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Ausgabe:

Januar/2007

Spalte:

49-51

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Borchert, Sabine:

Titel/Untertitel:

Herzog Otto von Northeim (um 1025­1083). Reichspolitik und personelles Umfeld.

Verlag:

Hannover: Hahnsche Buchhandlung 2005. 263 S. gr.8° = Veröffentlichungen des Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, 227. Geb. EUR 29,00. ISBN 3-7752-6027-7.

Rezensent:

Gert Haendler

Die in Leipzig 2003 am Historischen Seminar der Fakultät für Geschichte, Kunst und Orientwissenschaften verteidigte Dissertation gilt Otto von Northeim, der 1057­1083 zu jenen Fürsten gehörte, die mehr Mitsprache bei der Regierung des deutschen Reiches anstrebten. Es geht um Machtpolitik: Otto hat sich in Ungarn engagiert, er ist mehrfach für Heinrich IV. nach Italien gereist, er hat die Elbslawen nach deren Aufstand 1066 bekämpft. Nach einer Verurteilung 1070 söhnte er sich mit dem König aus. 1073 schloss er sich dem Aufstand der Sachsen an, 1075 wechselte er noch mal die Partei und kämpfte zuletzt doch wieder gegen Heinrich IV. in Verbindung mit den Gegenkönigen. Wir sehen die Epoche von regionalen Gesichtspunkten nördlich der Alpen her.

Das Buch ist solide aus Quellen erarbeitet und verwertet neuere Literatur. Die Vfn. nennt aber auch ältere Auffassungen, die 1890­1900 Meyer von Knonau in den Jahrbüchern des Deutschen Reiches oder Giesebrecht in der »Geschichte der deutschen Kaiserzeit« vertreten hatten. Im Literaturverzeichnis fehlen die Lehrbücher der Kirchengeschichte: Handbuch der Kirchengeschichte III/1 (Freiburg 1966), Die Kirche in ihrer Geschichte F 1 (Göttingen 1988) sowie Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen I/9 (Leipzig 1993). Die Ereignisse beruhen jedoch durchweg auf kirchengeschichtlichen Voraussetzungen. Das gilt gleich für die drei in Kapitel 2 vorgestellten Quellen: die Annalen des Mönchs Lampert von Hersfeld, die Annalen der Reichsabtei Niederaltaich und das Buch »Bellum Saxonium« des Klerikers Bruno (14­17).

Wahrscheinlich im Winter 1057/58 wurde Otto »im Gefolge des Mainzer Erzbischofs in die Hofgesellschaft eingeführt« (39). Kaiserin Agnes ernannte ihn wohl Anfang 1061 zum Herzog von Bayern. Otto war 1062 in Kaiserswerth dabei, wo eine Gruppe von Fürsten den 12-jährigen König Heinrich in ihre Gewalt brachte. Erzbischof Anno von Köln erlangte »die Erziehung des jungen Königs und damit letztlich die Ausführung sämtlicher Reichsgeschäfte« (46). Seit 1063 kam der Bremer Erzbischof Adalbert zum Zuge. Otto und Adalbert wurden »alleinige Inhaber der Hofverwaltung« (56). 1064 stand Otto an Annos Seite auf einer Synode von Mantua zur Bestätigung der Wahl des Papstes Alexander II. Der Gegenpapst Cadulus-Honorius hatte wohl Hilfe vom Bremer Erzbischof erhofft. Bei der Verschwörung gegen Anno gewannen »in erster Linie Adalbert von Bremen und Siegfried von Mainz an Bedeutung« (59). Eine »Hofpartei« wurde primär »von Adalbert und Otto gebildet« (61). Adalbert wurde zeitweise »zum alleinigen Berater des Königs« (67). Otto konnte zuletzt die Politik des Bremer Erzbischofs »unmöglich befürworten« (68). 1065 sollte Otto im Auftrag des Königs in Italien mit Papst Alexander II. verhandeln. Anno von Köln war misstrauisch gegen Otto, Erzbischof Siegfried von Mainz dagegen hoffte auf Ottos Fürsprache beim Papst (70). Nach der Heimkehr aus Italien kam Otto 1068 an die Nordostgrenze, wo »diejenigen obotritischen Kräfte die Oberhand zu gewinnen suchten, die sich bislang den Christianisierungstendenzen, die von der Gottschalk-Sippe ausgegangen waren, erfolgreich widersetzt hatten« (78). Es folgte eine gezielte »Aktion gegen die sich seit den Ereignissen von 1066 wieder bedrohlich gebärdenden obotritischen Gewalten« (81). Im Jahre 1070 wurde Otto auf einem Hoftag schwer beschuldigt, König Heinrich IV. entzog ihm das Herzogtum Bayern. Die Sache wurde 1071 beigelegt: »Dank der Fürsprache des Bremer Erzbischofs konnte der Northeimer die Gnade des Königs zurück erlangen« (102). Der Tod Adalberts von Bremen 1072 brachte neue Verwüstungen durch die Elbslawen (113).

