Taufe, die präbaptismalen Riten, den Taufakt sowie postbaptismale Riten ein (27­41). T.s Taufschrift wird verglichen mit der etwa gleichzeitig entstandenen Schrift »Traditio apostolica«, deren Probleme Wilhelm Geerlings in Band 1 der Reihe Fontes Christiani 1991 dargelegt hatte (vgl. ThLZ 117 [1992], 409 f.). Die Unterschiede werden deutlich: Zumal bei der präbaptismalen Salbung wird klar, dass die dort überlieferten exorzistischen Worte und Handlungen sowie das vom Bischof vorher gesegnete »Exorzismus-Öl« bei T. fehlen. Schleyer formuliert: Eine Salbung nach der Taufe »wird weder von Tertullian noch von Cyprian erwähnt und ist in späterer Zeit auch bei Augustin nicht zu finden. Sie ist in der afrikanischen Kirche unbekannt« (34).

Kapitel IV »Die Tauf-Theologie nach De baptismo« ist das längste Kapitel der Einleitung (41­103). Es folgt noch das spezielle Kapitel V »Die christliche und heidnische ðTaufeÐ: Sacramentum und mysterium« (103­109). Schleyer weist immer wieder auf die betreffenden Stellen in den Schriften T.s hin, seine Ausführungen können somit als ein hilfreicher Einstieg genutzt werden. Die drei speziellen Kapitel zur Taufe füllen jedoch 83 Seiten (27­109), für Text und Übersetzung stehen nur je 29 Seiten zur Verfügung (160­217). Hier könnte die Gefahr liegen, dass die Einleitung den Text und die Übersetzung an Länge doch gar zu eindeutig übertrifft.

In Kapitel VI »Das Vaterunser und das christliche Gebet nach De oratione« wird festgestellt, dass T. den Taufbewerbern diesen Text als wichtigen Aspekt des »Neuheitserlebnisses des Christentums« vor Augen stellen will. Bei der Vateranrede knüpft T. an die altrömische Bedeutung des Familienvaters an (115). Die folgenden Abschnitte betreffen die »Du-Bitten« und die »Wir-Bitten«. Häufig wird an die Bergpredigt erinnert. So sagt T. im Anschluss an die Warnung vor dem Zorn (Mt 5,21): »Nicht nur vom Zorn, sondern überhaupt von jeder Art geistiger Wirrnis muß ein aufmerksames Gebet frei sein, empor gesandt von einem Geist, der so geartet ist wie der Geist, zu dem er empor gesandt wird« (De or. 12,1 = 241).

Dazu erinnert Schleyer »an die stoische Definition der Tugend als das Freisein von Affekten, die die Übereinstimmung mit der Vernunft verhindern« (141). Er verweist auf Seneca und Cicero. Antikes Gedankengut und Schriftinterpretation verschränken sich: »Es geht nicht um die Selbstbefreiung von Affekten wie beim stoischen Weisen und um die natürliche Identität von erkennendem Subjekt und erkanntem Objekt, sondern um die nur mit dem Gnadenwillen Gottes möglich werdende, dem Willen Gottes entsprechende, affektfreie innere Haltung des Beters, der so dem göttlichen Geist ähnlich wird und der Erhörung gewiß sein kann« (142).

Dieses Ideal hat T. nicht immer verwirklicht. Seine Auslegung der Bitte »Dein Reich komme« in De. or. 5 hofft auf Rache: »Auch wenn nichts im voraus im Gebet bestimmt wäre, was die Bitte um das Kommen des Reiches angeht, hätten wir von uns aus dieses Wort geäußert, da wir es eilig haben, in den Besitz unserer Hoffnung zu gelangen (vgl. Hebr 11,13). Es schreien zum Herrn voller Empörung die Seelen der Märtyrer unter dem Altar: ðWie lange noch wirst du, Herr, unser Blut nicht an den Bewohnern der Erde rä chen?Ð (Offb 6,10) Denn natürlich ist deren Bestrafung abhängig vom Ende der Welt. Ja, Herr, möge Dein Reich möglichst schnell kommen, der Wunsch der Christen, die Beschämung der Heiden, der Jubel der Engel, dein Reich, um das wir leiden, ja mehr noch, um das wir bitten (vgl. 2Thess 1,5)«. Schleyer nennt das »eine sehr lebendige, im Glauben begründete und durch die Lage der Kirche erheblich verstärkte eschatologische Naherwartung« (125).

Kapitel VII »Zu Text und Übersetzung von De baptismo und De oratione« geht auf die wenigen erhaltenen Handschriften und die frühesten Ausgaben von Beatus Rhenanus 1521, 1529 und 1539 ein (151­153). Die neueren Editionen werden hier und in der Bibliographie genannt (310­312). Schleyer übernimmt die Texte, die im Corpus Christianorum, Series Latina 1 (1954) vorliegen: Für De baptismo von J. W. P. Borleffs, für De oratione von G. F. Dierks (155).

Insgesamt ist der vorgelegte Band solide gearbeitet und bietet den Stand der Forschung. Bei einer Quellenreihe mit 120 Seiten für Texte und Übersetzungen (160­279) scheint die Einleitung mit 149 Seiten (9­157) recht lang zu sein. Gründliche Einleitungen sind jedoch ein Markenzeichen der Reihe Fontes Christiani und werden vielen Lesern mehr helfen als nur der Text mit einer gelungenen Übersetzung. So wird auch dieser Band der bewährten Reihe seine Leser finden, die aus ihm viel lernen können.