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Ausgabe:

März/1998

Spalte:

245–247

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Reiterer, Friedrich V.

Titel/Untertitel:

Freundschaft bei Ben Sira. Beiträge des Symposions zu Ben Sira Salzburg 1995.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 1996. VIII, 265 S. gr.8° = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 244. Lw. DM 158,­. ISBN 3-11-015261-4.

Rezensent:

Martin Meiser

Der hier anzuzeigende Band vereinigt im Wesentlichen die Vorträge anläßlich des ersten Symposions zu Ben Sira in Salzburg vom Juni 1995; zu den einzelexegetischen Beiträgen über Sir 6,1-17 (Beentjes); 12,8-12 (Schrader); 19,6-19 (Kieweler); 22,19-26 (Marböck); 27,16-21 (Kaiser); 37,1-6 (Sauer); 25,1-11 (Reiterer) tritt eine thematische Studie über "Scham im Zusammenhang mit Freundschaft" von Ingrid Krammer und eine philologische Untersuchung zum Gebrauch der Wurzel tmm in den Büchern Hiob und Sirach von Renate Egger-Wenzel.

Nach C. Beentjes’ Prolegomena zu Sir 6,5-17 ist in V. 5b schwlj statt schw’lj zu lesen, in V. 13a zweimal ’hwb, in V. 16a crwr ("Beutel"); in V. 17a stand ursprünglich ’l jjschr ’hbtw. In V. 6a übersetzt er jr’ ’nschw mit: "die Männer, denen du Frieden wünschst", in V. 8a kpj ct neutral als "der Zeit entsprechend". 1Sam 25 ist nicht bewußt rezipiert (gegen Krinetzki); auch liegt keine Parallele zu Texten aus Theognis vor (gegen Sanders; vgl. Beentjes’ Dissertation).

L. Schrader versteht Sir 12,8-9.10-12 als zwei ursprünglich selbständige, nach-siracidisch vereinigte (vgl. Sanders’ Dissertation) und durch V. 6 theologisch gerahmte Sirach-Worte. Der ’whb von V 8 und der rjc von V. 9 sind identisch (gegen Smend). chl’ in V. 10 heißt wohl "rosten" (mit Schilling), jr’c Hitp. in V. 11 "sich stellen als ob". In V. 11b ist an rzc(Geheimnis) statt der Konjektur r’j (Spiegel) festzuhalten, ebenso an der Lesart kn’h statt chl’h, und so besagen V. 10-12: Man soll sich gegenüber dem Konkurrenten mit Mißtrauen, kluger Verstellung und Distanz behaupten. Diese Mißtrauensethik ist nicht bedingt durch die innerjüdischen Parteienkämpfe (35; vorsichtiger 55), sondern durch den "mit Unsicherheit gepaarten Individualismus, der sich aus dem Lebensgefühl der hellenistischen Zeit speist" (35).

H. V. Kieweler zieht zu seiner textkritisch gründlichen Interpretation der nur griechisch erhaltenen Perikope Sir 19,6-19 in breitem Umfang die Rückübersetzung ins Hebräische durch Moshe Zwi Segal heran (M. Z. Segal, tpr bn tjr’ hschlm, 3. Aufl. Jerusalem 1972), die immerhin "das mögliche Umfeld des fehlenden Textes aufzuzeigen" vermag (64). "In den Auseinandersetzungen der hellenistischen Epoche" (84) soll der Weise zurechtweisend und schlichtend die Eskalation der Streitigkeiten innerhalb der Volksgemeinschaft vermeiden helfen.

J. Marböck exegesiert Sir 22,19-26 unter strikter Differenzierung der hermeneutisch als "erste und gewichtigste Interpretation und z.T. auch Kommentierung" (88) verstandenen griechischen, syrischen und lateinischen Übersetzungen. Die Perikope, unter das Motto "Gefährdung und Bewährung" von Freundschaft gestellt, läßt aufs Neue die schon im Buch Kohelet thematisierte "Erfahrung der Vereinzelung des Menschen" (98) in der Ptolemäerzeit erkennen.

O. Kaiser zeigt anhand der Divergenzen zwischen hebräischem und griechischem Text von Sir 27,16, daß auch für den uns nur griechisch erhaltenen Teil Sir 27,17-21 nicht einfach durch Rückübersetzung auf den hebräischen Urtext geschlossen werden darf, zumal die trikolische Struktur von Sir 27,17.21 LXX durch den Vergleich mit der syrischen Version als sekundär erwiesen wird; die Herkunft der Grundgedanken von Sir 27,16-21 aus Spr 17,9; 11,13 berechtigt jedoch zu der Vermutung, "daß der Enkel die Botschaft Ben Siras auch dann bewahrt hat, wenn er die Form ... verändert hat" (119).

Für G. Sauer ist der nach der hebräischen Handschrift D kommentierte Abschnitt Sir 37,1-6 terminologisch durch 1Sam 20 beeinflußt. Sir 37,3 will dem Freund, der sich zum Feind entwickeln könnte, verwehren, sich "durch den Hinweis auf seine so ihm gegebene Natur" (128) zu entschuldigen, und ihn "auf seine Eigenverantwortlichkeit hinweisen" (126).

F. V. Reiterer verdeutlicht zu Sir 25,1-11 (Text auch in V. 8 nach G; V. 9a nach der syrischen Version) die poetische Durchgestaltung (V. 3 fällt heraus; hier könnte ein selbständiger Weisheitsspruch vorliegen, 141) und erarbeitet den Sprachgebrauch der einschlägigen Terminologie im ganzen Sirachbuch und z.T. darüber hinaus.

Nach I. Krammer ist Scham kein Verhältnisbegriff (Klopfenstein) oder Desintegrationsbegriff (Wagner), sondern "Regulator menschlichen Verhaltens" (177), dieses durch die Aussicht auf unliebsame Situationen steuernd. Rechte Scham verhindert, fehlende oder falsche Scham fördert Handlungen, die persönliche Beziehungen beeinträchtigen oder zerstören.

Die Wurzel tmm gibt nach R. Egger-Wenzel gelegentlich ohne Wertung "eine gewisse Anzahl, Menge oder Begrenzung" (231) wieder, andernorts bedeutet sie "Rechtschaffenheit" als innere Beschaffenheit eines Menschen, wobei zwischen dem Bezug auf konkrete Menschen und der allgemeinen Verwendung unterschieden werden muß.

Für die weitere Bearbeitung der behandelten Texte und Themen ist der lesenswerte Band in jedem Fall von Bedeutung.

Druckversehen und Corrigenda: Inhaltsverzeichnis: S. VII: ... Sir 6,5-1712; Überschriftenzeile zu Pancratius C. Beentjes: Handohne"; S. 71 statt omittit: omittunt, Z. 6 statt transponit: transponunt.