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Ausgabe:

Januar/2007

Spalte:

98-100

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Bujo, Bénézet, et Juvénal Ilunga Muya [Éds.]:

Titel/Untertitel:

Théologie africaine au XXIe siècle. Quelques figures.

Verlag:

Vol. II. Fribourg: Academic Press 2005. 267 S. 8°. Kart. EUR 24,80. ISBN 2-8271-0980-8.

Rezensent:

Heinrich Balz

Die »Théologie africaine au XXIe siècle« ist ein offenes, auf mehrere Bände geplantes Unternehmen, dessen erster Band 2002 erschien und, wie der vorliegende zweite, Aufsätze von vorwiegend jüngeren afrikanischen Autoren über jeweils zehn anerkannte Pioniere afrikanischer Theologie, zumeist ihres eigenen Landes und Volkes, enthielt. Die Krise und relative Stagnation, das heißt: Nichterfüllung der hohen Erwartungen, die in den 70er und 80er Jahren an afrikanische Theologie geknüpft wurden, ist dabei, nach der Einleitung des ersten Bandes schon vorausgesetzt und soll eben durch neue und genauere Einlassung mit den Gründervätern, von denen die meisten noch leben, überwunden werden. Das Unternehmen ist, obwohl ökumenisch gemeint, stark katholisch und frankophon bestimmt. Noch genauer ist Zentralafrika, die Demokratische Republik Kongo, Mitte und Ausgangspunkt. Beide Herausgeber, obwohl in Europa lehrend, Bujo in Freiburg (Schweiz) und Ilunga in Rom, kommen von dort; im ersten Band waren fünf der behandelten Theologen Kongolesen, im zweiten sind es immerhin noch drei. Kamerun und Tanzania sind mit je zwei Namen vertreten. Die Anordnung der Beiträge folgt aber nicht dem regionalen Prinzip, sondern dem der Anciennität, dem Geburtsdatum.

Im ersten und insgesamt lebhaftesten Aufsatz setzt sich L. Kagabo mit dem Werk A. Kagames (1912­1981), des berühmten Ruanders auseinander, der, obwohl er sich mehr als Philosoph verstand, eines der Grundprobleme afrikanischer Theologie: den kultlosen Gott der afrikanischen Tradition und sein Schweigen angesichts des Leidens der Menschen notwendig berührte und damit den Späteren als Frage überließ. ­ F. M. Lufuluabo (geb. 1926), ein Franziskaner aus dem Kongo, wird von J. Ilunga auf seine Gedanken zur Trinität befragt: Paternität und Sohnschaft sind unmittelbar afrikanische Themen. ­ M. P. Hebga (geb. 1928), Jesuit aus Kamerun, ist für P. Poucouta der Autor eines seinerzeit revolutionären Buchs: Émancipation des Églises sous tutelle, 1976, und als Theologe lebenslanger Spezialist für den Umgang mit Heilung und mit afrikanischem Hexenwesen. ­ K. A. Dickson (geb. 1929), der einzige Protestant, Methodist aus Ghana wird von J. Edusa-Eyison als »Bibelgelehrter, der den Dialog sucht« gewürdigt, leider ohne auf dessen eigenwillige Exegesen etwa zu Paulus einzugehen. ­ N. H. Mitendo behandelt L. Mpongo (geb. 1931), einen Liturgie- und Ethikexperten aus dem Kongo: Er will nicht die totale Afrikanisierung der christlichen Ehe und weist, statt nur die Verwestlichung zu beklagen, auf, wie das westliche Christentum in früher Zeit vorgegebene Kulturelemente sinnvoll in Gebrauch nahm. ­ P. N. Wachege führt den Tanzanier Ch. Nyamiti (geb. 1931) mit seinem stark systematisch-methodischen Anspruch vor und verteidigt ihn gegen Kritik, freilich ohne auf Nyamitis stark spekulative Ahnenchristologie und Trinitätslehre hinreichend einzugehen. ­ A. Tshibilondi stellt mit M. Tshiamalenga (geb. 1932) einen weiteren Kongolesen vor, der ­ im Gespräch mit den Philosophen der Frankfurter Schule ­ das »Wir« im Dialog gegenüber dem Ich und Du stärkt und im Anschluss an P.Ric¦ur die Symbolik des Bösen als des sozial Zerstörerischen als das für den Kontinent Spezifische aufweist. ­ J. M. Ela (geb. 1936), der weltbekannte katholische Theologe der Befreiung aus Kamerun, wird von B. Bujo gewürdigt und gedeutet, leider ohne Erwähnung von dessen protestantischem Familienhintergrund, der sich in manchen Themen seiner späteren Theologie wieder bemerkbar macht. ­ P. Kanyandogo porträtiert seinen ugandischen Landsmann J. M. Waliggo (geb. 1945) als für die Menschenrechte und für eine gute Verfassung engagierten Theologen, der Kirche in Afrika nach dem Modell des Clans konzipiert. ­ R. Rwiza zeichnet den Weg des Tanzaniers L. Magesa (geb. 1946) nach: wie dieser J. Nyereres politisches Programm in katholische Sozialethik integriert, die traditionale Religion konsequent ethisch befragt und selbst am überkommenen Verhältnis von katholischem Magisterium und kritischer Theologie leidet. ­ In einem Anhang ist aus historischem Interesse die Erklärung der Dritte-Welt-Theologen von Accra 1977 angefügt: Ihre Probleme und Antworten sind überwiegend nicht mehr die der afrikanischen Theologie im beginnenden 21. Jh.

Das bunte Bild frankophoner afrikanischer Theologie bewirkt, dass anglophone und protestantische Theologen trotz Dickson in beiden Bänden nicht zum Zuge kommen. B. E. Idowu und J. S. Mbiti fehlen unter den Pionieren und mit ihnen das berühmte, im Übrigen ökumenische und zweisprachige, Theologentreffen von Ibadan 1966. Manche Problemstellungen, wie die Spannung zwischen Professoren und Bischöfen in Afrika, die der Hauptgrund für die Publikation der Bände in der Schweiz sein dürfte, sind spezifisch katholisch. Der monographisch-porträtierende Ansatz bringt etliche Wiederholungen und einige Monotonie mit sich. Dass überhaupt in afrikanischer Theologie ein geordnetes Gespräch der Jüngeren mit den Älteren beginnt, ist zu begrüßen. Aber es hakt noch an manchen Hindernissen: respektvolle Würdigung und Verteidigung wiegt vor; Konflikte wie der zwischen Befreiung und Inkulturation werden zu früh versöhnt, um die Sache wirklich voranzutreiben. Verschiedentlich wird auf die ehrwürdige afrikanische Tradition des Palavers, wo aller Widerspruch deutlich artikuliert auf den Tisch kommt, verwiesen. Doch eben dieses findet im vorliegenden Band nur zaghaft statt. Vermutlich ist die Zeit noch nicht reif dafür, den anstehenden innerafrikanischen theologischen Streit schon gedruckten Büchern anzuvertrauen. Immerhin deutet sich schon an, worum dieser Streit im 21. Jh. gehen könnte. Insofern ist der vorliegende Band auch für nichtafrikanische Beobachter nützliche, ja notwendige Lektüre.