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Ausgabe:

Januar/2007

Spalte:

107-108

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bettscheider, Heribert [Hrsg.]:

Titel/Untertitel:

Mission in Europa. Überlegungen zu einem aktuellen Thema.

Verlag:

Nettetal: Steyler Verlag 2005. 166 S. m. Abb. gr.8° = Studia Instituti Missiologici Societatis Verbi Divini, 86. Kart. EUR 14,90. ISBN 3-8050-0528-8.

Rezensent:

Klaus Schäfer

»Das Thema ðMissionÐ rückt seit ein paar Jahren immer mehr in das Interesse der Kirchen in Europa«, schreibt H. Bettscheider ganz zu Recht in seiner Einleitung zu dem vom ihm herausgegebenen Band »Mission in Europa«. Belegen ließe sich das leicht durch eine ganze Reihe von Hinweisen aus beinahe allen kirchlichen Traditionen. Das jüngste »Jahrbuch Mission«, herausgegeben vom Evangelischen Missionswerk in Deutschland (EMW) mit dem Titel »Europa. Christen, Kirchen und Missionen« (Hamburg 2006), ist nur ein Beispiel aus der wachsenden Literatur zu diesem Themenbereich.

Was den von H. Bettscheider herausgegebenen Band reizvoll macht, ist der Einblick in die Suchbewegung eines im 19. Jh. entstandenen katholischen Ordens ­ der Societas Verbi Divini oder der Steyler Missionare, wie sie in Deutschland auch heißen ­, der sein besonderes Charisma in der grenzüberschreitenden Mission in anderen Kulturkreisen gesehen hat und der seit den frühen 1990er Jahren zunehmend die Frage stellt, ob und wie er sich auch in der Mission in Europa engagieren sollte. Anders als bei vielen gegenwärtigen Diskursen zur »Mission in Europa« oder zur »Mission in Deutschland«, die wenig auf Erfahrungen in der internationalen Missionsarbeit und der aus interkulturellen Zusammenhängen heraus entwickelten Missionswissenschaft rekurrieren, begegnet einem hier eine gerade von der Weltmission geprägte Erfahrung und von dort herkommende Denkbewegung. Der Studienprozess, den europäische SVDler unter dem Titel »Projekt Europa« begonnen haben, will der Frage nachgehen, was denn Mission in Europa bedeutet und wie ein missionarischer Einsatz der SVD in Europa aussehen könnte.

Die Beiträge des Buches, die einen Einblick in die bisherige Arbeit der Projektgruppe geben, die aus Missionswissenschaftlern und in der Mission engagierten Ordensangehörigen besteht, gliedern sich in zwei Teile. Zunächst geht es um »Grundlegende Aspekte zum Thema ðMission in EuropaЫ. Angesprochen werden hier sehr unterschiedliche Aspekte: eine Erinnerung daran, wie der Ordensgründer Arnold Janssen über »Neu-Heidentum« sprach, eine knappe Auseinandersetzung mit politischen, kulturellen, religiösen Trends in Europa, ein Blick auf die missionstheologischen Überlegungen von Lesslie Newbigin und der von ihm inspirierten »Gospel and Culture«-Bewegung in England, eine Fallstudie zum »Missionsbewusstsein« junger Katholiken in Polen, ein Beitrag über »Mission und Ökumene« und schließlich ein Beitrag zur »Ausbildung von SVD-Ordensmissionaren für Mission in Europa«. Der einleitende, historische Beitrag will zwar zeigen, dass es Ansätze zu einer »Mission in Europa« schon beim Ordensgründer gab, doch war bei Janssen der Missionsbegriff selbst noch deutlich geographisch vom Blick auf die sog. nichtchristliche Welt bestimmt. Wie sehr sich das missionstheologische Denken gewandelt hat, macht dann insbesondere der letzte Beitrag in diesem ersten Teil deutlich. Martin Üffing zeigt anhand katholischer Dokumente den Wandel im Verständnis dessen, was ein »Missionar« ist und was man unter »Mission« zu verstehen hat und gibt im Blick auf die Ausbildung von Missionaren wichtige Hinweise zu dem, was er »missionarische Spiritualität« nennt.

Der zweite Teil bietet unter dem Titel: »Sprechen von Gott im säkularisierten Europa« drei weitere Beiträge ­ einen davon in spanischer Sprache ­, in denen etwa H. Bettscheider die Frage nach der erfahrungsbestimmten Gottesrede und die Dimension des Geheimnisses Gottes in mehr grundsätzlicher Weise aufgreift und K. Neumann als Beispiel für Gottesrede in heutiger Zeit über einen missionarisch orientierten Glaubenskurs im Internet berichtet.

Es liegt wohl in der Natur der bisher von der Projektgruppe geleisteten Arbeit, dass mancher interessante Aspekt in den hier zusammengetragenen Beiträgen nur angerissen wird. Schon die Analyse des europäischen Kontextes, in dem sich oft das Schlagwort von der »Säkularisierung« findet, bedürfte einer noch tieferen Durchdringung. Bemerkenswert ist aber das Bemühen, wichtige Einsichten und auch Begriffe ­ man denke etwa an den Begriff der Inkulturation ­ aus der internationalen missionstheologischen Debatte und die Erfahrungen eines weltweit operierenden Missionsordens für den europäischen Kontext fruchtbar zu machen. Mit diesem Zugang, auf die missionarischen Herausforderungen Europas aus der Perspektive der weltweiten Mission zu reagieren, hängt auch zusammen, dass das Verständnis der Mission, das die Beiträge in der Regel bestimmt, breiter ist, als man es sonst aus kirchlichen Verlautbarungen aus dem deutschen Raum gewohnt ist. Insbesondere im Beitrag von Martin Üffing wird ­ wenn auch hier eher beiläufig­ das Verständnis von Mission skizziert, das offensichtlich für den Missionsorden heute von Bedeutung ist: Mission vollzieht sich danach in einem vierfachen »prophetischen Dialog«: »mit (1) den Menschen, die keiner Glaubensgemeinschaft angehören, und mit denen, die auf der Suche nach dem Glauben sind; (2) den Menschen, die arm und an den Rand gedrängt sind; (3) mit den Menschen verschiedener Kulturen; und (4) mit den Menschen unterschiedlicher Glaubenstraditionen und säkularer Ideologien« (107). Ein solcher »prophetischer Dialog« aber ­ so die Autoren, die hier, ohne es anzumerken, ein wichtiges Stichwort aus der großen, von zwei amerikanischen Missionswissenschaftlern aus SVD-Tradition im Jahre 2004 unter dem Titel: »Constants in Context. A Theology of Mission for Today« vorgelegten missionstheologischen Konzeption aufnehmen ­ kann nur gelingen, wenn er in der lebendigen und offenen Begegnung mit den vielfältigen Menschen Europas gesucht wird.

Das Buch »Mission in Europa« ist nur ein erster Beitrag in einer Reihe von Publikationen, die sich die Projektgruppe für die kommenden Jahre vorgenommen hat. Man wird gespannt sein, ob dieses Projekt dann noch schärfere Konturen zeitigen wird.