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Ausgabe:

Februar/2007

Spalte:

135-137

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Forde, Gerhard O.:]

Titel/Untertitel:

By Faith Alone. Essays on Justification in Honor of Gerhard O. Forde.

Verlag:

Ed. by J. A. Burgess and M. Kolden. Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2004. XII, 350 S. m. 1 Porträt. gr.8°. Geb. US$ 45,00. ISBN 0-8028-4136-8.

Rezensent:

Risto Saarinen

Gerhard Forde gehört zu den bekanntesten amerikanischen lutherischen Theologen. Geboren 1927, studierte er u. a. in Harvard und Tübingen. Seit den 1960er Jahren unterrichtet er im Luther Semi nary, St. Paul, Minnesota. Er ist Autor von The Law-Gospel Debate (1969), Theology Is for Proclamation (1990), On Being a Theologian of the Cross (1997) sowie vielen anderen einflussreichen Büchern und Aufsätzen.

In den 1970er und 80er Jahren spielte F. eine leitende Rolle im ökumenischen Dialog zwischen Lutheranern und Katholiken in Amerika. Später stellte er sich kritisch zu der »Gemeinsamen Erklärung über die Rechtfertigungslehre« (1999). Die Festschrift betrachtet zwei große Themen von F.s Lebenswerk: Rechtfertigungslehre und Ökumene. Unter den Autoren sind international bekannte lutherische Theologen sowie viele leitende Katholiken. Auch episkopale Theologen und Vertreter der lutherischen Missouri-Synode haben beigetragen. Die evangelischen Aufsätze repräsentieren unterschiedliche Positionen in Bezug auf katholisch-lutherische Ökumene. Auf diese Weise entsteht eine vielseitige Sammlung, die auf faire und balancierte Weise die theologischen und ökumenischen Probleme der Rechtfertigungslehre behandelt.

In einem einleitenden Artikel (»Examining Sources: Influences on Gerhard Forde¹s Theology«) hebt James Nestingen zwei europäische Theologen hervor, die F.s Ansichten auf besondere Weise beeinflusst haben: den Deutschen Hans Joachim Iwand und den Finnen Lauri Haikola. Im amerikanischen Sammelwerk Christian Dogmatics (Bd. 2, 1984) gebraucht F. Iwands Arbeiten in seiner Darstellung der Rechtfertigungslehre. Überraschend ist dagegen der Einfluss von Haikola, Theologieprofessor in Helsinki von 1958 bis 1978, der kaum reiste und nichts in englischer Sprache verfasste.

Nestingen zeigt, dass Haikolas deutschsprachige historische Arbeiten zu Gesetz und Evangelium wichtige Materialien für F.s eigene Theologie lieferten. Nestingen berichtet im Weiteren, wie er selbst Haikolas Spuren in Helsinki folgte. Mit Recht betont er Haikolas Bedeutung für die heutige finnische Lutherforschung, die allerdings im Bereich der Ökumene zu anderen Schlussfolgerungen als F. gekommen ist.

Der norwegische Pietismus als Hintergrundfaktor von F.s Theologie kommt nur am Rande zum Ausdruck. Als einziger norwegischer Autor untersucht Inge Lönning die Debatte um die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (»Lifting the Condemnations: Does It Make Sense?«). Lönnings kritische Haltung zu dieser Erklärung hat vor allem mit ökumenischer Methodologie zu tun. Er findet Unterscheidungen zwischen »Glaubensinhalt« und »Terminologie« bzw. zwischen »Grundkonsens« und »bleibenden Differenzen« wenig hilfreich. Stattdessen verlangt Lönning nach begrifflicher Nuancierung und Rücksicht auf geschichtliche und kontextuelle Faktoren. Trotz dieser Kritik findet er schließlich, dass man in der heutigen ökumenischen Situation die Rezeption solcher Erklärungen eher fördern als kritisieren soll.

