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Ausgabe:

März/1998

Spalte:

219–236

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Martin Bieler

Titel/Untertitel:

Die Radikalität der Versöhnung
Der ökumenische Dialog und das Problem der theologischen Denkform

1. Ökumene als fauler Kompromiß?

Im vergangenen Jahr haben der Lutherische Weltbund und der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen den kirchenleitenden Instanzen die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" vorgelegt(1). Sollten die Kirchen dieses Papier annehmen, dann wäre dies ein ökumenisch höchst bedeutsamer Schritt. Aber das Papier ist an sich schon bemerkenswert, denn als Ergebnis einer langwierigen Kommissionsarbeit wird darin festgestellt, daß im Hinblick auf die Rechtfertigungslehre, die "uns in besonderer Weise auf die Mitte des neutestamentlichen Zeugnisses von Gottes Heilshandeln in Christus verweist"(2), eine ökumenische Einigung möglich ist(3), weil "zwischen Lutheranern und Katholiken ein Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre besteht ..."(4). Wenn man Luthers Diktum bedenkt, er wolle den Papst nicht nur auf Händen tragen, sondern ihm auch noch die Füße küssen, wenn dieser die Rechtfertigungslehre ("quod solus Deus ex mera gratia per Christum iustificet") akzeptiere(5), dann kann man die ökumenische Bedeutung einer Einigung der Konfessionen im Bereich der Rechtfertigungslehre ermessen. Die Bemerkung, daß der "Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre... sich im Leben und in der Lehre der Kirchen auswirken und bewähren muß"(6), ist allerdings die notwendige einschränkende Erinnerung daran, daß mit einer grundsätzlichen Einigung in Sachen Rechtfertigungslehre nicht auch schon die Kircheneinigung erreicht ist, zumal die Geschichte seit Luther weitergegangen ist.

Das Konsenspapier kommt nicht völlig überraschend, denn ihm ist die Veröffentlichung des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen "Lehrverurteilungen­ kirchentrennend? I: Rechtfertigung, Sakramente und Amt im Zeitalter der Reformation und heute, hrsg. von K. Lehmann und W. Pannenberg" (1986) vorangegangen. Vor allem das Rechtfertigungskapitel dieser Studie ist auf heftigen Widerstand gestoßen(7). In seiner polemischen Streitschrift "Einig in Sachen Rechtfertigung?" (1989) wirft z. B. J. Baur dem Papier u. a. "Scheinharmonisierung" vor (44). Es betreibe eine "Tintenfischökumenik, die den Abgrund der Fragen mit blauem Dunst venebelt" (23). Diesem Vorwurf sind u. a. U. Kühn, O. H. Pesch(8) und H. G. Pöhlmann(9) mit guten Gründen entgegengetreten.

Die Gemeinsame Erklärung benennt nicht nur das Gemeinsame der Konfessionen im Rechtfertigungsverständnis, sondern auch das Unterscheidende, das hier aber nicht als trennend verstanden wird. Besonders bedeutsam ist, daß dort, wo die Unterschiede aufgeführt werden, diese als das Gemeinsame nicht gefährdend dargestellt werden. Implizit wird damit gegenseitig die Legitimität verschiedener Zugangsweisen zum Verständnis des neutestamentlichen Zeugnisses und mithin die Legitimität verschiedener Denkformen zugestanden. Wenn man sich auf Dauer wirklich näherkommen und der Gefahr eines faulen Kompromisses entgehen will, dann wird man nicht darum herumkommen, sich intensiver mit der Tradition der anderen zu befassen und es nicht beim bloßen Nebeneinander der Denkformen zu belassen: "Unsere Zeit braucht dringend den Doctor utriusque theologiae, den Doktor beider Theologien, der evangelischen und der katholischen"(10). Es könnte sich erweisen, daß wir in theologischer Hinsicht mehr aufeinander angewiesen sind als vermutet, denn z. B. bei Luther werden zentrale theologische Einsichten in einer Schärfe und Intensität betont, wie es in der katholischen Tradition nicht zu finden ist, während umgekehrt z. B. bei Thomas von Aquin entscheidende theologische Einsichten zu finden sind, zu denen die evangelische Tradition nichts Vergleichbares zu bieten hat. Gute Beispiele dafür, wie eine theologische Sprache in eine andere übersetzt werden kann, gibt es bekanntlich bereits(11). Es wäre darüber hinaus aber noch zu untersuchen, inwiefern die beiden verschiedenen Traditionen füreinander fruchtbar gemacht werden können, wie also die Beschäftigung mit der jeweils anderen Tradition zu einem Erkenntnisgewinn führt, der über das bloße gegenseitige Verstehen, das natürlich wichtig genug ist, hinausführt.

Wenn R. Frieling in seinem Kommentar zur Gemeinsamen Erklärung feststellt, daß es schwierig sei, sich mit alten Begriffen aus der Tradition verständlich zu machen, und fragt, wie man die mit der Rechtfertigungslehre verbundenen Glaubensaussagen in der Sprache des säkularisierten Zeitgenossen verständlich machen könne, dann nennt er damit zu Recht eine zweite notwendige Übersetzungsarbeit neben der innertheologischen Verständigung zwischen den Konfessionen(12). Im folgenden soll die These vertreten werden, daß beide Übersetzungsarbeiten nicht voneinander getrennt werden können, weil die im interkonfessionellen Gespräch auftretenden Konfliktpunkte mit Sachproblemen der Rechtfertigungslehre selbst zu tun haben, die von einem einseitig "konfessionalistischen" Ansatz her nicht zu lösen sind und deshalb ein tieferes, den Zeitgenossen kommunizierbares Verständnis der Zuwendung Gottes zur Welt verhindern.

2. Das Problem der Denkform

Zu den kritischen Zeitgenossen gehört auch der amerikanische Philosoph Charles Taylor. Taylor beendet sein großes Werk "Quellen des Selbst" (1996), in dem er die geistesgeschichtlichen Quellen modernen Selbstverständnisses untersucht, mit dem Bekenntnis, er habe die Hoffnung, dem Menschen werde es gelingen, in der modernen Gesellschaft den Geist nicht zu ersticken und die höchsten Ideale der Individualität, die potentiell die destruktivsten sind, doch zu leben. Er begründet diese Hoffnung ­ einigermaßen erstaunlich für einen modernen Philosophen ­ mit dem Hinweis auf die jüdisch-christliche Tradition: "Es ist eine Hoffnung, die nach meiner Anschauung im jüdisch-christlichen Theismus enthalten ist (wie schrecklich auch die Taten seiner Anhänger in der Geschichte zu Buche geschlagen sind) sowie in seiner zentralen Verheißung einer göttlichen Bejahung des Menschlichen, die umgreifender ist, als sie von den Menschen ohne Hilfe erreicht werden kann"(13). Nach Taylor ist es die "Kraft der Bejahung", die Gott vom Menschen unterscheidet(14). Näherhin sieht Taylor den Gedanken der Bejahungskraft Gottes in der neutestamentlichen Aussage, Gott habe sich bis ans Kreuz entäußert, um die Menschheit zu retten, begründet(15). Als Nicht-Theologe benennt er damit zielsicher das Zentrum des christlichen Glaubens, von dem her auch die Rechtfertigungsproblematik angegangen werden muß: Das Ja Gottes zum Menschen in Jesus Christus.

