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Ausgabe:

Januar/2007

Spalte:

23-24

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Meisig, Konrad [Hrsg.]:

Titel/Untertitel:

Chinesische Religion und Philosophie. Konfuzianismus ­ Mohismus ­ Daoismus ­ Buddhismus. Grundlagen und Einblicke.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz 2005. VIII, 188 S. gr.8° = East Asia Intercultural Studies. Interkulturelle Ostasienstudien, 1. Geb. EUR 48,00. ISBN 3-447-05203-1.

Rezensent:

Winfried Glüer

Die Vision des Herausgebers von einer »ganz neuen Weltdisziplin« begleitet den Band. Sie bringt die Erwartung zum Ausdruck, dass die asiatischen philosophischen und religiösen Traditionen ebenbürtig mit der abendländischen Religions- und Philosophiegeschichte angesehen werden. Die hier gebotenen Aufsätze führen mit gründlichen Einzeluntersuchungen in die chinesische Geistes- und Religionsgeschichte ein.

Meisig stellt Die Ethik des Konfuzius auf Grund der Gespräche des Konfuzius (Lunyu) dar. Weit verstreute, assoziativ aneinandergereihte Äußerungen werden übersichtlich geordnet. Sie formen sich zu einer auf die Praxis ausgerichteten Lebensphilosophie. Ein metaphysisches Weltbild gibt den Rahmen, in dem Himmel und Mensch die beiden Pole bilden. Gedanken, Worte und Taten in weltzugewandter Einheit bestimmen das Miteinander der Menschen. Die Ethik des Konfuzius hat politische Dimensionen und ist kollektiv, anders als die Individualethik des Buddha. Die Grundzüge des über Jahrhunderte hin weiter entwickelten »Konfuzianismus« werden hier anschaulich vorgestellt.

Eine umfassende Einführung in ein bei Laien vermutlich weniger bekanntes Thema gibt Reinhard Emmerich: Religiöse Einstellung der Mohisten. Modi (Mozi oder Meister Mo) gehörte offensichtlich der Unterschicht an. Seine Lehre war im 4. und 3. Jh. v. Chr. in mohistischen Gemeinden weiter verbreitet. Sie verlor danach an Bedeutung und wurde über viele Jahrhunderte hin vergessen. Mo wendet sich gegen Krieg und betont Recht und Ordnung als Grundlage für die Mehrung allgemeinen Wohlstandes. Seine rigorosen ethischen Forderungen von Solidarität und allgemeiner Menschenliebe entsprechen dem Willen des Himmels. Die mohistische Lehre wurde schon im Altertum bekämpft, doch mögen manche ihrer Elemente in der späteren konfuzianischen Welt aufgegangen sein.

Helwig Schmidt-Glintzer stellt in seinem Beitrag Zhuangzi und sein daoistischer Relativismus Grundzüge des Daoismus vor. Für Laozi und Zhuangzi gilt die Einsicht, dass der Mensch sich vom Dao entfernt hat und aus der Weltordnung ausgetreten ist. Sie muss in der Versöhnung mit dem Himmel und der Natur wiederhergestellt werden. Unter dem Stichwort des »daoistischen Relativismus« werden die grundlegenden Ideale der Natürlichkeit, des Nicht-Handelns, der mystischen Vereinigung mit der Welt und kultur- und sozialkritische Elemente bei Zhuangzi sowie im späteren pilosophischen Daoismus in einer überzeugenden Gesamtsicht behandelt. Ergänzend geht Volker Olles den bekannten Gegenüberstellungen von Laozi und Konfuzius im Werk des Zhuangzi nach. Textkritische Erkenntnisse der letzten 50 Jahre stellen diese für Konfuzius zumeist peinlichen Metamorphosen des Kongzi in neues Licht. Die Bestreitung der Echtheit von Teilen des Zhuangzi erfolgte schon früh, teilweise bereits in der Song-Dynastie.

Florian C. Reiter stellt dem philosophischen Daoismus in seinem Beitrag Der Daoistische Priester. Selbstverständnis und Anspruch den religiösen Daoismus gegenüber. Am Begriff des Priesters, der das große Dao innerlich realisiert und im Ritus und anderen Funktionen verwirklicht, zeigt sich die Kraft dieser bis heute weit im chinesischen Volk verbreiteten Tradition. Zum Buddhismus untersucht Konrad Meisig frühe chinesische Hinayana-Texte und fordert eine Korrektur des gängigen Bildes von der Frühzeit des Buddhismus in China. Bislang fanden unter dem Einfluss der späteren Mahayana-Tradition diese Texte nur wenig Beachtung. Zum Thema Buddhismus finden sich in dem Band zwei Beiträge von Marion Meisig. Hans Kühner untersucht unter dem Gesichtspunkt religiöser Toleranz die Unterdrückung der Taigu-Schule/Sekte am Ende des 19. Jh.s. Aus dem zur Diskussion stehenden Einzelfall von Machtmissbrauch örtlicher Behörden lässt sich zwar keine allgemeingültige Antwort gewinnen. Doch dürfte gerade die Beurteilung dieser Vorkommnisse die Einsicht bestätigen, dass viele Fälle gegenwärtiger Einschränkung und Unterdrückung religiöser Freiheit in der VR China auf Übereifer von Lokalbehörden angesichts geltender ideologischer Tendenzen zurückzuführen sind.

Die Aufsätze gehen auf eine in Mainz gehaltene Ringvorlesung zurück. Der schöne Sammelband bietet grundsätzliche Einblicke. Sie sind nicht nur für Sinologen und Religionswissenschaftler wichtig. Dem Wunsch des Herausgebers, dass seine Vision einer Kenntnisnahme und Anerkennung dieser großen asiatischen Traditionen bei uns endlich realisiert wird, sei hier beigepflichtet.