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Ausgabe:

Dezember/2006

Spalte:

1304 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Zschoch, Hellmut:

Titel/Untertitel:

Die Christenheit im Hoch- und Spätmittelalter. Von der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts zu den Reformbestrebungen des 15. Jahrhunderts.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2004. 323 S. kl.8° = Zugänge zur Kirchengeschichte, 5; UTB 2520. Kart. Euro 15,90. ISBN 3-525-03700-7 (Vandenhoeck & Ruprecht); 3-8252-2520-8 (UTB).

Rezensent:

Helmar Junghans

Dieses Taschenbuch zielt auf Studierende der Kirchengeschichte und der Geschichte, um sie in die Kirchengeschichte des Hoch- und Spätmittelalters einzuführen und ihnen eine Hilfe für Prüfungsvorbereitungen anzubieten. Der Vf. ist sich be wusst, dass er in einem Taschenbuch keine umfassende Darstellung bieten kann. Daher beruft er sich auf den Reihentitel »Zugänge zur Kirchengeschichte«, der ihm die Freiheit gebe, Schwerpunkte zu wählen.

Er greift aber nicht nur die wichtigsten Themen dieser Epoche auf, sondern hebt auch oft weniger ausgeführte Themen hervor. In einem eigenen Kapitel stellt er die Buße als Leitbegriff der mittelalterlichen Frömmigkeit dar. Dabei verfolgt er die Entwicklung des Bußsakraments sowohl nach dessen innerer Logik als auch im »Rahmen des kleruszentrierten Kirchenverständnisses des hohen Mittelalters« (164). Damit verknüpft er die Entfaltung des Ablasswesens vom 11. Jh. über die 1300 beginnenden Jubiläumsablässe bis zum Ende des 15. Jh.s, ohne allerdings ­ wie es in diesem Zusammenhang häufig geschieht ­ zu erwähnen, wie Papst Sixtus IV. den Ablasshandel enorm förderte, als er 1476 bestätigte, Ablass könnte auch für Verstorbene erlangt werden. Besondere Beachtung ist auch der »theolo gischen Reflexion in der Frauenmystik« gewidmet, von der er mehrere Vertreterinnen vorstellt. Das Thema »Mystik und Theologie« findet gebührende Berücksichtigung.

Die Darstellung beginnt mit der Installierung des Reformpapsttums 1046 durch Kaiser Heinrich III. Sie stellt die For derung im Reformpapsttum an die Spitze, die Gregor VII. energisch vertrat: Nur die Römische Kirche ist von Christus eingesetzt, die gesamte Kirche zu leiten. Wer versucht, ihr ein Recht zu rauben, wird Häretiker. Die Anstrengungen der Päpste, ihre Machtansprüche als Zentralbehörde durchzusetzen und ihre Herrschaft auch über die weltliche Gewalt auszudehnen, sowie ihr Scheitern im Spätmittelalter mit Verlust an geistlicher Autorität durchziehen die gesamte Darstellung wie ein roter Faden. So verdeutlicht der Vf., wie Päpste die Kreuzzüge nutzten, ihre zentrale Stellung in der abendländischen Christenheit zu stärken und ihre Herrschaft über die Ostkirche auszudehnen. Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgehen, wie wenig dieses päpstliche Machtstreben der Seelsorge in der abendländischen Kirche diente.

Der Zugang zur Theologiegeschichte dieser Epoche wird durch die Charakterisierung von unterschiedlichen Typen der Theologie gewonnen: Hilfreich ist dabei die instruktive Be schreibung des Unterschiedes zwischen einer monastischen und einer scholastischen Theologie. Während für die Erstere deren Wurzeln in der klösterlichen Frömmigkeit und religiösen Erfahrung aufgezeigt werden, wird Letztere im Kontext der Ausbildung von Priestern für den Dienst in den Gemeinden in Schulen und später Universitäten gesehen. Der Leser wird dadurch mit dem Inhalt des gängig gewordenen Terminus »monastische Theologie« gut vertraut gemacht. Er kann aber auch zugleich erkennen, dass es sich um eine idealtypische Unterscheidung handelt. Denn nachdem in Bernhard von Clairvaux und Petrus Abaelardus die Gegensätze zwischen beiden Richtungen kräftig hervorgetreten waren, ging die Entwicklung dahin, beide Richtungen zu harmonisieren. Problematisch wird der Begriff »monastische Theologie« noch dadurch, dass die herausragenden scholastischen Theologen selbst Mönche waren, ihre philosophische und theologische Scholastik also in Klöstern entwi ckelten und fixierten.

Die Beziehungen zwischen Christen und Juden werden mehrfach berührt. Im Zusammenhang mit dem Beginn der Kreuzzüge verdeutlicht der Vf. die unterschiedlichen Einstellungen der Theologen zu den Juden: Bernhard von Clairvaux warnte die Kreuzfahrer, Juden als Feinde Christi zu behandeln, und forderte, sie nicht zu verfolgen, nicht zu töten, nicht zu vertreiben. Dagegen verlangte Petrus venerabilis, den »Feinden des christlichen Glaubens« Vermögen zu Gunsten der Kreuzzugsheere zu entziehen. Das Kapitel »Die kirchliche Theologie und die Juden« stellt das Weiterbestehen gegensätzlicher Einstellungen, das Schwanken von Judenbullen zwischen Judenschutz und Judenfeindschaft und die Durchführung von interreligiösen Disputationen dar. Das Verhalten und Lehren der Rabbiner, die als Folge von Eheschließungen mit Christen ein Aufgehen ihrer Gemeindeglieder in die christliche Gesellschaft befürchten mussten, bleibt unberücksichtig. Schließlich geht der Vf. noch auf zunehmende Judenfeindschaft im Spätmittelalter ein, die besonders in Vertreibungen von Juden ihren Ausdruck fand.

Zwischen dem darstellenden Text sind gut ausgewählte, ins Deutsche übersetzte Zitate eingefügt, welche die Zeitgenossen selbst zu Wort kommen lassen und über den vom Vf. aufgenommenen Gesichtspunkt hinaus Informationen enthalten. So forderte Petrus venerabilis, den »übel erworbenen jüdischen Reichtum« zu schmälern, wodurch die Habgier als ein entscheidendes Motiv der Judenfeindschaft aufleuchtet.

Gut führt der Vf. in die Wissenschaftsmethode der Scholastik sowie die Spannung zwischen dem von ihr rezipierten Aristotelismus und theologischen Grundaussagen ein. Leider geschieht das nicht in gleicher Weise mit der Wissenschaftsmethode der Humanisten, so dass trotz ihrer Erwähnung die Entstehung und Ausbreitung des Bibelhumanismus im Vorfeld der Reformation nicht in den Blick kommt.

Ein Verzeichnis der Päpste von 1046 bis 1521, eine Literaturauswahl und Register zu Bibelstellen, Personen und Orten sowie Begriffen schließen das gut lesbare und außerordentlich brauchbare Taschenbuch ab.