Mit seinem Gedanken der kreuzestheologisch fundierten "göttlichen Bejahung des Menschlichen" als Grund der Hoffnung befindet sich Taylor nicht nur in der Nähe des Paulus (2 Kor 1,19-20) und Karl Barths, sondern auch in der Nähe Martin Luthers, der in seiner Disputatio de homine im Anschluß an Paulus die kurze Definition des Menschen gibt, der Mensch müsse durch Glauben gerechtfertigt werden(16). Wenn es zutrifft, daß der Mensch sich selbst nur von dem ihn rechtfertigenden und insofern bejahenden Gott her verstehen kann und dies sogar das Wesen des Menschen ausmacht, dann ist die Bejahung des Menschen durch Gott das zentrale Thema menschlicher Existenz, das auch modernen Menschen kommunizierbar sein muß. Um Gottes Ja zum Menschen zu denken, das zuhöchst in Gottes trinitarischer Selbstmitteilung in Jesus Christus besteht(17), die als "Grund und Voraussetzung der Rechtfertigung" zu betrachten ist(18), brauchen wir beide Traditionen, wobei Denker wie Anselm von Canterbury, Bernhard von Clairvaux, Bonaventura und Thomas von Aquin, die ihre Wirkungsgeschichte vornehmlich im katholischen Raum hatten, genau genommen zur vorkonfessionellen Tradition gehören.

Worin liegt das Unterscheidende der katholischen und der evangelischen Tradition im Hinblick auf die Denkform? Grob gesprochen kann man sagen, daß in der jeweiligen Sicht der anderen (!) das katholische Denken die menschliche Freiheit stärker betont, und zwar mit Hilfe einer Substanzontologie, wie sie bei Thomas von Aquin vorliegt, während die evangelische Tradition mit Hilfe einer relationalen Ontologie(19) ­ sofern sie dem Ansinnen einer Ontologie nicht wie Barth grundsätzlich kritisch gegenübersteht(20) ­ die freie Gnade Gottes betont. Dieser grobe Raster ist insofern nicht unproblematisch, als heute auch im katholischen Raum die Substanzontologie umstritten ist, so daß die Trennlinie z.T. durch die Konfessionen hindurchgeht. So schreibt z. B. W. Kasper, "nicht die Substanz, sondern die Relation" sei "das Letzte und Höchste"(21). Da die Bedeutung relationalen Denkens heute allgemein anerkannt ist(22), wird im folgenden hauptsächlich die Bedeutung der sogenannten Substanzontologie betont.

Die (m.E. höchst unglückliche) Entgegensetzung von Substanzdenken und relationalem Denken ist vor allem der lutherischen Theologie von Luther selbst in die Wiege gelegt. In seiner "Disputatio contra scholasticam theologiam" (1517) heißt es: "Immo theologus non fit nisi id fiat sine Aristotele"(23). Joest weist darauf hin, daß bei Luther ein neuartiges Personverständnis auftrete, das dadurch ausgezeichnet sei, "daß hier einem substanzialen, grundlegend an der Kategorie des Seinsbesitzes und der Seinsausstattung orientierten Personverständnis ein relationales, an der Begegnung von Ich und Du und dem Werden aus dem Dialogischen dieser Begegnung orientiertes Personverständnis entgegentritt"(24). Dem entspricht die Beobachtung, daß Luther den Philosophen und Metaphysikern vorwirft, daß sie sich nur mit dem Gegenwärtigen beschäftigen, indem sie ihre Aufmerksamkeit auf die quidditates et qualitates der Dinge richten, während der Apostel alles Gewicht auf die Zukunft der Dinge lege, auf die Erwartung der Kreatur (Röm 8,19)(25). Die Substanzontologie klebt also anscheinend zukunfts- und damit beziehungslos am Wesensbestand der Dinge, während die relationale Ontologie den Menschen in personaler Ausrichtung auf Gottes Zukunft für die Menschen zu verstehen sucht. Ob dieser Gegensatz wirklich stimmig ist, ist eine andere Frage. Gemäß Thomas von Aquin ist es der Logiker, der nur nach dem Wesen ("quod quid erat esse") fragt, während der Philosoph nach dem Sein und nach dem Ziel des Seienden, die über den bloßen Wesensbestand hinausgehen, fragt(26). Schon allein diese kleine Beobachtung läßt vermuten, daß in der Scholastik und allen voran bei Thomas von Aquin weitaus differenzierter über die Substanz nachgedacht worden ist, als eine vereinfachende Kritik suggeriert(27).

Die vermutete Zeit- und Beziehungslosigkeit des Substanzdenkens ist aber nur ein Einwand, der gegen das Substanzdenken vorgebracht wird. Ein weiterer Einwand betrifft die Befürchtung, das Substanzdenken führe zu einer Verdinglichung der Zuwendung Gottes zum Menschen. Damit verbunden wäre eine Abstraktheit des Denkens, das kaum noch kommunizierbar wäre(28). Martin Buber hat das Grundwort Ich-Du der dialogischen Begegnung dem Grundwort Ich-Es gegenübergestellt(29) und dem "Substanzdenker" Thomas den folgenden Vorwurf gemacht: "Auch von Thomas, obgleich er Theologe, und also verpflichtet war, um den wirklichen Menschen zu wissen, der ’ich’ sagt und mit ’du’ angeredet wird, gilt wie von Aristoteles, daß der Mensch hier ’gewissermaßen stets in der dritten Person’ spricht. Der Mensch ist in Thomas’ Weltsystem zwar eine eigene Gattung ganz besonderer Art, weil in ihm die Menschenseele, der niederste der Geister, mit dem Menschenleib, dem höchsten der körperlichen Dinge, substantiell vereinigt ist, so daß er gleichsam als ’der Horizont und die Grenzscheide der geistigen und der körperlichen Natur’ erscheint. Aber ein besonderes Problem und eine besondere Problematik des menschlichen Wesens, wie Augustin sie mit zitterndem Herzen empfand und aussprach, kennt Thomas nicht ..."(30).

Buber sieht sicher richtig, daß bei Thomas eine große Sachlichkeit(31) des Denkens zum Zuge kommt, die sich in einer entsprechenden Sprache und Begrifflichkeit ausdrückt, aber ist dies auch schon eine negative Verdinglichung, ein Ausfall an Lebendigkeit?(32) Wer sich ernsthaft mit Thomas befaßt und ihn nicht nur gelesen, sondern auch einigermaßen verstanden hat, dem geht auf, daß dem Denken des Aquinaten ­ bei allen Einseitigkeiten und Schwächen, die auch ihm anhaften ­ eine geradezu mystische Tiefe eigen ist. Die mystische Dimension scheint nicht hinter oder neben dem Denken des Aquinaten auf, sondern in ihm: «La sévère technicité de sa language parle mieux à qui sait l’entendre, que les élans enflammés»(33). Die Sachlichkeit thomanischen Denkens ist die sobria ebrietas dessen, der in allem Geschaffenen eine Gabe Gottes sieht und die Strukturen und Dimensionen des Geschaffenen im Lichte des Evangeliums als Sprache der Liebe Gottes zu seiner Welt entziffert. Und hier spricht dann Thomas selber von einer inflammatio: "Si igitur creaturarum bonitas, pulchritudo et suavitas sic animos hominum allicit, ipsius Dei fontana bonitas, rivulis bonitatum in singulis creaturis repertis diligenter comparata, animas hominum inflammatas totaliter ad se trahat"(34). U. Kühn hat mit Recht zu zeigen versucht, "in welch unglaublicher Stringenz die Theologie des Gesetzes, ja die ganze Theologie des Thomas in all ihrer scholastischen Strenge im Grunde einen Prolog zum geistlichen Leben ­ oder aber schon: ein wesentliches Stück dieses geistlichen Lebens selbst ­ darstellt"(35).

