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Ausgabe:

Januar/2007

Spalte:

77-78

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Müller, Klaus, u. Magnus Striet [Hrsg.]:

Titel/Untertitel:

Dogma und Denkform. Strittiges in der Grundlegung von Offenbarungsbegriff und Gottesgedanke.

Verlag:

Regensburg: Pustet 2005. IX, 216 S. gr.8° = ratio fidei, 25. Kart. EUR 29,90. ISBN 3-7917-1959-9.

Rezensent:

Peter Hofmann

Der Sammelband dokumentiert das Symposion zur Emeritierung des Münsteraner Dogmatikers Thomas Pröpper, wobei der bescheidene Titel täuscht ­ geht es doch um die strittige »Letztbegründung« durch eine der Theologie dienliche »Erstphilosophie«, deren konkurrierende Konzepte neben Pröpper vor allem durch Klaus Müller und Hansjürgen Verweyen vertreten werden. Letzterer eröffnet den ersten Teil (1­43) mit Überlegungen zu »Offenbarungsglaube und Ikonoklasmus« (3­15). Verweyen will von Fichte und vom späten Schelling her das Bildwerden des Absoluten im Menschen »transzendentallogisch« erhellen. Dieser »Ikonoklasmus« des bildwerdenden Gottes zerbreche jedes andere Bild. An dieser »Dekonstruktion des ðDeutschen IdealismusЫ (15) hebt Erwin Dirscherl kritisch den »Stachel der eschatologischen Verifikation der Hoffnung« (17­25, hier 24) hervor, während Georg Essen von Kierkegaard her die wenig klare Rede vom »Ikonoklasmus« auf die kenotische Selbstbegrenzung göttlicher Allmacht hin präzisiert (27­36, hier 35 ff.).

Saskia Wendel ergänzt, von Meister Eckhart her, die Kenose um »die Unzerbrechlichkeit des Bildes im Grund« (37­43, hier 40), das Jesus Christus in moralischer Vollkommenheit als imago Dei sei (42). Der zweite Teil über die Alternative »Denken der Differenz oder Monismus?« (45­129) enthält mehr Sprengstoff, wenn Klaus Müller im Kontext der theologischen Assmann-Rezeption bzw. der pluralistischen Religionentheologie gegen die »mosaische Unterscheidung« von Georgios Gemisthos Plethon über Ficino und Ralph Cudworth den Pantheismusstreit neu aufrollt (47­84). Die monistische Isis-Formel in der Fassung Carl Leonhard Reinholds (»Ich bin alles, was ist, war und seyn wird«, 65) und Kants im Opus postum durchschlagender Spinozismus des transzendentalen Subjekts (besonders 76) klinge noch bei Heine nach (78­80); sie biete sich als Alternative zum Denken der Differenz an (84). Dagegen wendet Michael Bongardt behutsam ein, der zwiefältigen Grunderfahrung von Indifferenz und Differenz entspreche eine Zwiegestalt der Hoffnungen und Grundformen von Religion; ein strenger Monismus entspreche allerdings nicht der biblischen Vorgabe, während umgekehrt ein Verständnis der freien Differenz-Einheit von Gott und Mensch monistische Intentionen aufnehmen könne, ohne der letzten Konsequenz des Monismus zu verfallen (99). Karsten Kreuzer vertieft diese Kritik von Rahner und Pröpper her, indem er Einheit als tragenden Freiheitsgrund von Verschiedenheit expliziert (104­109), während Magnus Striet, der Freiburger Nachfolger Verweyens, wiederum von Kierkegaard her das Dasein-sollen des Menschen als seine »ursprünglichste Entzweiungserfahrung« (111­127, hier 117) betont und auch den späten Kant vom Gottespostulat der freien Vernunft her lesen will (120). Monistisch-spinozistisch sei jedenfalls die »Gratuität der Offenbarung« nicht denkbar (122) und auch nicht die durch Vernunft aufgedeckte Abgründigkeit von Freiheit, und solche begriffliche Allvermittlung übersteige schlicht die Kapazität endlicher Vernunft (127).

Der dritte Teil, ein Workshop über »Zugeordnete Perspektiven« (129­211), vertieft: So erklärt Raimund Litz in seinem »Monismus«-Beitrag, dass weder die Gott-Welt-Differenz aufzuheben noch die »All-Einheit« als Sein oder Prinzip denk- und aussagbar sei (131­139). Frank Meier sieht die Probleme einer »Erstphilosophie« bereits beim späten Schelling, der für seine Vernunftwissenschaft der Offenbarung »bereits ein theoretisches Wissen von Gott und Schöpfung beansprucht, das lediglich zur Erkenntnis der Wirklichkeit Gottes auf die Faktizität des Offenbarungsgeschehens angewiesen« zu sein meint (141­149, hier 148). Bernhard Nitsche trägt Perspektiven einer transzendentalen Pneumatologie in die Dialektik transzendentaler Freisetzung menschlicher Freiheit ein (151­162), Thomas Schärtl sucht nach einer trinitarisch-semiotischen Denkform von Peirce her, deren Verhältnisbestimmungen die Alterität, den wirklichen und nicht nur gedachten Anderen, achten (163­178). Christian Tapp analysiert den inflationär gebrauchten Terminus »Unbedingtheit« (179-188), Elija Timmermann expliziert die latente Ästhetik in Pröppers Symbolbegriff (189­202) und Dirk van de Loo verweist die erstphilosophische Begriffsfrömmigkeit zurück an die praktizierte Frömmigkeit (203­211).

Insgesamt erstaunt es, wie vieldeutig die Grundbegriffe gebraucht und definiert werden (falls überhaupt!), wieviel hochspekulative Dekonstruktionen des Idealismus mit steilen Begründungsansprüchen verknüpft und wie selten diese mit analytischen oder nicht-idealistischen Konzepten vermittelt werden. Andererseits zeigt der Band, wie sehr in der katholischer Systematik (der Standorte Münster und Freiburg) die Einheit der Theologie zu einem Problem geworden ist, das durch erstphilosophische Letztbegründung lösbar sein soll. Was aber wäre dann Offenbarung genau und in welchem Verhältnis stünde sie zu ihrem erstphilosophischen Begriff?