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Ausgabe:

Dezember/2006

Spalte:

1277–1279

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Sheperd, David:

Titel/Untertitel:

Targum and Translation. A Reconsideration of the Qumran Aramaic Version of Job.

Verlag:

Assen: Royal van Gorcum 2004. X, 317 S. m. 1 Abb. gr.8° = Studia Semitica Neerlandica, 45. Geb. Euro 79,50. ISBN 90-232-4017-0.

Rezensent:

G. Wilhelm Nebe

Das Buch geht zurück auf die Dissertation von Shepherd (Be treuer: T. Lim und P. Hayman) und auf seine Mitarbeit bei J. deMoor und dessen Targum-Forschungsteam in Kampen. Die Arbeit ist ein Vergleich der aramäischen Versionen des Hiobbuches.

Es geht um die Version vom Toten Meer (11Q10) (Erstausgabe J. P. M. VdPloeg/A. S. V. d. Woude, Leiden 1971; danach M. Sokoloff, Ramat Gan 1974; K. Beyer, Göttingen 1984, 280­298; 1994, 133, und 2004, 171 f.; B. Zuckerman/St. A. Reed, CAL Newsletter 10, 1993, 1­7 [Fr. 6a; Photo SHR 6215], und die offizielle Edition von F. Garcia Martinez/E. J. C. Tigchelaar/A. S. V. d. Woude, DJD XXIII, Oxford 1998, 79­180 u. Plates IX­XXI; Übersetzung frühestens 3. Jh. v. Chr., die Handschrift vor 70 n. Chr.), die Version der Peschitta (P) (Ed. L. G. Rignell u. a., Leiden 1982; 4. Jh. n. Chr. oder früher, aus dem christlichen Edessa; die Handschriften mittelalterlich) und die Version des rabbinischen Targum (Rtg) (Ed. D. M. Stec, Leiden 1994; die Übersetzung frühestens 1./2. Jh. n. Chr. aus Galiläa, die Handschriften mittelalterlich).

Sh. betrachtet diese drei Versionen synchron in ihrem Verhältnis zum hebräischen masoretischen Textus receptus. Ziel der Arbeit ist eine genauere Erfassung der Sprache und der Klassifikation der Gattung von 11Q10. Sh. ist mit den einschlägigen Arbeiten zu Fragen der Übersetzung im Allgemeinen wie auch zum Aramäischen und seiner Linguistik und zur Qumranologie bestens vertraut.

Ausgangspunkt für die Fragestellung von Sh. ist, dass 11Q10 von der Wortstatistik her P und Rtg gleich nahesteht. Unterschiede gibt es bei einzelnen Wortformen. Eine genauere Beurteilung des Verhältnisses der Versionen zueinander muss den Übereinstimmungen und Unterschieden vor allem in der Syntax und im Stil nachgehen. Die syntaktische Fragestellung ist von Sh. allerdings auf drei Punkte begrenzt. Die aramäischen Übersetzungen werden im Vergleich zum MT auf Auslassungen (= Teil I), Umstellungen (= Teil II) und die Konjunktion Waw (hinzugefügt, ausgelassen oder ersetzt = Teil III) hin untersucht. Sh. geht dabei so vor, dass zuerst die einzelne Version in ihrem Verhältnis zur hebräischen Vorlage umsichtig unter Berücksichtigung des unmittelbaren und des gesamten Kontextes bestimmt wird ­ ein angesichts des fragmentarischen Charakters der HS 11Q10 oft nicht eindeutiges Unternehmen ­ und erst dann der systematische synoptische Vergleich aller drei gleichberechtigt behandelten aramäischen Versionen folgt. Sh. fügt seinen Einzelsynopsen stets auch englische Übersetzungen des hebräischen Textes bei (siehe »Abbreviations«, VI f.). Schließlich wird die Arbeit zusammengefasst unter dem Titel »11Q10 as an Aramaic Version of Job«. ­ Sh. analysiert in Einzelanalyse ca. 150 Textstellen sorgfältig, philologisch korrekt und recht umsichtig un ter Einbeziehung der Sekundärliteratur.