Ein anderer Veteran der katholisch-lutherischen Ökumene, George Lindbeck, kommt zu positiverer Bewertung der ökumenischen Dialoge (»Justification and Atonement: An Ecumenical Trajectory«). Freilich soll bemerkt werden, dass nach Lindbecks ökumenischer Hermeneutik die Dialoge kaum innovativ oder wirklich tiefgehend sein können, weil die Arbeit der Kommissionen notwendigerweise generell bleibt. Wer von der Ökumene neue wissenschaftliche Ergebnisse oder intellektuelle Durchbrüche erwartet, wird enttäuscht bleiben. Auf einleuchtende Weise stellt Lindbeck fest, dass seine positivere Sicht der Dialoge mit den geringeren Erwartungen zu tun hat.

Lindbeck schlägt darüber hinaus vor, nicht nur die subjektive bzw. anthropologische Seite der Rechtfertigung zu diskutieren, sondern auch die objektive Versöhnungslehre thematisch zu untersuchen. Zwar liegen in der Versöhnungslehre keine historischen Lehrverurteilungen vor, aber es wäre für die tatsächliche Einheit der kirchlichen Verkündigung sehr wichtig, gemeinsame Richtlinien einer Theologie der Versöhnung zu entwerfen. Für Lindbeck sind sowohl die anthropozentrische Erörterung der menschlichen Kräfte (subjektive Rechtfertigung) als auch die Opfertheologie des konservativen Christentums (objektive Versöhnung) einseitige Alternativen, die mit Hilfe einer ökumenisch-biblischen Auffassung vom Versöhnungswerk Jesu Christi hoffentlich beseitigt werden können. Zu einer näheren Beschreibung einer solchen Versöhnungslehre kommt Lindbeck allerdings nicht.

Kardinal Avery Dulles (»A Roman Catholic View of Justification in Light of the Dialogues«) stellt neuere katholische Beiträge zur Rechtfertigungslehre dar. In seiner Analyse des Katholischen Katechismus¹ konstatiert er, dass in ihm trotz des Fehlens der forensischen Sprache eine Reihe von ökumenischen Ansatzpunkten sichtbar sind, z. B. was den vorsichtigen Umgang mit den Themen »Verdienst« und »gute Werke« betrifft. Nach Dulles sollen die Lutheraner wenigstens ansatzweise den sog. tertius usus legis bejahen, um mit der katholischen Auffassung vom christlichen Leben fruchtbar im Dialog zu sein.

Interessanterweise nehmen einige lutherische Theologen zum christlichen Leben als Frucht der Rechtfertigung Stellung. Oswald Bayer (»Justification: Basis and Boundary of Theology«) spricht von der ontologischen Bedeutung der Rechtfertigung, bei der eine Befreiung von der Sünde und eine schöpfungsmäßige Offenheit zum Dienst der Nächsten stattfindet. Scott Hendrix (»Open Community: The Ecclesial Reality of Justification«) erläutert lutherische Ekklesiologie als Frucht der Rechtfertigungslehre. Bei der Bestimmung der Kirche hebt er u. a. die Wichtigkeit der Liturgie hervor. In liturgischer Perspektive kann der Christ sehen, dass Rechtfertigung und Ekklesiologie nicht in erster Linie pädagogische Themen sind, sondern gelebte Dimensionen der göttlichen Wirklichkeit.

Andere Autoren der Festschrift sind Marc Kolden, Leif Grane, Klaus Schwarzwäller, Reginald H. Fuller, Jane E. Strohl, Timothy J. Wengert, Robert Kolb, George Tavard, John H. Rodgers, Roy A. Harrisville, C. Fitzsimmons Allison, Vitor Westhelle und Robert Bertram. Sie behandeln zum Teil historische und dogmatische Themen der Rechtfertigungslehre. Es ist aber auffällig, dass praktische Anwendungen der lutherischen Theologie die Autoren auf besondere Weise beschäftigen, wie z. B. »The Eschatological Significance of Justification for Preaching« (Harrisville) oder »Pastoral Care in the Light of Justification by Faith Alone« (Fitzsimmons Allison).

Auf diese Weise entsteht eine vielseitige, aber thematisch kohärente Festschrift. Für einen ökumenisch engagierten Leser ist es besonders erfreulich, dass die verschiedenen Visionen der Einheit sowie die unterschiedlichen Bewertungen der erreichten Ergebnisse umfassend zu Wort kommen. Im Rahmen einer ausgewogenen und interkonfessionellen Sammlung können auch die kritischen Stimmen eine neue Hörerschaft erhalten und so an Glaubwürdigkeit gewinnen.