Aber hat Bubers Grundwort Ich-Du nicht doch den unbestreitbaren Vorteil, daß es erlaubt, Gottes Gegenwart in der Nähe des sich mir zuwendenden Du ganz anders zu artikulieren als in der "Sachlichkeit" von Strukturen? Sicher ist, daß wir auf das Grundwort Ich-Du und die ihm entsprechende Sprache auch in der Theologie nicht verzichten können. Aber dieses Grundwort ist nur echt, wenn in jedem "Du", das ich spreche, ein "Er" oder "Sie (Sg.)" mitgesprochen wird, denn nur so respektiere ich, daß der andere in seiner Nähe zu mir zugleich der mir gegenüber Selbständige und insofern "Ferne" bleibt. Je ferner mir ein Mensch im Sinne der Selbständigkeit ist, desto mehr kann er mir liebend näherkommen, und je näher mir ein Mensch wirklich kommt, desto mehr geht er/sie mir als Geheimnis der Freiheit ("Ferne") auf(36). Gegen die Diffamierung der dritten Person und damit auch dessen, was mit den Stichworten "Sachlichkeit" und "Es" angesprochen wird, hat deshalb Franz Rosenzweig Buber gegenüber zu Recht Einspruch erhoben, indem er auf IHN (Gott) verwiesen hat: "Was ich als Mensch mitspreche, wenn ich recht Es spreche, lautet: ER. Das ’Grundwort Ich-Es’ kann freilich nicht mit dem ganzen Wesen gesprochen werden ... Wenn aber es doch ganz wirklich ist, so muß es eben in einem Grundwort stehen, das ebenfalls mit dem ganzen Wesen gesprochen wird, von dem, der es spricht. Von ihm aus heißt dies Grundwort ICH-Es. Von uns aus: ER-Es. Sagen Sie einmal ’Er tötet und macht lebendig!’, dann haben Sie dies Grundwort gesagt und haben es ganz wesentlich gesagt"(37).

Rosenzweig macht an derselben Stelle eine weitere wesentliche Bemerkung: "Sie geben dem Ich-Du im Ich-Es einen Krüppel zum Gegner. Daß dieser Krüppel die moderne Welt regiert, ändert nichts daran, daß es ein Krüppel ist. Dieses Es haben Sie freilich leicht abführen. Aber es ist ja das falsche Es, das Produkt der großen Täuschung, in Europa keine 300 Jahre alt"(38). Das Krüppel-Es ist die res extensa Descartes, aus der jedes Leben ausgetrieben ist, das, was das herkömmliche Verständnis von "Substanz" prägt und als Manipulationsobjekt für das Subjekt Mensch zugleich zum undurchdringlichen Gegensatz geworden ist, das, was der Mensch als "Fremdkörper" abstreifen will, das, was ihn in seiner Freiheit bedroht, das, worauf er nicht reduziert werden möchte. Wenn die Substanz nicht mehr im Grundwort ER-ES steht und deshalb nicht mehr als Gabe Gottes wahrgenommen wird, degeneriert sie zum toten "Ding". Man kann sich fragen, ob mit dem Ausfall der vertikalen platonischen Partizipation bei Aristoteles nicht schon dessen ousia an diesem Manko krankt. Zumindest die Ursprünge des Buberschen "Es" wären dann älter als 300 Jahre(39). Als Krüppel-Es verschwindet die Substanz bei Kant als unzugängliches Wesen hinter der Erscheinung(40). Als widerständig-fremdes Gegenüber zum seiner selbst mächtigen Subjekt muß es bei Hegel "verraten" werden(41), um heute schließlich im Funktionsdenken unterzugehen(42). Daß diese "Substanz" endgültig zu verabschieden ist, dürfte offenkundig sein(43).

Dort, wo das Seiende nicht mehr als Gabe Gottes wahrgenommen wird, als Abglanz seiner Güte, sondern nur noch als bloße "Setzung" oder als bloßes Faktum betrachtet wird, zerbricht es innerlich in res cogitans und res extensa(44), in Geist und Körper, Freiheit und Natur (Kant). Das Spiel zwischen Grund (Seele) und Erscheinung (Leib)(45) ist zerstört, so daß die Substanz zum toten Ding wird, vor dem nur noch die alles verflüssigende Relation zu retten scheint. Das Seiende wird nicht mehr als Gleichnis sich schenkender Liebe verstanden, das als Mitgeteiltes seinerseits die Kraft hat, sich mitzuteilen und sich dabei als Einheit in einer Vielfalt von Momenten zu entfalten. Bei Buber führt das dann aber unweigerlich zur Frage, wie es zu einer Relation kommen kann. Entstehen Ich und Du aus dem "Zwischen" der Beziehung, wenn sie ohne Beziehung(46) zueinander nicht gedacht werden können? Wie soll aber ein Zwischen möglich sein, bevor es Ich und Du gibt? Die Aporien, die sich aus der Sicht Bubers ergeben, hat M. Theunissen gründlich untersucht(47).

Wenn Rosenzweig vom tötenden und lebendig machenden Gott spricht, dann verweist er indirekt auf eine weitere Schwierigkeit, die der Ausfall des Substanzdenkens mit sich bringt. In der Zuwendung von Menschen zueinander geht es um so "sachliche" Dinge wie Raum, den man sich gegenseitig einräumt, Kraft und Zeit, die man sich als endliche Wesen schenkt etc. Es geht um Akzidentien als Weisen und Eigenschaften der Substanz. Mit andern Worten: Es wird ernst, weil es dort, wo die Substanz auf dem Plan ist, um Leben oder Tod, Sein oder Nichtsein geht. Dort, wo sie ausfällt und nur noch die Relation übrigbleibt (wie denn, wenn die Relation ein Akzidens ist?), wird alles seltsam idealistisch. Gottes- und Nächstenliebe werden tendenziell zu einer bloßen Sache des Denkens. Es wird nicht mehr ersichtlich, welchen Inhalt eine Beziehung eigentlich haben soll. Recht verstanden steht also die Substanzontologie im Dienst des gelebten Dialogs als Form gegenseitiger Selbstmitteilung. Substanzontologie ist nicht die In-Frage-Stellung relationalen Denkens, sondern dessen Steigerung, weil das Phänomen der Selbstmitteilung die einigende Wurzel von Ontologie und dialogischem Denken ist(48). Von dieser Wurzel her, also von Gottes Ja zum Menschen als Gottes Selbstmitteilung her, ist in der Einheit von dialogischem Denken und Ontologie das Problem der Rechtfertigungslehre aufzuschlüsseln.

