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Ausgabe:

Februar/2007

Spalte:

185-187

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Greschat, Katharina:

Titel/Untertitel:

Die Moralia in Iob Gregors des Großen. Ein christologisch-ekklesiologischer Kommentar.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2005. IX, 298 S. gr.8° = Studien und Texte zu Antike und Christentum, 31. Kart. EUR 54,00. ISBN 3-16-148618-8.

Rezensent:

Silke Floryszczak

Die Untersuchung »Die Moralia in Iob Gregors des Großen« von Katharina Greschat, mit der sie sich im Wintersemester 2003/2004 an der Universität Mainz im Fachbereich Evangelische Theologie habilitierte, beschäftigt sich mit der Auslegung des Buches Hiob durch Papst Gregor (590­604) vor dem theologischen und kulturellen Hintergrund der Wende des 6./7. Jh.s.

Gregors Werk entstand in seinen Grundzügen bereits vor seinem Pontifikat, während seiner Zeit als Apokrisiar in Konstantinopel (579­585/586), wo er auf Bitten von Mönchen und seines Freundes Leander von Sevilla in Predigten das Buch Hiob auslegte. Nach Rom zurückgekehrt, überarbeitete er diese Homilien bis 591 und publizierte sie als Kommentar.

Zunächst setzt sich G. mit der Forschung zu Gregor d. Gr. auseinander und fordert, ihn stärker als Theologen und Kirchenpolitiker seiner Zeit zu sehen, der besonders auch in den Moralia »die actio als Ausdruck tätiger Nächstenliebe« (9) sieht. Sie will dann mit ihrer Analyse der Moralia in Iob dem Vorwurf entgegentreten, diese seien nur zusammenhanglos aneinandergereihte Texte, die verschiedene Themen willkürlich in Kommentarform pressen.

Prägnant wird zunächst die Entstehungsgeschichte der Moralia nachgezogen, wobei auch die schriftstellerische Praxis der Antike berücksichtigt wird. Sowohl in Konstantinopel als auch in der schriftlichen Form waren die Adressaten der Auslegung nicht einfaches, unerfahrenes Publikum, sondern die »größere Gruppe der kirchlichen praedicatores, unter denen in erster Linie, aber wohl nicht ausschließlich kirchliche Amts- und Funktionsträger vorzustellen sind« (30).

Die These, mit Gregors Aussage, es gebe keinen vor ihm erschienenen Kommentar zum Hiob-Buch, sei nicht gemeint, er sei der Erste, der das Buch kommentiert, sondern er kenne keinen ihm hinreichend erscheinenden Kommentar, versucht G. zu belegen, indem sie die gedanklichen Grundzüge der Hiob-Kommentierung von den frühchristlichen Gemeinden bis zu Caesarius von Arles nachzeichnet. Dabei stellt sie die Schwerpunkte der Hiob-Interpretation heraus: u. a. die Typologie auf Christus, Hiobs Tugenden wie Geduld, Gerechtigkeit und seine Hoffnung. Obwohl Gregor Augustinus¹ Adnotationes in Iob als unzureichenden, nicht vollständigen Kommentar ansah, liegen seine Ausführungen ganz auf dessen Linie. G. kommt bis auf Augustin zu dem Schluss, dass man eine Kenntnis oder Benutzung anderer Hiob-Auslegungen kaum nachweisen kann. Insgesamt verbindet Gregor die verschiedenen Aspekte der Hiobdeutung zwar miteinander, vieles klingt aber mehr nach allgemeinem Gedankengut der spätantiken christlichen Literatur. Vielleicht würde eine stärker philologisch ausgerichtet Untersuchung hier noch genauere Ergebnisse liefern können.

Die Untersuchung des Widmungsbriefes der Moralia zeigt zunächst, dass Gregor mittels seiner Lebensbeschreibungen nicht nur Einblick in seine eigenen Erfahrungen gibt, sondern auch in die Thematik der Moralia in Iob. Bei der Schilderung seiner conversio lehnt er sich zudem an Augustins Confessiones an. Der Schriftinterpretation und damit auch den Moralia in Iob kommt letztlich die Funktion zu, Anleitung zu Umkehr und moralischer Unterweisung in einer Zeit, in der die vollständige Trennung von contemplatio und actio nicht mehr möglich scheint, zu geben. In einem kurzen Abschnitt werden die im Widmungsschreiben erläuterten Modi der Schriftinterpretation dargestellt. Gregor stellt dabei aber die aedificatio seines Publikums in den Vordergrund. Die Grenzen der Allegorese sieht er folglich durch den Rezipienten bestimmt. Er steht somit in der Tradition derer, die sich für die res der Bibel stärker als für ihre verba interessieren, und wird von G. in diesem Sinn von Cassiodor abgegrenzt.

