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Ausgabe:

Februar/2007

Spalte:

141-142

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Kelber, Werner:]

Titel/Untertitel:

Performing the Gospel. Orality, Memory, and Mark. Essays Dedicated to Werner Kelber.

Verlag:

Ed. by R. A. Horsley, J. A. Draper, and J. M. Foley. Minneapolis: Fortress Press 2006. XVI, 239 S. gr.8°. Lw. US$ 35,00. ISBN 0-8006-3828-X.

Rezensent:

Armin D. Baum

Dass die Synoptiker eine komplexe mündliche Vorgeschichte ha ben, gehört zu den Grundannahmen der modernen Evangelienforschung. Umstritten ist, wie man sich diese Vorgeschichte und die Verschriftlichung im Einzelnen vorzustellen hat. Wesentliche Fortschritte sind in den vergangenen Jahrzehnten durch die Einbeziehung von Nachbardisziplinen wie der Mündlichkeits- und der Gedächtnisforschung erzielt worden. Werner H. Kelber, dem dieser Sammelband gewidmet ist, war einer der ersten Neutestamentler, die diesen interdisziplinären Dialog aufgenommen haben. Andere sind ihm gefolgt. Die Herausgeber Horsley und Draper haben in ihrem im Jahr 2000 veröffentlichten Buch Whoever Hears You Hears Me die Quelle Q als »oral composition« interpretiert. Foley ist Gründer und Leiter des Center for Studies in Oral Tradition (www.oral tradition.org). Neben den Herausgebern haben u. a. Jan Assmann (zum kulturellen Gedächtnis), Martin S. Jaffee (zur Mündlichkeit in der rabbinischen Literatur) und Jens Schröter (zum Zusammenhang von Jesustradition und Kanon) Aufsätze beigetragen.

Besonders fruchtbar für die Synoptikerforschung erscheint mir der von Whitney Shiner verfasste Aufsatz (147­165: »Memory Technology and the Composition of Mark«), in dem dieser Ergebnisse seiner 2003 unter dem Titel Proclaiming the Gospel veröffentlichten Monographie zusammengefasst hat. K. hatte 1983 in The Oral and the Written Gospel die These vertreten, das Markusevangelium habe als Gesamtwerk nie in mündlicher Form existiert, sondern sei von Anfang schriftlich komponiert worden. Shiner stellt diese Annahme in Frage. Er findet im Markusevangelium zahlreiche Parallelismen, Dreiergruppen und chiastische Strukturen, aus denen sich in der Summe ein sorgfältiger Gesamtaufriss ergebe: Das aus sieben Teilen bestehende Werk beginnt mit drei Boot-Blöcken (Mk 1,16­3,35; 4,1­34; 4,35­8,21), hat sein Zentrum in den drei Leidensankündigungen (8,22­10,52) und endet mit drei Jerusalem-Blöcken (11,1­12,44; 13,1­36; 14,1­16,8). Derartige Strukturen dienten bereits in der Antike dazu, das Auswendiglernen und mündliche Reproduzieren längerer Texteinheiten zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Das Markusevangelium dürfte folglich, so Shiner, »have been fully composed in the author¹s head before being committed to writing«. Und die relativ geringe Wortlautübereinstimmung zwischen Matthäus und Markus lasse vermuten, dass jener das Markusevangelium auswendig kannte und bei der Abfassung seines Evangeliums aus dem Ge dächtnis reproduzierte.

Sieht man einmal davon ab, dass Shiners Gliederung das Markusevangelium etwas strukturierter und regelmäßiger erscheinen lässt, als es tatsächlich sein dürfte, enthält sein Beitrag mehrere weiterführende Beobachtungen und Argumente, die der mündlichen Vorgeschichte des Evangeliums etwas konkretere Konturen zu geben vermögen. Man wird allerdings fragen müssen, ob Markus in der zu seiner Zeit bereits Jahrzehnte alten mündlichen Jesustradition tatsächlich nur ungeordnete Einzelperikopen vorfand, de nen jeder übergeordnete Zusammenhang fehlte. Ist es historisch naheliegend, dass die Urchristenheit vor Markus ohne einen groben chronologischen Aufriss des öffentlichen Wirkens Jesu (vgl. Apg 10,36­41) ausgekommen ist? Und gibt es Hinweise aus den Nachbardisziplinen, die eine späte Entstehung des narrativen Gesamtrahmens wahrscheinlich erscheinen lassen?

Auch die übrigen der insgesamt zehn Beiträge, die hier nicht weiter vorgestellt werden können, enthalten wertvolle Forschungsergebnisse, sind jedoch nicht aufeinander abgestimmt und beziehen sich nur teilweise ausdrücklich auf das Neue Testament bzw. die synoptischen Evangelien. Dieser Sachverhalt lässt erahnen, dass es noch intensiver Arbeit bedarf, bevor der Ertrag, der sich aus der Gedächtnis- und der Mündlichkeitsforschung ergibt, gezielt und umfassend für die neutestamentliche Exegese erschlossen sein wird.