3. Das Ja der Schöpfung

Bejahung impliziert Zustimmung. Bejahung ist ein Gutheißen. Wer einen anderen Menschen bejaht, anerkennt ihn als wertvoll und gut. Die höchste Form der Bejahung ist die Liebe. Wer einen anderen Menschen liebt, der will, daß es den anderen gibt: Es ist gut, daß Du bist(49). Gemäß Thomas von Aquin ist das Erste, was ein Freund für seinen Freund will, daß dieser ist und lebt. Im Anschluß an Aristoteles nennt Thomas in seiner Summe der Theologie noch vier weitere Punkte, die das Wesen der Freundschaft charakterisieren. Als Zweites will der Freund, daß es dem Freund gutgeht, drittens tut er dem Freund Gutes, viertens lebt er mit dem anderen ergötzlich zusammen, und fünftens verbindet er sich mit dem anderen, indem er sich quasi mit diesem über dasselbe freut und über dasselbe trauert(50). Damit ist zwar nicht die ganze Tiefe und Vielfalt, wohl aber die Bandbreite dessen, was liebende Bejahung eines Menschen beinhaltet, abgesteckt. Bemerkenswert ist, daß nach Thomas Bejahung als Freundschaft nicht nur ein Tun für den anderen, sondern auch ein Tun mit dem anderen impliziert. Wer den anderen wirklich bejaht, ist nicht nur bereit, dem anderen zu geben, sondern er ist auch bereit, im gemeinsamen Handeln vom anderen etwas entgegenzunehmen.

Der leitende Grundgedanke des Thomas ist letztlich, daß Bejahung des andern Selbstmitteilung ist, denn Thomas vertieft den aristotelischen Gedanken der Freundschaft, die Gleichheit zwischen Freunden voraussetzt, zur neutestamentlichen Agape(51) und gibt dieser zugleich ihre letzte Zuspitzung, wenn er sagt, durch Gottes Selbstmitteilung in Christus käme es zu einer Art Freundschaft zwischen Gott und Mensch(52). Das heißt, daß der Mensch als Freund Gott "gleich" wird, weil Gott dem Menschen alles schenkt und nichts zurückbehält (Röm 8,31 ff.). Die neutestamentliche Rede von den Christen als Söhnen und Erben Gottes (Röm 8,17; Gal 4,7) drückt dasselbe aus ­ auf andere Weise(53).

Wenn Bejahung heißt "Es ist gut, daß Du bist", dann muß beim Nachdenken über die Bejahung des Menschen durch Gott zuerst einmal von der Erschaffung und Erhaltung des Menschen durch Gott die Rede sein. Gott schenkt dem Menschen sich selbst. Die erste Gabe, die der Mensch empfängt, ist der Mensch selbst. Entsprechend kann Luther im Großen Katechismus auf die Frage, was der Glaube an Gott, Vater, den Schöpfer, beinhalte, folgendermaßen antworten: "Das meine und gläube ich, daß ich Gottes Geschepfe bin, das ist, daß er mir geben hat und ohn Unterlaß erhält Leib, Seele und Leben, Geliedmaße klein und groß, alle Sinne, Vernunft und Verstand und so fortan, Essen und Trinken, Kleider, Nahrung, Weib und Kind, Gesind, Haus und Hof etc ..."(54).

Diese Auflistung der Gaben Gottes durch Luther zeigt, in welchem Beziehungsnetz der Mensch steht, welche Relationen ihn als Geschöpf bestimmen. Der Mensch wird nicht als isoliertes Subjekt erschaffen, sondern erhält mit seinem Sein auch den Bezug zu seinen Mitgeschöpfen. Bereits in der Erschaffung selbst werden die geschöpflichen Bezüge vom Schöpfer berücksichtigt, wie das Evolutionsgeschehen zeigt(55). Das Bezogensein auf andere ist dem Menschen derart wesentlich, daß er nur über die Beziehung zu anderen zu sich selbst kommen kann, wobei diese Beziehungen eingebettet sind in die eine Grundbeziehung des Menschen zu Gott, die alle anderen Beziehungen erst ermöglicht(56). In der lutherischen Tradition ist deshalb das Beziehungsdenken zu Recht das Grundmodell, um das Miteinander von Gott und Geschöpf zu verstehen.

Das Beziehungsdenken widerspricht aber dem Substanzdenken nicht, denn nach thomanischem Verständnis ist das Seiende (Substanz) ein "esse habens"(57). Es nimmt teil am Sein (das nicht in "Teilen" partizipiert wird(58)) und ist dadurch mit allem anderen, das auch an der Gabe des Seins teilhat, verbunden. Mit dem Sein erhält das Seiende nicht nur sich selbst, sondern auch den Bezug zu allen anderen, die dadurch nicht in das Seiende absorbiert sind, weil dieses eben nur am Sein teilhat und deshalb offenbleibt für alle anderen Seienden, die ebenfalls am Sein partizipieren. Als "esse habens" in seiner Bezogenheit auf anderes ist das Seiende in einem gewissen Sinne mehr als es selbst(59). In besonderem Maße gilt diese Bezogenheit auf das Sein und die Mitgeschöpfe vom Menschen(60), der sich selber ein unerschöpfliches Geheimnis bleibt.

Das Substanzdenken wird verdächtigt, das Ja des Schöpfers zu gefährden, weil die Vorstellung von der Substanz die durchgängige Abhängigkeit des Menschen von seinem Schöpfer in Frage zu stellen scheint. E. Schockenhoff hat den Einwand treffend formuliert: "Das Substanz-Sein der Person erscheint wie ein innerer Seinskern, vor dem der Gottesbezug des Menschen haltmacht"(61). Was heißt dann aber "Es ist gut, daß Du bist", wenn der Mensch nicht mehr als selbständiges Seiendes zu betrachten ist? Was meint dann z. B. G. Ebeling mit der "relativen Selbständigkeit" des Geschöpfs?(62) Ich denke, daß wir auf die Kategorie der Substanz nicht verzichten können und daß Thomas von Aquin recht hat, wenn er sagt, Schöpfung sei Seinsmitteilung(63), eine Seinsmitteilung, die sich in der Erhaltung des Geschaffenen fortsetzt, von der jegliche Substanz abhängig bleibt(64). Gott schenkt nicht nur, sondern die Substanz bezeugt, daß Gott geschenkt hat, ans Ziel gekommen ist und deshalb nicht nur am, sondern auch mit dem Menschen handelt. Es ist deshalb mißverständlich, im Hinblick auf das bereits bestehende Seiende von creatio continua zu sprechen(65), denn die creatio ist mit der novitas essendi(66) verbunden, die am Anfang steht, der als solcher nicht-defizient ist. Aber Gott hört nicht auf zu schenken, und deshalb ist von conservatio in esse zu sprechen, die insofern derselbe Akt wie die creatio ist(67), als auch die conservatio Neues setzende und Zukunft gewährende Seinsmitteilung ist(68), durch die Gott jedem Seienden innerlichst gegenwärtig ist(69) und ohne die das Seiende sofort zunichte werden würde(70).

