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Ausgabe:

Dezember/2006

Spalte:

1302–1304

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Studt, Birgit:

Titel/Untertitel:

Papst Martin V. (1417­1431) und die Kirchenreform in Deutschland.

Verlag:

Köln-Weimar-Wien: Böhlau 2004. X, 789 S. gr.8° = Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii, 23. Geb. Euro 89,00. ISBN 3-412-17003-8.

Rezensent:

Volker Gummelt

Martin V. ist als der Papst in die Kirchengeschichte eingegangen, mit dessen Wahl auf dem Konzil zu Konstanz im Jahre 1417 das Große Abendländische Schisma faktisch seinen Abschluss fand. Sein Pontifikat stand unter dem vorrangigen Ziel, die Kirchenorganisation so zu reformieren, dass sie wieder unter einer allgemein anerkannten römischen Führung funktionsfähig wurde. Dass Martin V. dabei in erster Linie auf eine Neuorganisation der Kurie (reformatio in capite) sein Augenmerk zu legen hatte, ist unstrittig. Freilich ­ so war es auch auf dem Konstanzer Konzil vereinbart worden ­ sollte auch die allgemeine Kirchenreform (reformatio in membris) von ihm in den Blick genommen werden. Besondere Brisanz erhielten die Reformbemühungen von Konzil und Papst durch die in jener Zeit auf verschiedenen Ebenen ausgetragenen Auseinandersetzungen mit der Prager Re formbewegung, die gerade nach dem Tod von Jan Hus 1415 in Konstanz mit unerbittlicher Schärfe fortgeführt wurden. Angesichts dieser gigantischen Aufgaben ist es verständlich, dass Martins Reformen oft sehr kritisch und als unzureichend charakterisiert wurden.

Die Münsteraner Habilitationsschrift von Birgit Studt wendet sich der bisher weniger beachteten allgemeinen Kirchenreform von Martin V. zu und fragt nach deren konkreter Umsetzung auf dem Gebiet des Reiches. Auf Grund der Forschungslage zu diesem Thema musste S. ein ausgedehntes Quellenstudium im Vatikan sowie in Bibliotheken und Archiven in nicht weniger als 32 europäischen Orten bewältigen. Die Präsentation dieser Quellen bildet einen der Vorzüge ihres gewichtigen Buches.

In einem ersten Teil (»Causa fidei et causa reformationis ­ die Reformdiskussion zur Zeit der Wahl Martins V.«, 24­72) zeichnet S. äußerst sachkundig die Ausgangslage für das Reformwerk dieses Papstes, wie es durch die Anliegen der Prager Reformbewegung angestoßen und durch das Konstanzer Konzil vorbereitet worden war.

Im umfangreichen zweiten Teil (»Kirchenreform im Spannungsfeld von Papsttum, Landesherrschaft, Ortskirche und Ordensorganisation«, 73­318) fragt S. danach, wie Martin V. auf Reformvorschläge reagierte, die an ihn herangetragen wurden. Dabei konzentriert sie sich auf das Gebiet der monastischen Reform und hier wiederum vor allem auf die Reform von Klöstern der Benediktiner und Augustiner-Chorherren. An sechs ausgewählten Fallbeispielen wird jeweils das Beziehungs- und Interessengeflecht verdeutlicht, das die Durchführung einer solchen Reform mitbestimmte. Dabei kann S. mit einer großen Liebe zum Detail nicht nur regionale Unterschiede, sondern auch eine erstaunliche Bandbreite aufzeigen, die von einer engen Zusammenarbeit aller Beteiligten bis hin zu bewusst eigenständigem Handeln vor Ort reichte. Ihre Auswahl von Territorien aus dem Süd- bzw. Westteil des Reiches (die österreichischen Lande, die wittelsbachischen Gebiete, die Kurpfalz, die Erzbistümer Trier und Köln sowie die fränkischen Bistümer Bamberg, Eichstätt und Würzburg) begründet S. mit der Reichweite entsprechender päpstlicher Aktivitäten. Vermutlich aber ist diese Auswahl wohl von den ihr eingesehenen Archivalien abhängig gewesen. Als ein zusammenfassendes Ergebnis dieses Teiles stellt S. zu Recht fest, dass »Martin V. auf dem Gebiet der Ordensreformen weniger initiativ und wegweisend als vielmehr bestätigend und helfend tätig war«.