Entsprechend seiner Absage an die ars grammatica befasst sich Gregor in seiner Praefatio lediglich mit dem Verfasser, dem Inhalt und den Typen des Hiob-Buches. »In der Praefatio geht es ihm ausschließlich darum, seine eigene Zugehensweise und seine eigenen Methoden im Hinblick auf die Interpretation dieses Textes darzulegen.« (66) Im Folgenden geht G. entlang der Struktur der Moralia auf Gregors Verständnis der Hiob-Geschichte als Ausdruck der Schöpfungs- und Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen ein. Sie macht deutlich, dass die flagella den eigentlichen Prüfstein für Hiobs Tugenden bilden, indem sie allein dazu dienen, die Macht Gottes zu erweisen, und so Teil des durch die divina providentia getragenen göttlichen Schöpfungs- und Heilsplans sind. Von Au gus tin übernimmt Gregor darüber hinaus die Deutung des totus Christus, die Auslegung auf Christus und seine Kirche. Diese Deutung ist für G. der entscheidende Lektüreschlüssel für die typologisch-allegorische Deutung der Moralia in Iob.

G.s Untersuchungen folgen dann weiter den für die Praefatio der Moralia bereits herausgestellten Grundlinien. Es handelt sich hierbei um eine Präzisierung der Ereignisse auf den heilsgeschichtlichen Kontext und die Zuspitzung auf eine christologisch-ekklesiologische Deutung, die sich besonders an rectores und praedicatores wendet. Sie analysiert das Verhältnis Gott-Mensch angesichts des Sündenfalls und zeigt hier die Nähe zu Augustinus und Weiterentwicklungen auf. Gregors Interesse gilt besonders dem seit dem Sündenfall für den Menschen verborgenen Heilshandeln Gottes als Schöpfer. Flagella Dei und iudicia occulta sind Mittel der Erziehung, um die Sünden zu bekämpfen und den Menschen mit Demut zu erfüllen. Entzogen bleibt dem Menschen auch die göttliche Gnadenwahl, die die Menschheit in corpus Christi und corpus diaboli unterteilt. Im Sinne der göttlichen Fürsorge stehen die praedicatores an der Spitze des in dieser Welt hierarchisch gegliederten corpus Christi und sind verantwortlich für das Heil der Menschen. In die justinianische Zeit gestellt haben sie von der divina dispensatio die Aufgabe der Führung bekommen. Der nächste wichtige Punkt ist die Rolle Christi als Mittler, der das Geschöpf mit dem Schöpfer versöhnen soll. Hier wird die Verknüpfung von Christologie und Ekklesiologie aufgezeigt. Christus und die Kirche als sein Leib werden in der augustinischen Konzeption des totus Christus verbunden. Passion/Erniedrigung und Auferstehung/Erhöhung werden auf diesen totus Christus bezogen. Hiob ist sowohl typos des Inkarnierten als auch der Kirche. G. zeigt auf, wie Gregor die Formulierungen des neochalkedonischen Konzils von der Person Christi »in und aus zwei Naturen« auf das Verhalten und die Aufgaben der praedicatores in dieser Welt überträgt. In der Nachfolge Christi sollen die praedicatores condescensio und mit ihrer Verkündigung dienen. Actio und contemplatio müssen dabei aber immer in Einklang stehen. In Abgrenzung zu den anderen typoi der Hiob-Geschichte wird wiederum die enge Verknüpfung zwischen Christologie und Ekklesiologie deutlich, denn die praedicatores treten so erneut als Vorsteher des corpus Christi hervor. In den Freunden Hiobs sieht Gregor die verschiedenen christologischen Häresien, in Elihu die arroganten praedicatores.

In einer abschließenden prägnanten Zusammenfassung ihrer Erträge belegt G. die zu Anfang aufgestellten Thesen noch einmal (243­255). Außerdem deutet sie die Fortschreibung von Gregors Vorstellungen in der Regula Pastoralis an sowie die Rezeption der Moralia in Iob. Eine umfangreiche Bibliographie stellt Quellen und Literatur, auch der neuesten Zeit, zusammen (257­278). Ein hilfreiches Register (279­298), besonders in Bezug auf die Moralia in Iob-Stellen, rundet das Buch ab.Moralia in Iob Gregors d. Gr. wurde eine hervorragende und anregende Arbeit in die »Studien und Texte zu Antike und Christentum« aufgenommen, die auch stilistisch äußerst angenehm zu lesen ist. Sie bietet eine ausgezeichnete Analyse von Gregors Vorstellungen über den kirchlichen Amtsträger, der in der Situation des ausgehenden 6. Jh.s die vita activa mit der vita contemplativa in der Nachahmung Christi leben soll, und bettet Person und Fragestellung in den Kontext des 6. Jh.s ein. Gerade diese Anschauungen weiß G. in Gregors Hiob-Kommentar aufzudecken.