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Ausgabe:

Februar/2007

Spalte:

187-188

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Gutsfeld, Andreas, u. Dietrich-Alex Koch [Hrsg.]:

Titel/Untertitel:

Vereine, Synagogen und Gemeinden im kaiserzeitlichen Kleinasien.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2005. VIII, 202 S. gr.8° = Studien und Texte zu Antike und Christentum, 25. Kart. EUR 44,00. ISBN 3-16-148620-X.

Rezensent:

Markus Öhler

Der Sammelband geht auf Vorträge aus dem Jahr 2001 zurück und bietet einen exemplarischen Einblick in die gegenwärtige Forschung zum antiken Vereinswesen und frühen Christentum.

Zwei Beiträge beschäftigen sich ­ weitgehend in Übereinstimmung ­ mit der Forschungsgeschichte zum Verhältnis von antiken Vereinen und frühchristlichen Gemeinden. T. Schmeller legt dabei den Schwerpunkt auf die Anfänge dieses Themas im 19. Jh. unter C. F. Heinrici und E. Hatch (1­19). Die dabei auftretenden Fragestellungen ­ vor allem jene nach Nachahmung und Übernahme des Vereinsmodells durch die Christen ­ beschäftigen auch heute noch die Gemüter, wie R. Ascough in seinem Beitrag aufzeigt (150). Dabei entspreche nach Schmeller der gegenwärtige Trend zur Vereinsforschung den lokalgeschichtlichen Zugängen in der Rekonstruktion der Geschichte des frühen Christentums.

Auch D.-A. Koch und D. Schinkel (129­148) gehen von Heinrici aus und weisen wie Schmeller auf die sozialen und wissenschaftsgeschichtlichen Gründe für die Popularität der Vereinsforschung im 19. Jh. hin. Sie zeigen, warum dieser Ansatz mit der dialektischen Theologie verschwand, um erst in den 70er Jahren des 20. Jh.s mit der sozialgeschichtlichen Forschung wieder aufgenommen zu werden. Genannt werden auch zukünftige Aufgaben (147 f.): Zum einen sollten weitere verbindende und trennende Elemente zwischen Vereinen und Gemeinden genauer untersucht werden, zum anderen die Frage der Beziehungen zwischen Vereinen.

Der Beitrag von D. Schinkel zur Demetriosepisode (Apg 19) stellt die Unruhen rund um das Wirken des Paulus in Ephesus in den Kontext antiker Gruppeninteressen (95­112). Neue Erkenntnisse ergeben sich daraus allerdings kaum, die von Schinkel (und Koch) angesprochenen Forschungsfragen werden hier (noch) nicht be rück sichtigt. Wie Schinkel geht auch A. J. Boudewijn Sirks im Aufsatz zur kaiserzeitlichen Vereinsgesetzgebung (21­40) von der m. E. falschen Annahme aus, Vereine hätten eine Bewilligung durch den Senat benötigt (26 f. bzw. 103). Wenn man sich wie Sirks (23) auf die Inschrift von Lanuvium bezieht (ILS 7212), sollte man wenigstens eine Beschäftigung mit der einschlägigen Forschung zu diesem Text (F. Ausbüttel, E. Ebel) voraussetzen. Auch die Rede von »Bestattungsvereinen« geht am sozialen Phänomen vorbei. Dennoch ist der Beitrag informativ und anregend.

Am Beispiel Smyrnas und der dortigen Dionysiasten zeigt V. Hirschmann (41­59), wie die Integration von Vereinen in die Polis zu beiderseitigem Wohl funktionierte, weist aber auch darauf hin, welche Schwierigkeiten die christliche Gemeinde gerade unter diesem Aspekt zu gewärtigen hatte. Bei der konkreten Beschäftigung mit dem Martyrium Polycarpi muss eine Mitwirkung von Vereinen allerdings im Bereich der Spekulation enden.

Dass auch die Mitgliedschaft in einem paganen Verein durchaus von persönlicher Frömmigkeit geprägt war, zeigt das Beispiel der Therapeutai von Pergamon. An ihrem prominentesten Mitglied Galen stellt D. Brabant (61­75) den intensiven Glauben an Asklepios dar, der das Leben insgesamt prägte und in der Kultvereinigung auch gemeinschaftlich geübt wurde. Berührungen mit christlicher Frömmigkeit werden hier zwar nicht genannt, der Aufsatz regt aber zu weiteren Arbeiten in dieser Richtung an.

S. Sommer bietet in seinem Beitrag zu kaiserzeitlichen Vereins unruhen (77­93) einen guten Überblick, der zeigt, dass nur in wenigen Fällen religiöse Ursachen eine Rolle spielten.

Zwei wichtige Aspekte werden von J. M. G. Barclay angesprochen: »Money and Meetings« (113­127). Dabei weist Barclay auch auf ein grundsätzliches Problem hin: Je größer unser Wissen über das antike Vereinswesen wird, desto vielfältiger wird das Bild, das wir davon erhalten. Über lokale und zeitliche Räume haben sich Menschen in so unterschiedlichen Formen zusammengefunden, dass ein kleinster gemeinsamer Nenner nicht leicht zu finden ist. Geld und gemeinschaftliche Treffen sind aber Phänomene, die stets dazu gehören, auch in den christlichen Gemeinden. Beide Themen werden knapp, aber ausreichend im Blick auf pagane Vereine, Synagogen und christliche Gemeinden so behandelt, dass Gemeinsamkeiten und Differenzen deutlich werden.

Den Abschluss des Sammelbandes bildet der bereits erwähnte Beitrag von R. S. Ascough (149­183), der in altbewährter Manier und mit großem Wissen versucht, alle Einwände gegen eine Verbindung von Vereinen und christlichen Gemeinden zu widerlegen.

Die Beiträge sind durch Register erschlossen und weitere Belege dafür, dass die Erforschung des antiken Vereinswesens noch manche Schätze birgt, die für die Rekonstruktion des frühen Christentums gewinnbringend angelegt werden können. Eine umfassende Aufarbeitung und Systematisierung steht allerdings weiterhin aus.