Nach dem Aufstand der Sachsen 1073 gehörte Bischof Burchard von Halberstadt »zu denjenigen Sachsen, die eine friedliche Verständigung erhofften. Noch im Herbst 1074 war er von Gregor VII. wegen seiner Treue zur römischen Kirche gelobt worden. Offenbar hatte Burchard sich mit Bedauern darüber geäußert, dass die päpstlichen Legaten im Reich nicht die Aufnahme und das Gehör fanden, wie es sich Gregor wünschte« (123 f.). Dagegen gehörte Erzbischof Liemar von Bremen zur königlichen Partei, auch die Erzbischöfe von Mainz und Salzburg sowie die Bischöfe von Augsburg und Würzburg rieten den Sachsen zur Unterwerfung (129). 1076 hat Burchard das Absageschreiben der deutschen Bischöfe an Gregor VII. mit unterschrieben (135). Schuld daran war ein Brief Gregors: Burchard wird nur »als Erfüllungsgehilfe der kirchenpolitischen Ziele des Papstes angesprochen. Weder würdigt Gregor den Adressaten, wie noch im Oktober 1074, als treuen Bündnispartner, noch nimmt er in irgendeiner Weise Rücksicht darauf, dass sich Burchard in einer schwierigen Phase der sächsisch-königlichen Auseinandersetzung befindet« (135). Auch dem Erzbischof Siegfried von Mainz schrieb Papst Gregor VII., »daß die Befolgung seiner Anweisungen erste Bischofspflicht sei«. Die deutschen Bischöfe waren »von Gregors autoritären Methoden im Umgang mit dem Episkopat« wenig erbaut (135).

Nach der Sicht des Buches soll für König Heinrich IV. der bekannte Konflikt mit Papst Gregor VII. weniger Bedeutung gehabt haben als sein »sich schon über Jahre hinziehendes Missverhältnis zu den Fürsten« (144). Otto wollte nicht »nur der Befehlsempfänger des Königs sein, ähnlich wie es einige Bischöfe verschmäht hatten, sich als Gutsverwalter des Papstes zu begreifen« (145). Aber auch der Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden hatte mit dem Papst Probleme: Bei seiner Wahl waren päpstliche Legaten dabei, die Details kritisierten (147). Im ersten sächsischen Brief an Gregor VII. wird das rudolfinische Königtum als Last bezeichnet, »die man nur aufgrund des Papstes auf sich genommen habe«. Man erhoffte ein päpstliches Machtwort für Rudolf. Ohne Gregors Hilfe musste die machtpolitische Situation Rudolfs ziemlich aussichtslos erscheinen (148). Aber sowohl König Heinrich IV. wie auch der Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden waren gegen »eine Beratung, wie sie Gregor VII. forderte, bei der in Gegenwart des Papstes bzw. seiner Legaten über die Kandidatenfrage entschieden werden sollte« (149).

Die Bischöfe gingen eigene Wege: Benno von Osnabrück stand zu Heinrich IV., seine Gegner hofften auf Rudolf und trafen sich 1077 in Corvey: Hezilo von Hildesheim, Albero von Würzburg und Eilbert von Minden (151). Heinrich IV. hatte 1076 Bischof Poppo von Paderborn eingesetzt, der aber »wohl bald nach Rudolfs Einzug in Sachsen dessen Partei ergriff«. Dabei hatte Bischof Altmann von Passau mitgewirkt (152). Papst Gregor nahm erst im Februar 1080 für Rudolf Stellung, aber sein Spruch bewirkte das Gegenteil: »Dieser Ungehorsam des größten Teils des Reichsepiskopats gegenüber dem Papst sollte Heinrich IV. auf Dauer den Sieg in die Hände spielen«. Gregor VII. sah sich als Spitze einer Hierarchie, »deren Zusammenhalt im wesentlichen dem Gehorsamsprinzip verpflichtet war« (159). Das war freilich weithin Wunschdenken. Die Brixener Synode wählte einen Gegenpapst. Die »Unterstützung, die Heinrich IV. hier zuteil wurde, wird ihn nicht wenig in dem Glauben bestärkt haben, sich nun auch seines Konkurrenten um den Königsthron in naher Zukunft entledigen zu können« (159). Er wollte 1081 nach Italien ziehen, um den gewählten Gegenpapst zu installieren. Otto von Northeim lehnte das Unternehmen ab, weil dies »nur dazu dienen sollte, ihr Haupt, also den Papst Gregor VII., zu mißhandeln«. Natürlich ging es Otto nur vordergründig um Gregor VII. Otto wollte wohl für sich ein auf Sachsen begrenztes Königtum, für das er die »päpstliche Legitimierung durch Gregor VII. anstrebte« (165).

Am Ende seines Lebens erkennt man bei Otto »die Sorge um das eigene Seelenheil und das seiner Familie. Hierher gehören bereits Bemühungen um das Stift Hasungen« (228). Otto kannte Anhänger der Kirchenreform, aber ein Zusammenhang seiner Stiftertätigkeit mit Reformanliegen ist nicht erwiesen (229). Eine Würdigung »muß in erster Linie den pragmatischen Politiker herausstellen«. Ottos Stiftungen liegen im Rahmen der damals üblichen Memorialkultur und sind »Ausdruck seiner persönlichen Frömmigkeit« (230).

Die gründliche Quellenarbeit bietet von der Biographie Ottos her neue Einblicke in bekannte kirchengeschichtliche Ereignisse. Das Stichwort Canossa kommt nur ganz am Rande vor. Insbesondere für Niedersachsen und Bayern bringt das Buch neue Einsichten, die ein aufmerksames Interesse verdienen.