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Ausgabe: | Januar/2007 |
Spalte: | 71-72 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Neuzeit |
Autor/Hrsg.: | Leppin, Volker, u. Ulrich A. |
Titel/Untertitel: | Konfessionsbildung und Konfessionskultur in Siebenbürgen in der Frühen Neuzeit. |
Verlag: | Stuttgart: Steiner 2005. 236 S. gr.8° = Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa, 66. Kart. EUR 36,00. ISBN 3-515-08617-X. |
Rezensent: | Joachim Bahlcke |
Nicht nur in gesellschaftlicher und verfassungsrechtlicher Hinsicht, sondern auch mit Blick auf die religiöse Entwicklung der Gesellschaften und Staaten zwischen Ostsee und Adria lassen sich in Spätmittelalter und Früher Neuzeit markante Gemeinsamkeiten feststellen. Überzeugend hat dies der französische Historiker Jean Bérenger im Jahr 2000 in seiner in Deutschland bisher kaum rezipierten Studie »Tolérance ou paix de religion en Europe centrale (14151792)« aufgezeigt. Zutreffend betont er, dass die Entwicklung konfessioneller Pluralität innerhalb der lateinischen Christenheit und entsprechend die Geschichte toleranter, auf religiöse Koexistenz abzielender Konfliktlösungen nicht erst mit der lutherischen Reformation des 16. Jh.s eingesetzt hätten eine Auffassung, die in der deutschen Geschichtswissenschaft unverändert vorherrscht, wie erst kürzlich die Beiträge zum 450. Jahrestag der Unterzeichnung des Augsburger Religionsfriedens von 1555 zeigten. Auch in späterer Zeit sind Parallelen in der religiösen Entwicklung offenkundig.
Mit Blick auf die frühneuzeitliche Konfessionsmigration lässt sich etwa beobachten, dass alle ostmitteleuropäischen Staaten in unterschiedlichen Phasen sowohl Aufnahme- als auch Herkunftsland waren. Eng mit der politisch-gesellschaftlichen Entwicklung verbunden war wiederum die retardierte Säkularisierung, die eine Ausklammerung und Neutralisierung des Religionsproblems erst vergleichsweise spät möglich machte. Strukturbildend für die Gesamtregion wirkten schließlich auch die zahlreichen Unionen und Unionsversuche zwischen Orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche, die langfristig hohe Bedeutung für die kulturelle und nationale Entwicklung der einzelnen Gruppen gewannen. Alle diese überregionalen Entwicklungen spiegeln sich in der Entwicklung Siebenbürgens wider.
Kann Siebenbürgen insofern, wie es Volker Leppin bereits in der Überschrift seines einleitenden Beitrags thesenhaft formuliert, als »kirchenhistorischer Sonderfall« charakterisiert werden? War es tatsächlich eine »einzigartige Konstellation«, die hier im 16. Jh. das Nebeneinander von lutherischen Deutschen, katholischen, reformierten und unitarischen Ungarn sowie griechisch-orthodoxen Rumänen ermöglichte? Auch in anderen Beiträgen ist wiederholt von »Sonderentwicklungen« in einem Territorium die Rede, das sich im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit »am Rande Mitteleuropas und der damaligen Welt des Abendlands« befunden habe. Die Ergebnisse des Sammelbandes, der Vorträge zweier Tagungen der Sektion Kirchengeschichte des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde in Kronstadt (1999) und Wittenberg (2000) vereint, lassen demgegenüber zu Recht Zweifel an einer derartigen Singularität Siebenbürgens aufkommen. Auch wenn es hier wie andernorts in Ostmitteleuropa keine »Staatskonfessionalisierung« mittel- und westeuropäischen Zuschnitts gab, ja geben konnte, so sind die Grundprobleme, Herausforderungen und Lösungsansätze in jener Phase religiösen Aufbruchs doch vielfach mit der Entwicklung in anderen Ländern vergleichbar. Was Norm ist und was Abweichung, sollte nicht vorschnell postuliert werden.
Die thematische Breite der 18 Beiträge, deren Autoren bedauerlicherweise nicht durch Angabe ihrer Arbeitsorte und Forschungsfelder vorgestellt werden, ist denkbar groß: Der Leser findet Informationen über das Wirken von Humanisten in Siebenbürgen und deren Außenkontakte, den Verlauf der Reformation in einzelnen siebenbürgischen Regionen und Städten, die Aufnahme der neuen reformatorischen Strömungen bei den verschiedenen ethnischen Gruppen (kaum etwas dagegen über die katholische Konfessionskultur), er erfährt viel über Druckorte und Buchdrucker, die »Geistliche Universität« der Sächsischen Kirchengemeinden und das Verhalten der Eliten. Dass sich aus den einzelnen, mehrheitlich durchaus gelehrten Abhandlungen gleichwohl kein rechtes Gesamtbild ergibt, hängt auch mit begrifflichen Unschärfen zusammen. Im Gegensatz zum Namen der Tagung selbst wurde bei dem Sammelband auf den Begriff »Konfessionalisierung« im Titel verzichtet und stattdessen dem von Thomas Kaufmann geprägten Terminus der »Konfessionskultur« der Vorzug gegeben in vielen Aufsätzen dagegen ist unverändert der ältere Leitbegriff enthalten im Titel, vor allem aber in der Gedankenführung , auch bei Autoren aus Südosteuropa, die nicht mit den langjährigen Debatten und Auseinandersetzungen um das »Konfessionalisierungsparadigma« vertraut sind. Eine eigentliche Zusammenfassung, in der diese und andere Probleme hätten aufgefangen werden können, gibt es nicht.
Hinzu kommen technische Mängel, die man irritiert zur Kenntnis nimmt, weil man sie weder der Schriftenreihe »Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa« noch dem namhaften Verlag zugetraut hätte: Im Text findet der Leser beispielsweise eine Unmenge von Abkürzungen ein Abkürzungsverzeichnis aber fehlt. Wem wiederum soll die lückenhafte und überdies völlig willkürlich zusammengestellte »Literaturauswahl zur Konfessionengeschichte Siebenbürgens« nutzen? Und dass Bücher zum östlichen Europa einer sorgfältigen Ortsnamenkonkordanz bedürfen, sollte eigentlich selbstverständlich sein.