Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Dezember/2006

Spalte:

1329–1331

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Striet, Magnus [Hrsg.]:

Titel/Untertitel:

Monotheismus Israels und christlicher Trinitätsglaube.

Verlag:

Hrsg. unter Mitarbeit v. E. Dirscherl, G. Essen, O. Fuchs, H. Hoping, B. Nitsche, J.-H. Tück, J. Werbick u. J. Wohlmuth. Freiburg-Basel-Wien: Herder 2004. 295 S. 8° = Quaestiones disputatae, 210. Kart. Euro 26,00. ISBN 3-451-02210-9.

Rezensent:

Heinrich Assel

Monotheismus Israels und christlicher Trinitätsglaube, unvereinbar und wahrheitsverwandt, stellen der Trinitätslehre christlicher Provenienz die Aporie, »ob das jeweilige Verstehen des Š in der Geschichte Jesu endgültig offenbar gewordenen trinitarischen Gottes sich noch in der Kontinuität des Glaubens Israels bewegt« (Striet, 8). Der Band versammelt einen aktuellen, zwar nicht repräsentativen, doch positionell aufschlussreichen Querschnitt von Beiträgen zur laufenden innerkatholischen, trinitarischen Debatte (s. die Kontroverse in HerKorr 2002).

Diskutiert werden 1. sachgerechte bzw. reduktive Problematisierungen der genannten Aporie. Das Spektrum der Probleme reicht vom methodischen Ansatz der Trinitätslehre als Selbstoffenbarungstheologie und der Ablösung genetischer Konstitutionsmodelle durch freiheitstheoretische communio-Modelle über christologische und trinitarische Personbegriffe bis zur Kritik des Monotheismus-Begriffs als politische Theologie und der trinitarischen Theorie als defizitärer Theodizee. Trinitarische Konzeptualisierungen zeigen 2. M. Striet und J. Wohlmuth.

1. E. Dirscherl (11­32) prinzipalisiert Alterität christologisch: Der »Andere steht an der Stelle Jesu Christi. Und wir stehen an der Stelle Jesu Christi, wenn wir uns durch den Anderen Š herausfordern lassen Š« (27). Dies stehe »jüdisch wie christlich im Zentrum Š Der Andere wird zum Ausgangspunkt der Gottrede« (31). J.-H. Tück (199­235) verteidigt die trinitarische Kreuzestheologie von Balthasars mit bekannten analogietheoretischen Argumenten (224­231) gegen Metz¹ Kritik an der Aufhebung des Leidens in den Gottesbegriff (206­209). G. Essen (236­270) widmet sich notwendigen Distinktionen im Begriff des Monotheismus (236) in Analysen zu E. Petersons Monotheismus-Traktat und zum Begriff ðkonkreter MonotheismusÐ (J. E. Kuhn, 1857, 236­252). Die repräsentationstheoretisch ausgelegte Reich-Gottes-Botschaft Jesu (263­267) soll den Ansatz für einen ethisch-monotheistischen Rahmen-Begriff der eschatologischen Monarchie des Vaters bilden, der politisch-theologisch nicht missbrauchbar sei (267­270, vgl. 246­252). J. Werbick (70­92) argumentiert gegen innerkatholische Kritik für die moderne Gestalt trinitarisch-christologischer Selbstoffenbarung Gottes als Summe des Evangeliums (86). Seine Auseinandersetzung mit E. Levinas (82­86) reduziert allerdings dessen namenstheologische Figur der ðVerunendlichung des UnendlichenÐ Gottes auf einen recht pauschalen Begriff negativer Theologie, der die verschiedenen Versionen und Funktionen negativer Theologien unberücksichtigt lässt. Wäre nicht Einzigkeit des trinitarischen Gottes, dieses Wirklichwerden der Erwählung im Menschensohn und Geist (97), so zu denken, dass die Denkform dem nicht-begrifflichen Reden vom Singulären und also diesem Wirklichwerden folgt? Die Differenz begrifflich-propositionaler und grammatischer bzw. sprachphänomenologischer Denkform des Einzigen (I. U. Dalferth, F. Rosenzweig) bleibt unthematisiert. B. Nitsche fragt nach Diskontinuität und Kontinuität zwischen der jüdisch-alttestamentlichen und der christlich-trinitarischen Gottrede (93­127). Hermeneutisch konzentriert er sich auf die pragmatische Wirkmitte der in beiden Testamenten bezeugten Korrelation von JHWH und Israel/Jesus als ruach/sophia/logos. Sind diese als »ðHypostasenÐ oder (nur) als ðPersonalisierungenÐ Jhwhs anzusehen«? Eine Analyse der Grammatik des kausativen Denkens (114­118) führt recht unvermittelt auf die subjektivitäts- und freiheitstheologische These: »Der Heilige Geist ist danach transzendentale Vorgabe, permanente Sanktifikation der menschlichen Freiheit im Modus des freien, formellen und noumenalen Angebots an menschliche Freiheit.« (118) Unvermittelt ist auch der Vorschlag, Trinität in ðschwachenÐ (wohl: dynamistisch-apersonalen) ðKategorienÐ (119­124) zum Zwecke interreligiösen Dialogs und ðTrinität in starken KategorienÐ (124­127) zum Zwecke innerchristlicher Ökumene zu unterscheiden, in welcher der Geist als »konstitutionslogische Vor-Gabe« (118), als »Personalität und Kommunikation eröffnend« (125) unter dem »konstitutionslogischen Primat des Vaters« (126) stehe.