Gottes Ja zum Menschen in der Schöpfung ist Substanzkonstitution und damit eine Beziehung ganz besonderer Art: "Daß Gottes schöpferische Relation zum Menschen diesen in seinem Innersten berührt und ihn dadurch in seinem Sein bleibend qualifiziert, das bringt Thomas gerade durch die Aufnahme des philosophischen Substanzgedankens zum Ausdruck. Auf ihn zu verzichten, hieße für Thomas, Gottes Relation zum Menschen anders als ein seiner göttlichen Liebe und Macht entsprechendes schöpferisches Verhalten zu denken, das souverän und mühelos sein Ziel erreicht, wie es die Bibel von der Schöpfung durch das Wort berichtet"(71).

Die Rede von der Substanz bedeutet im Zusammenhang der Schöpfungslehre, daß der Mensch ein von Gott her gesetztes, selbständiges Wesen ist, das nicht erst in der dialogischen Beziehung zum Mitmenschen zum Menschen wird. Er findet zwar seine Erfüllung in der Beziehung zu anderen, aber er erhält nicht erst im Anerkanntsein durch andere die Würde der Person. "Substanz" ist deshalb ein anderes Wort für die irreduzible Freiheit und Personalität des Menschen und bezeugt, daß dieser uranfänglich vom Ja Gottes lebt.

Die Substanz(72) ist die Trägerin von Akzidentien (sub-stare), von dem, was zufällt, was hinzukommt. Die Akzidentien sind Eigenschaften und Weisen der Substanz. Zu den Akzidentien (Quantität, Qualität, Habitus, Zeit, Ort, Lage [situs]) gehören auch die Relation, das Wirken (agere) und Erleiden (pati)(73). In der Regel wird die Substanz als in sich geschlossener Seinsklotz betrachtet, an den die Akzidentien nur äußerlich angeheftet sind. Die Substanz ist aber notwendigerweise mit Akzidentien verbunden. Sie ist uns überhaupt nur durch Akzidentien zugänglich. Bei Thomas findet man sogar den Satz, jedes Ding sei wegen seines Wirkens(74). Wenn die Substanz aber um ihrer Ausverwirklichung im akzidentellen Bereich willen da ist(75), dann ist sie eine durch und durch relational bestimmte Größe.

Die Zufälligkeit des Akzidentellen hat mit der Freiheit des Menschen zu tun, der nicht auf ein bestimmtes Verhalten festgelegt ist. Akzidentalität ist das Signum der Offenheit des Seienden für anderes ­ schon auf der untermenschlichen Ebene. Die Substanz ist gerade in ihren Akzidentien wirklich entäußert, so daß der Mensch nur über die Akzidentien zu sich selbst kommt. ("Akzidentell" ist deshalb keinesfalls mit "unwichtig" zu verwechseln!) Wenn er sich weigern würde, sich in den Akzidentien zu entäußern, müßte er absterben. Eine Substanz kann nur subsistieren, selbständig sein, indem sie auf ihr Ziel aus ist, das sie aus sich selbst auskehrend erreichen kann. Auch für Thomas ist deshalb der Mensch ein "noch jhm bau" befindliches Wesen, wie Luther formuliert hat(76). Dabei ist es primordial Gott, der am Menschen baut. Das freie Anderswerden des Menschen im Gegenüber zu Gott, von dem in der thomanischen Tugendlehre die Rede ist, ist entsprechend nicht die menschliche Erarbeitung von Tugendhaftigkeit, sondern die Entgegennahme (eingegossene Tugend, die von der Zuwendung Gottes abhängig bleibt) unseres mit Christus in Gott verborgenen neuen Lebens (Kol 3,3), das uns aus uns selbst herausversetzt. In dieser Weise ist auch der Glaube ganz Tat Gottes und ganz Tat des Menschen, aber in jeweils verschiedener Hinsicht(77).

Thomas von Aquin hat eine ausgeführte Anthropologie zu bieten, mit deren Hilfe genau angegeben werden kann, inwiefern der Mensch in dieser Welt in Freiheit und Unfreiheit auf Gott und seine Mitwelt bezogen ist(78), und mit deren Hilfe heute die Theologie ein Gespräch mit der Philosophie und den Humanwissenschaften führen könnte, wie es von Luther her nicht möglich ist(79). U. Kühn und O. H. Pesch fragen in ihrer Antwort an J. Baur, ob es wirklich ganz und gar illegitim sei, "von dem psychisch-anthropologischen Ort der Annahme der Rechtfertigung zu sprechen und daraufhin zu konkretisieren, was dort geschieht, wenn Gott sein sündiges Geschöpf vergebend anredet und an ihm zu wirken beginnt"(80). Ich denke, es ist nicht nur erlaubt, sondern geboten, nach diesem Ort zu fragen, und man tut es mit Vorteil unter Aufnahme der von Thomas von Aquin entwickelten Ansätze.

4. Substanz und Trinität

Wenn Thomas mit seiner Bemerkung recht hat, daß falsches Denken über das Geschaffene zu einem falschen Denken über Gott führt(81), dann muß der Ausfall des Substanzdenkens zu sehr gefährlichen Folgen für die Theologie führen, die über kurz oder lang die "Substanz" des Christlichen angreifen. Es ist zu vermuten, daß diese Gefahren in der Trinitätslehre (dem [nebst der Christologie] angestammten Übungsfeld für den Einbezug philosophischen Denkens in die Theologie(82)) und über sie dann in Christologie und Soteriologie etc. zur Auswirkung kommen könnten.

Natürlich weiß Thomas, daß Gott nicht ungebrochen als Substanz bezeichnet werden kann. Insofern mit dem Begriff der Substanz die Limitierung des Wesens und die Angewiesenheit auf Akzidentien ausgesagt ist, ist Gott nicht Substanz(83). Aber insofern die Substanz Selbständigkeit, Subsistenz, meint(84), ist auch im Hinblick auf Gott von "Substantialität" zu sprechen.

Gott ist nach Thomas esse subsistens, d. h. er hat nicht teil am Sein, sondern ist das subsistierende Sein selbst und damit Freiheitsfülle schlechthin(85). Auch diese Freiheitsfülle, Gottes Sein, und nicht nur Gottes Wesen ist uns von Natur aus unbekannt(86). Erst durch die Offenbarung Gottes in Jesus Christus wird Gott in seinem innertrinitarischen Leben erkennbar, das zeigt, daß Gott Superproduktivität ist und die trinitarischen Personen die göttliche Freiheitsfülle so vollziehen, daß sie selbst Hingabe sind. Das Moment der "Akzidentalität" taucht hier in verwandelter Form wieder auf(87), aber nun nicht als einschränkende "Vorgabe" für Gott, sondern als frei gewählte Vollzugsform göttlicher Liebe als Hinbezug zum Anderen.

Das Problem der "Substanz" und deren Fähigkeit, sich in den Akzidentien zu entäußern, wird heute indirekt in der Trinitätslehre im Zusammenhang mit der Frage nach den innertrinitarischen Hervorgängen thematisiert. Es gibt heute eine theologische Tendenz, die Rolle des innasziblen Vaters als fons divinitatis, der den Sohn zeugt und mit ihm zusammen den Geist haucht, zugunsten einer abstrakten Gegenseitigkeit (bloße "Re-lation") der trinitarischen Personen herunterzuspielen(88). Dem Vater wird nicht mehr zugetraut, dem Sohn die Fülle der Gottheit ("Substanz") so mitzuteilen, daß dieser dem Vater gleichwesentlich ist und entsprechend ­ sich zeugen lassend und so auf den Vater "zurückwirkend" ­ mit diesem zusammen den Geist hauchen kann(89). Es ist deshalb konsequent, daß das Filioque in diesen theologischen Ansätzen keine Rolle mehr spielt(90).