Im dritten Teil (319­477) werden »Instrumente und Träger der päpstlichen Reform« betrachtet. Sicher hätten diese Darlegungen mit ihrem einleitenden und zum Teil grundlegenden Charakter auch gut zu Anfang des Buches platziert werden können. Der hier gegebene Überblick veranschaulicht, welche untergeordnete Bedeutung die allgemeine Kirchenreform innerhalb der Reformvorhaben Martins V. hatte. So ist treffend formuliert ­ wie es eine Überschrift eines Unterabschnittes aussagt­, dass »die Kurie als Vorbild, Objekt und Zentrum der päpstlichen Reform« zu betrachten ist. Breiten Raum nimmt die Schilderung der insgesamt sechs Reisen von Legaten nach Deutschland ein, die während des Pontifikats Martins V. stattfanden. S. überschreibt diesen Abschnitt mit: »Legationen zur Vermittlung der reformatio particularis«. Jedoch wird dabei vielmehr gezeigt, dass diese Legationen, die stets aus Anlass der Hussitengefahr initiiert wurden und der Vorbereitung und Durchführung der sog. Hussitenkreuzzüge dienten, in erster Linie als das allgemeine Kommunikationsinstrument zwischen Papst/Kurie und den politischen Partnern sowie der unteren Ebene der Kirche anzusehen sind. Sehr verdienstvoll ist es, dass erstmals so ausführlich die Vollmachten (facultates), mit denen diese Gesandten vom Papst für ihre Reisen ausgestattet wurden, vorgestellt werden. Im Gegensatz zu der Behauptung S.s wird darin aber kaum etwas von Reformanliegen Martins V. sichtbar.

Der abschließende vierte Teil (»Die Legatenreform«, 478­704) wendet sich dann ausführlich dem Leben und Wirken von vier der fünf Legaten Martins zu. Gleichsam ein Buch im Buch bildet die Darstellung des ohne Frage bedeutendsten Legaten dieser Zeit: Branda da Castiglione (479­620). Dieser wurde vom Papst nicht nur zweimal mit einer Reise beauftragt, sondern dessen zweite Legation, die von 1422 bis 1425 dauerte ­ sie war damit die mit Abstand längste im Pontifikat Mar tinsV.­, widmete sich intensiv der Reform des Klerus. Gewiss wird dieses Unternehmen aus der persönlichen Initiative des Legaten begründet gewesen sein. Bei den anderen Reisen der Legaten Martins V. stand ­ wie S. es zeigt ­ die allgemeine Kirchenreform wiederum sehr am Rande. In den Ausführungen etwa zum »englischen« Legaten Henry Beaufort wird deutlich, dass jene Legaten eher selbst einer Reform bedurften, als dass man von ihnen eine solche erwarten konnte. Somit verstärkt dieser vierte Teil die Erkenntnis, die man durch die gesamte Arbeit von S. gewinnt: Es gab ­ wie vom Konzil zu Konstanz gefordert ­ auch in den Jahren Martins V. mehrere Schritte in Richtung einer allgemeinen Kirchenreform, die in Deutschland in einzelnen Reformmaßnahmen ihren Widerhall fanden. Je doch stand jene »reformatio in membris« nie zentral im Vordergrund. Andere Angelegenheiten ­ wie etwa die Auseinander setzungen mit der Prager Reformbewegung ­ banden die dazu entscheidenden Kräfte. Wie weit Reformbemühungen von Papst Martin V. selbst angestoßen wurden, ist weithin nicht mehr erkennbar.

Mit einem Personen- und Ortsregister (761­789) schließt das Buch, so dass dieses auch gut als Nachschlagewerk genutzt werden kann. In Anbetracht der ungemeinen Fülle von Einzelinformationen, die S. bietet, ist es bedauerlich, dass auf ein Sachregister verzichtet wurde.