Warum nennt Sh. nicht zu jeder behandelten Stelle die Auslegungstradition der LXX? Auf sie wird nur in Ausnahmefällen (33,12; 34,13; 42,9) hingewiesen. Warum sind 4QHioba (= 4Q99) nur zu 31,15; 36,11.15.25; 37,15 und 2QHiob (=2Q15), 4QHiobb (= 4Q100) und 4QtgHiob (=4 Q157) gar nicht berücksichtigt, auch wenn sie methodisch nicht in Frage gestellt hätten, MT als Textbasis des Vergleichs zu nehmen? ­ Zu 39,10 folgt Sh. noch Sokoloffs Lesung; zu 34,10 ist die Ergänzung nach men la-chabbala mit DJD nur ein Wunsch (kein Buchstabenrest zu sehen!); zu S. 233 ist zu 11Q10 (42,6) entgegen der DJD Edition entweder die Wurzel mhh »kochen« (vgl syro-aramäisch) oder bei Kehllautschwäche mchh »auflösen« zu lesen.

Nach Sh. sind die Abweichungen der aramäischen Versionen vom hebräischen Original abgesehen von dunklen und problematischen Textstellen und offenbaren textlichen Missverständnissen zumeist linguistisch oder/und stilistisch begründet oder/ und harmonisierend oder/und idiomatisch.

Er gebraucht Wendungen wie: »linguistic and stylistic constraints«/»continuum«; »linguistic necessity and/but stylistic preference«, »linguistically intelligible and stylistically acceptable«, oder/und , »a desire for harmonisation/is, in and of itself, a stylistic preference of the translator«, oder/und »to create a more fluent and idiomatic Aramaic word order«, »the harmonising of word order Š a stylistic constraint which places a premium on uniformity and syntactic parellelism«.

Das klingt recht allgemein, fasst im Einzelnen aber vieles zusammen. Dem Rezensenten scheint das poetisch-stilistische Element oft zu wenig in Augenschein genommen (z. B. die chiastische Stellung in 11Q10 in 36,11).Zum Idiomatischen: Sh. versteht seine Arbeit zwar nicht als dialektologischen Beitrag (29). Sein Erweis der Nähe von 11Q10 und P könnte aber etwas Definitives über die ostaramäische Herkunft von 11Q10 sagen. Das Aramäische von 11Q10 ist ein nachachaemenidisches Reichsaramäisch mit Wurzeln zum 5.­3. Jh v. Chr. Weil das Reichsaramäische im Osten wurzelt, muss 11Q10 aber nicht definitiv als ostaramäisch gedeutet werden, die HS ist auf jeden Fall hasmonäisch-herodianisch aus palästinischem Raum. Ein von Sh. beobachtetes und diskutiertes Phänomen ist die Wortfolge Subjekt-Verbum und die Frage der sogenannten Freiheit der Satzstellung im Aramäischen. Sie kann bei der Übersetzungsliteratur von sklavischer Unfreiheit bis zur größten Freiheit reichen. Nach der Syntax zum Bibel-Aramäisch von Bauer-Leander (§ 99­101) gilt für das Aramäische die Freiheit der Wortfolge, wobei für die Wortfolge Subjekt-Verbum auf einen möglichen Einfluss des Akkadischen (»wohl nach sumerischem Vorbild«) hingewiesen ist. Für Muraoka deuten nicht-assimiliertes Nun und die Satzfolge Subjekt-Verbum in 11Q10 auf ostaramäische Herkunft (JJS 25, 1974, 425­443). Sh. verweist dagegen zu Recht auf Subjekt-Verbum- Parallelstellen im MTHiob, hält Muraokas These aber nicht für ausgeschlossen. Zur Wortfolge im Verbalsatz im Syro-Aramäischen und allgemein im Semitischen vgl. Th. Nöldeke, Kurzgefasste syrische Grammatik, Leipzig 1898. Nachdruck Darmstadt 1966, § 324 (248 ff.) (sic! Korrigiere bei Sh., 126, Anm. 7); C. Brockelmann, GVG II, Berlin 1913. Nachdruck Hildesheim 1966, 170­172; E. Lipinski, Semitic languages outline of a comparative grammar, Leuven 1997, § 50.13­50.20.Trotz des Umfangs seiner Arbeit ist sich Sh. bewusst, das Prob lem der »translator intervention« in den aramäischen Versionen nur beschränkt untersucht zu haben. Eine Betrachtung anderer Phänomene wird nicht vorgenommen: Es bleiben z. B. die Fragen nach Determination/Indetermination, der Behandlung des Infinitivs, ob eine an dere Vokalisation als MT, ein anderer Konsonantenbestand vorausgesetzt wird und ob ein he bräisches Wort, eine Wortform ins Ara mäische entlehnt wurde.