Das hat aber zur Folge, daß nicht mehr wirklich angebbar ist, worin die personale Unverwechselbarkeit der jeweiligen trinitarischen Person besteht, denn diese Unverwechselbarkeit gibt es nur im und durch den ordo der Hervorgänge oder gar nicht. Es ist dann nicht mehr verständlich, warum gerade der Sohn Mensch geworden ist.

Die Frage, warum der Sohn Mensch geworden ist, ist nur scheinbar müßig, denn in ihr geht es um die weitere Frage, inwiefern Gott sich uns in Jesus von Nazareth ganz und gar geschenkt hat, wie also die trinitarischen Personen in je eigener Weise gerade im Sohn ins Spiel kommen. Wie will man Hegels Kritik, die Liebe Gottes sei ein Spiel ohne Ernst(91), entgehen, wenn das innertrinitarische Leben nicht mehr im Ernst gegenseitiger Selbstmitteilung der Personen in den Prozessionen besteht? Wie kommt es dann noch zu einer wirklichen Differenz in Gott? Man kann versuchen, eine innertrinitarische Differenzierung durch den Weltbezug Gottes zu erreichen, löst damit aber Gottes Freiheit auf. Auf der anderen Seite ist ohne ordo processionum nicht mehr ersichtlich, wie die notwendige Wesenseinheit Gottes gewahrt werden kann. Soll man Jesus ­ in der Meinung, die bloße "Relation" des Vaters zum "Sohn" reiche ja ­ auf den Status eines bloßen Propheten zurückstufen, um die Göttlichkeit Gottes zu retten? Man verliert damit aber das Proprium christlichen Gottesverständnisses.

Deutlich ist, daß beide "Lösungen" das Kreuz und damit die Realität der Versöhnung entleeren würden. Ganz gewiß verfolgen weder Pannenberg noch Greshake dieses Ziel, aber eine nächste oder übernächste Generation wird da vielleicht konsequenter sein.

5. Zweideutiges "Ja" der Rechtfertigung?

Nach Thomas ist der Mensch als Substanz zunächst nur in bestimmter Hinsicht gut, nämlich insofern er Geschöpf ist. Erst mit seiner freien Ausrichtung auf Gott, also in der dankenden Annahme seines Geschaffenseins, wird er einfachhin gut(92). Daran scheitert aber der Mensch, weil er Gott nicht seinen Schöpfer sein lassen will, was das eigentliche Wesen der Sünde ausmacht(93). Er begibt sich damit auch in den Gegensatz zu seinen Mitgeschöpfen. Er ist nun nicht mehr nur "in bestimmter Hinsicht" gut, sondern böse. Das zieht Gottes Nein als notwendiges Moment des auf Widerstand treffenden Ja, d. h. das Gericht und den Zorn Gottes(94), nach sich und zeigt, daß es einer Bejahung des Menschen durch Gott bedarf, die über die Bejahung des Erschaffens hinausgeht.

Luther streicht mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit heraus, daß der Mensch, der versagt hat, von Gott sein Gutsein ohne jegliche menschliche Vorleistung aus reiner Gnade geschenkt bekommt. Gottes Ja zum Menschen ist voraussetzungslos: "Gottes Liebe findet das ihr Liebenswerte nicht vor, sondern schafft es", sagt Luther prägnant in der Heidelberger Disputation. Und er fährt fort: "Deswegen sind die Sünder nämlich schön, weil sie geliebt werden. Sie werden nicht geliebt, weil sie schön sind"(95). Gott setzt uns ins rechte Verhältnis zu sich selbst, ohne daß unsere Werke vorangegangen wären(96). Gerechtfertigt wird der Mensch durch Glauben, d. h., indem er kraft der Gnade diese annimmt.

Nun zeigt sich aber, daß nicht alle glauben, und so stellt sich die Frage, warum das so ist. Glauben sie nicht, weil sie nicht wollen? Dann liegt es also doch am Menschen, ob er gerechtfertigt wird oder nicht? Ist folglich der Glaube ein Werk höherer Ordnung? Wenn Hans Georg Pöhlmann unter Berufung auf die lutherischen Bekenntnisschriften schreibt, die Hand des Menschen könne sich nicht selber öffnen für die Gnade, sie müsse geöffnet werden von der Gnade, aber sie müsse sich öffnen lassen(97), sie könne sich verschließen, dann räumt er diese Bedenken nicht aus, sondern scheint sie zu bestätigen, denn sowohl das Sich-öffnen-Lassen als auch das Sich-Verschließen ist eine Tat des Menschen, die von entscheidender Bedeutung für die Rechtfertigung ist. Sowohl der Glaube als auch die Sünde sind eine "Position", d. h. eine Entscheidung, für die der Mensch verantwortlich ist, wie Kierkegaard richtig beobachtet hat(98). Das gilt unbeschadet der Tatsache, daß der Glaube wahre Freiheit und die Sünde Unfreiheit ist.

Um zu verhindern, daß der Glaube zum heilsentscheidenden, wenn auch durch die Gnade ermöglichten Werk des Menschen wird, hatte bereits Augustinus den Glauben von einer supralapsarischen (vor dem Fall) Prädestination Gottes abhängig gemacht(99), in der den Erwählten schon von allem Anfang an die zur Verdammnis bestimmte Masse gegenübergestellt wird. Augustinus hält ausdrücklich fest, daß ein Mensch auch nicht aufgrund eines durch Gott vorausgesehenen Glaubens erwählt wird. Die Erwählung "entstand nicht auf Grund von Werken, die es bei den Ungeborenen nicht gab, auch nicht auf Grund des Glaubens, den es ebenfalls noch nicht gab"(100). Thomas von Aquin ist ihm darin leider (auf seine Weise) ebenso gefolgt wie Calvin und Luther, der in De servo arbitrio auf den verborgenen Willen Gottes rekurriert, der die einen erwählt und die anderen nicht(101). Damit gerät aber das Ja Gottes zum Menschen in ein Zwielicht, denn nach neutestamentlichem Verständnis zeichnet sich Gottes Liebe gerade dadurch aus, daß sie keine Vorbehalte macht, sondern die Sonne über Guten und Bösen aufgehen und es über Gerechten und Ungerechten regnen läßt (Matth 5,45). ­ Stehen wir also vor der Alternative, entweder die menschliche Freiheit aufgeben oder die Gnade Gottes reduzieren zu müssen? Beides wäre fatal, denn wie Bernhard von Clairvaux zu Recht bemerkt: "Nimm den freien Willen weg und es gibt nichts, was gerettet werden kann. Nimm die Gnade weg und es gibt nichts, was rettet"(102).