2. J. Wohlmuth (33­69) bearbeitet die eingangs genannte Aporie, indem er die Monarchie des Vaters mit Derrida und Levinas negativ-theologisch bestimmt. ðHauchung des GeistesÐ und ðGeburt des SohnesÐ seien als im Nach-außen-Treten abgründige, ortlose Ursprünglichkeit des Vaters zu denken. Sie »offenbaren das abgründige Mysterium des ursprunglosen Ursprungs (ðVaterÐ) Š Die Rede von der ðimmanenten TrinitätÐ will nichts anderes besagen, als dass die heilsgeschichtlichen Offenbarungsgestalten beanspruchen, eschatologisch wahr zu sein« (43, Original kursiv). Es sei »der ðOrthaftigkeitÐ der Gestalt Jesu Christi und der Gabe seines Geistes Š die ðOrtlosigkeitÐ des ursprunglosen Ursprungs der ersten Hypostase entgegenzustellen« (65). Die christologische Begründung dieser These (43­56) bestimmt Rahners chalcedonensischen Personbegriff (43­48) mit dem Levinasschen Theorem der Rekurrenz fort als »absolut einziges und unvergleichliches Ereignis« (50) von Passivität und Alterität, so dass der Tod Jesu zur Selbstentäußerung des Vaters wird: Es könne »Jesu leibhaftiges Menschsein als ðTranssubstantiation des Schöpfers in das GeschöpfÐ zur Offenbarung des ur sprunglosen Ursprungs werden, der sich Š uns im Wort ðzu unserem HeilÐ zuwendet« (55). »Dann nimmt die Niedrigkeitsgestalt der Wahrheit die leibhaftige Gestalt der Agape an, die schließlich den Tod gibt.« (56) Trinität wird als Grenze gedacht, und zwar im Vater als dem ortlosen Ursprung. Sie ist Grund der Bestimmtheit christlicher Gottrede, der im Vollzug christlicher Existenz (in Gebet, Sakrament, Verantwortung des Lebens, 43) als Grenze zu bewähren ist. Gottes Wahrheit halte so den »Wahrheitsdiskurs Š auf das Eschaton offen« (69) ­ eine These, die zu entfalten wäre. Als Frage bleibt: Können negativ-theologische Figuren jüdischer Philosophie direkt in christliche Trinitätslehre eingezeichnet werden? Oder ist metatheoretisch zwischen den Funktionen von Trinitätslehre und negativer Theologie schärfer zu differenzieren?

M. Striet (155­198) skizziert, im Gefolge W. Pannenbergs und Th. Pröppers, eine subjektivitäts- und freiheitstheoretische Trinitätstheologie der Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus, dessen einzigartige »Abba-Beziehung« (169) hermeneutisch nur im Horizont der »Glaubensgeschichte Israels« (157) verstehbar sei. Gottes offenbare Freiheit wird bestimmt als vollkommenes Possest (Cusanus, 166.187), als gleichursprünglich in drei Personen existierende Einzigkeit (183.187) und als kontingenz- und zeitlichkeitstheologische creatio ex nihilo (182). »Eine im Begriff vollkommener Freiheit gedachte Freiheit wäre dann eine immer bereits bei sich seiende Freiheit, die dann auch immer bereits auf Gehalt hin geöffnet ist und diesen affirmiert hat, und es wäre dies darüber hinaus eine Freiheit, die alle als Gehalt möglichen Möglichkeiten immer bereits identifiziert hat«, und zwar in einem »Kommerzium von Freiheiten« (187). Zukünftigkeit Gottes sei ewige Quelle seiner Zeitlichkeit, »ohne dass die endliche Vernunft sich noch einen hinlänglich be stimmten Begriff davon machen könnte, wie ein Wesen gleichursprünglich in drei Personen existierend aus seiner eigenen Zu kunft heraus die ewige Quelle seiner eigenen Zeit sein kann und Š gerade so ðim SingularÐ existiert« (189 f.). ­ Zu fragen ist: Ist dieses »Geheimnis« (190) göttlicher Freiheit wirklich mit dem tranzendentalen Denken endlicher Freiheit vermittelt (so Striets Anspruch, 160!)? Letzteres denkt die Praxis selbstbestimmter, kontingenter und intersubjektiv verantwortbarer Freiheit und creatio ex nihilo als Grenze dieser Praxis ohne eine vom Freiheitsvollzug abstrahierende (trinitäts)theologische Begründung. Striets plausibel versicherte Theodizeeempfindlichkeit (193­198 zu Shoa, Israel und Kirche), Probe jeder Theorie endlicher Freiheit, halte ich mit dem spekulativen Ausgriff auf göttliche Zukünftigkeit (noch) nicht schlüssig vermittelt. Sein Begriff der »unvermittelten Unmittelbarkeit« des trinitarischen Gottes (191)­ also einer innertrinitarischen Differenz-Einheit von Freiheit, die nicht geschichtlich zu sich vermittelt ist, weil sie in sich selbst Differenz-Identität ist ­ und sein Geheimnis göttlicher Zukünftigkeit als Quelle göttlicher Zeitlichkeitssouveränität bedürfen weiterer Diskussion. ­ In seiner diskursbedingt he terogenen Problematik und in der Differenz alteritätsphänomenologischer und subjektivitätstheoretischer Konzeptualisierung von Trinität bietet der Sammelband eine ausschnitthafte, aber facettenreiche Momentaufnahme aktueller katholischer Trinitätstheologien.