Ergebnis der Arbeit ist: Während Rtg, abgesehen von erklärenden Hinzufügungen, »a scrupulous preservation of source text elements« (262) vom MT darstellt, stehen 11Q10 und P beisammen bei den Auslassungen (stilistisch-linguistisch begründet) wie bei den Umstellungen gegenüber MT (stilistisch-linguistisch, Harmonisierung, Eigentümlichkeit der Einzelsprache) und bei der Konjuktion Waw, ausgelassen, hinzugefügt und ersetzt. Zu sam menfassende Ergebnisse sind (zu!) häufig formuliert. ­ Sh. ist bei seinen einzelexegetischen Untersuchungen immer vom MT ausgegangen. Im Ergebnisteil hinterfragt er schließlich auch die Möglichkeit einer »vernacular Vorlage«, wie in der Forschung z. B. in extenso bereits zu TgJes, PJes gegenüber MTJes und 1QJesa geschehen, entscheidet sich für 11Q10 und P aber wohl korrekt für eine MT-artige hebräische Vorlage. Bei aller Nähe von 11Q10 zu P liegt aber offenbar keine direkte Abhängigkeit von beiden vor, eher sind es bei beiden »similar scribal and translational adjustments« (269) gegenüber MT.

Hinsichtlich der Gattungsfrage von 11Q10 und P (Targum oder nur aramäische Übersetzung) folgt Sh. den Definitionen von M. Weitzman (s. 20), S. P. Brock (s. 280) u. a., die ablehnen, von einem Targum zu sprechen. Sh. behält Targum dem Rtg vor und lässt für 11Q10 und P allenfalls »pre-targumic« gelten.

Vom strengen rabbinischen Targum-Begriff her geurteilt hat die aramäische Übersetzung des Hiob keinen Sitz im Leben des jüdischen Gottesdienstes. Immerhin gilt nach mYom 1,6 Hiob als Studienbuch für den Hohenpriester in der Nacht von Yom Kippur, und es zählt nach bTaan 30a zur Lektüre für den 9. Ab. Wenn die rabbinische Tradition für das 1. Jh. n. Chr. ein sefer Ijob katuv/btargum bzw. targum schel-Ijob (tosShab 13,2; jShab 15c,5­7; bShab 115a; Soph 5,15;15,2) verwirft, hat es zweifellos dies Targum auch gegeben. Warum sollte das aber nur Rtg sein?

Die Arbeit macht vom Äußeren her einen vorzüglichen Eindruck. Sie ist gut zu erschließen durch beigegebene Indizes und ein Verzeichnis der zitierten Literatur. Der Druck ist einwandfrei und übersichtlich gestaltet (nur S. 153 ist der Text 11Q10/ RtgJob fehlerhaft zusammengestellt) und fast fehlerlos (126, Anm. 7, dazu s. o.; der Name des Rezensenten auf S. 202, Anm. 5 und im Literaturverzeichnis ist Nebe [ohne von]; 291 lies Kautzsch). Sh. gilt Dank für seine gute Arbeit zu einem nicht einfachen Thema. Sie wird in künftigen Arbeiten zur aramäischen Wort- und Satz-Syntax vom Toten Meer und auch zur Peschitta gebührende Berücksichtigung finden.