Weil heute viele evangelische Dogmatiker die Unhaltbarkeit einer doppelten Prädestination einsehen und zugleich am radikalen Primat der Gnade festhalten wollen, propagieren sie die Lehre von der Allversöhnung(103). Dies ist aber nur eine ­ allerdings wesentlich sympathischere ­ Variante einer problematischen einseitigen Auflösung der scheinbaren Spannung zwischen menschlicher Freiheit und freier Gnade Gottes. Auch hier nimmt die Lehre von der Rechtfertigung ein zweideutiges Gepräge an, das kein echtes Gegenübersein von Gott und Mensch in Freiheit zuläßt. Muß das in der Rechtfertigungslehre explizierte Ja zweideutig bleiben, so daß der Streit um die Rechtfertigung notgedrungen an kein Ende kommen kann?

Wenn die Bejahung des Menschen durch Gott nicht nur ein Für-den-anderen-Handeln, sondern auch ein Mit-dem-anderen-Handeln impliziert, dann muß der Glaube zugleich als Gabe und als Tat des Menschen verstanden werden. Das in der Scholastik immer wieder zitierte Wort Augustins, Gott, der uns ohne uns erschaffen habe, werde uns nicht ohne uns rechtfertigen(104), bringt dies zum Ausdruck. Der Glaube ist die von der Gnade ermöglichte und getragene unverzichtbare freie Zustimmung(105) des Menschen zum Angebot Gottes, eine Zustimmung, die sich auch als Zuwendung zum Nächsten vollzieht (Mt 6,12 par; 18,21-35), wie O. H. Pesch betont: "Der Mensch, der glaubend die Vergebung Gottes angenommen hat, steht eben dadurch in der Grundverfassung der annehmenden Liebe zum Mitmenschen. Diese und die daraus folgenden guten Werke sind nichts anderes als der Dank an Gott für das unverdiente Geschenk der Vergebung"(106). Dieser Dank ist notwendiges Moment der Annahme des Geschenkes der Vergebung selbst. Als solche Zustimmung ist der Glaube kein Werk(107), wenn unter Werken mit Paulus der auf die Forderung des Gesetzes bezogene Versuch verstanden wird, sich aus eigener Kraft Gott gegenüber ins rechte Verhältnis zu setzen(108) ­ der verzweifelte Versuch des unfreien Willens, der als Verweigerung des Empfangens nur das Gegenteil des vom Menschen erwarteten Glaubens sein kann.

Die protestantische Vorordnung des Glaubens vor der Liebe will zu Recht betonen, daß alles gute Tun des Menschen aus dem Empfangen kommt. Mit der katholischen Seite wird man sich aber darüber verständigen können, daß der Glaube selber schon Liebe ist, denn wer im rechten Verhältnis zu Gott steht, der liebt ihn damit auch schon und steht deshalb auch im rechten Verhältnis zum Mitmenschen(109). Das Empfangen läßt sich gar nicht vom dankenden Weitergeben trennen. Auf der anderen Seite dürften die Katholiken zugestehen, daß echte Liebe sich der Quelle allen Lebens verdankt und insofern immer schon aus dem Glauben lebt(110).

Wie ist aber zu verhindern, daß die Betonung des Glaubens als freier Antwort des Menschen nicht wiederum zur Bedrohung der Ungeschuldetheit der Gnade wird? Die Betonung des Glaubens als Tat des Menschen scheint das Gratis der Gnade zu gefährden, während umgekehrt die Betonung des Gnadenhandelns Gottes den Menschen als Subjekt auszuschalten scheint. M. E. entgeht man dieser Aporie nur, wenn man das Schwergewicht von der Rechtfertigung auf die Christologie verlegt(111), die das Ja Gottes zum Menschen als jeglicher menschlicher Stellungnahme vorweg und diese überholend, aber nicht überspielend erweist. Diese Verlagerung erlaubt es, das "katholische" Anliegen der menschlichen Freiheit (hinter dem ein bestimmtes Gottesverständnis steht!) und das "protestantische" Anliegen der freien Gnade Gottes nicht nur als gleichermaßen legitim anzuerkennen, sondern darüber hinaus noch zu verstärken, ohne der genannten Aporie zu verfallen.

6. Christus: das Ja Gottes in Person

Die Gewißheit des unverbrüchlichen Ja Gottes zum Menschen hat ihren Ankerpunkt in Jesus Christus selbst (2Kor 1,19-20; Hebr 6,19), der für uns gestorben ist, als wir noch Gottes Feinde waren (Röm 5,10). Damit ist der Kern des christlichen Verständnisses der Bejahung des Menschen durch Gott erreicht. Hans Hübner stellt im zweiten Band seiner Biblischen Theologie des Neuen Testaments die entscheidende Frage im Hinblick auf diesen Kern: "Geschah die Versöhnung, nämlich daß Gott unser negatives Verhältnis zu sich aufhob, am Kreuz, also in der Vergangenheit des Karfreitags? Oder versöhnt uns Gott mit sich erst in dem Augenblick, da wir der Versöhnungspredigt glauben und uns so mit Gott versöhnen lassen?"(112)

Mit P. Stuhlmacher bin ich der Auffassung, daß die Frage entschieden im ersten Sinn zu beantworten ist. Für Stuhlmacher ist die Versöhnung in Christus "nach Paulus weit mehr als nur ein Versöhnungsangebot Gottes, das erst mit seiner Annahme durch die Menschen rechtskräftig wirksam wird. Nach Röm 5,6-11 hat Gott die Versöhnung bereits zu einer Zeit heraufgeführt, als ihre Empfänger noch gottlose Sünder waren. Sie war als Gottes Tat und Werk bereits vor der pistis ihrer Adressaten auf dem Plan und bleibt von Gott her eschatologisch gültig, ob sie durch Menschen angenommen wird oder nicht"(113). Mit Hans Urs von Balthasar ist dann daraus zu folgern, daß auch eine sich Gott gegenüber verschließende Person "um ihres durch Christus Getragenwordenseins willen" geliebt werden muß(114). Die Liebe Gottes in Christus zu jedem Menschen läßt sich nicht mehr rückgängig machen: Das ist die eigentliche frohe Botschaft, der gegenüber alles andere sekundär ist ­ auch die Rechtfertigung allein aus Glauben, die allerdings die notwendige Konsequenz der Liebe Gottes in Christus ist. Wenn dies einmal feststeht, kann auch ungezwungen danach gefragt werden, inwiefern der Glaube (auch) eine freie Stellungnahme des Menschen zum Angebot Gottes ist.

Wirklich glauben können wir nur, wenn wir in Christus die gänzliche Vorbehaltlosigkeit der Zuwendung Gottes zu uns erkennen können, eine Vorbehaltlosigkeit, die es überflüssig macht, den Glauben nun doch als eine Art Leistung zu verstehen, mit der wir Gott umstimmen müßten. Gerade die bereits geschehene Versöhnung ermöglicht, daß der Mensch sich mit Gott versöhnen läßt (2Kor 5,20). Das Gleichnis vom verlorenen Sohn, das eigentlich die Geschichte zweier verlorener Söhne erzählt, kann dies gut verdeutlichen. Nicht nur der jüngere Sohn, der in die Fremde zieht, sondern auch der ältere Sohn, der zu Hause bleibt, aber dem zurückgekehrten jüngeren Sohn das Fest nicht gönnt, ist ein verlorener Sohn, denn er ist dem Vater innerlich entfremdet. Wenn der Vater nun beteuert, daß der ältere Sohn immer bei ihm sei und alles, was dem Vater gehöre, auch ihm gehöre, dann können wir förmlich zusehen, wie Gott im Begriffe ist, den Glauben als Vertrauen zu schaffen. Wer weiß, daß das ganze Gut des Vaters immer schon ihm gehört, der oder die kann sich ­ als restlos durch die Bejahung Gottes gesichert ­ gänzlich loslassen. Das unbedingte Ja Gottes zu uns schafft das restlose Vertrauen des Glaubens, der die Verheißungen Gottes ergreift, indem er sich hörend (Röm 10,14) auf Gott hin losläßt.

Weil die Versöhnung unabhängig von unserer Stellungnahme bereits in Christus erfolgt ist(115), hat Luther zu Recht darauf gepocht, daß die Rechtfertigung durch Gott den Menschen aus sich selbst heraus versetze(116). Bei der vorgängig zu unserem Glauben geschehenen Versöhnung der Welt mit Gott in Christus gibt es rein gar nichts, was wir dazu hätten tun können. Das ist extra nos, d. h. ohne unsere Zustimmung, geschehen und kommt deshalb als "fremde Gerechtigkeit" auf uns zu(117). Es ist das bleibende (!) extra nos der uns zugeeigneten Gnade in Christus, die fremde Gerechtigkeit, die uns der unverbrüchlichen Liebe Gottes gewiß macht, denn das Befreiende am extra nos ist die Gewißheit, daß Gottes Ja zu uns unabhängig von unserem Versagen ist."Extra nos" heißt soviel wie "unabhängig von unserer Schwachheit". "Fremd" ist die Gerechtigkeit, weil wir vor Gott und von Gott gerechtfertigt werden. Aber diese uns von außen zugesprochene fremde Gerechtigkeit entfremdet uns nicht von uns selbst, sondern bringt uns vielmehr als Ja Gottes zu uns uns selbst nahe(118). Sie ist uns innerlicher als unser Innerstes, wie man in Anlehnung an Augustinus sagen kann(119).

Das extra nos bringt als Zentrierung auf die Person Christi noch eine weitere Zuspitzung des Gedankens der Bejahung des Menschen durch Gott mit sich. Paul Tillich hat den interessanten Versuch unternommen, das Anliegen der Rechtfertigungslehre in einer zeitgenössischen Terminologie zu formulieren. Seine zentrale These lautet: "Es gibt zwar im Menschen nichts, das Gott veranlassen könnte, ihn anzunehmen, aber gerade das ist es, was der Mensch annehmen muß. Er muß bejahen, daß er von Gott bejaht ist; er muß die Bejahung bejahen"(120).

Angesichts der Erfahrungen mit Schuld und Vergebung stellt sich aber die Frage, ob mit Tillichs Sicht der Rechtfertigung das Problem nicht erst beginnt. Befindet ein Mörder sich nicht in der Situation, daß ein tröstender Zuspruch von außen seine Schuldgefühle nur noch erhöhen muß? Bleibt die Aufforderung, sich selbst anzunehmen, weil man angenommen sei, nicht ein bloßer Appell, der beim Betroffenen das Mißverständis erzeugt, nur als Fall eines Allgemeinen gemeint zu sein? Hier könnte man tatsächlich von "fremder Gerechtigkeit" in einem entfremdenden Sinn sprechen. Offensichtlich muß das, was wir die Bejahung des Menschen durch Gott nennen, eine ganz besondere Qualität haben, damit einem Menschen die Selbstachtung zurückgeschenkt werden kann.

Das Kreuz Christi hat diese Qualität, denn im Kreuz begibt sich Gott in die Situation jedes einzelnen Menschen und trägt dessen Person mit all ihrem Versagen, wie Luther bekräftigt(121). Dadurch kann der Mensch wissen, daß Gott ihn nicht nach dem Gießkannenprinzip als bloßes Exemplar einer Gattung bejaht, sondern sich seiner ganz individuellen Not annimmt, indem er in trinitarischer Radikalität sein Sein für das Sein dieses Menschen einsetzt. Eben dies ist die bereits geschehene Versöhnung der Welt mit Gott. Ein bloßer Appell, sich selber zu akzeptieren, weil man doch angenommen sei, bleibt auf der anderen Seite und überbrückt den Graben zum Schuldiggewordenen nicht. Er dringt nicht wirklich in die Einsamkeit des anderen ein. Erst wenn der schuldige Mensch erfährt, daß da einer ist, der seine besondere Einsamkeit tiefer mit ihm teilt, als er sie selber jemals erfahren könnte, wird er fähig, sich als Angenommenen wahrzunehmen. Wenn diese Radikalität der Versöhnung gesehen wird, dann wird verständlich, inwiefern Gott die menschliche Freiheit nicht überspielt und ihrer doch mächtig ist, so daß die Hoffnung auf Allversöhnung als begründet erscheint(122). Weil es die Gottverlaßenheit dieses Menschen ist, in die sich der Gekreuzigte begeben hat, heißt Liebe zuhöchst: Ich gebe mich, meine Substanz (als Hin-Sein zum Vater), damit Du sein kannst. Wie es bei Johannes heißt: "Niemand hat größere Liebe als die, daß einer sein Leben hingibt für seine Freunde" (15,13). Das ist m. E. die Quintessenz der Gabe-Gesten Jesu beim Abendmahl. Mit diesen Gesten schenkt Jesus uns mit dem Vater zusammen in der Einheit des Geistes sich selbst und damit die ganze Fülle der Gottheit, die er vom Vater empfangen hat, unter, mit und in der konkreten Gestalt von Brot und Wein(123). Deshalb bejaht Gott den Menschen nicht nur, sondern er selbst ist die Bejahung des Menschen.

Fussnoten:

(1) Vgl. R. Frieling, Ökumenischer Grundkonsens in der Rechtfertigungslehre, in: MD 48 (1997), 28.
(2) Entscheidender Schritt. Die lutherisch-katholische Erklärung zur Rechtfertigungslehre, in: HerKorr 51 (1997), 191-200 (Nr. 17). Vgl. auch: Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre 1997. Endgültiger Vorschlag, in: LM 36, (1997), 10, 49-60.
Das Echo auf die Gemeinsame Erklärung ist im deutschsprachigen Raum sehr unterschiedlich ausgefallen. Das Spektrum reicht von offener Ablehnung (I. U. Dalferth, Kairos der Ökumene?, in: epd-Dokumentation 46 [1997], 52-58), harscher Kritik (E. Jüngel, Um Gottes willen ­ Klarheit! Kritische Bemerkungen zur Verharmlosung der kriteriologischen Funktion des Rechtfertigungsartikels ­ aus Anlaß einer ökumenischen "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre", in: ZThK 94 [1997], 394-406) und zögerlichem Ja (W. Härle, "Ja" mit Vorbehalt. Streit über die Erklärung zur Rechtfertigungslehre, in: EK 30 [1997], 719-721) bis zu enthusiastischer Zustimmung (H. G. Pöhlmann, Die Einheit ist zum Greifen nahe. Die lutherisch-katholische Erklärung zur Rechtfertigungslehre ist eine Sensation, in: EK 30 [1997], 479-482). Am angemessensten scheint mir der unaufgeregt-sachliche Kommentar von G. Wenz zu sein, der sich R. Frieling (vgl. Anm. 1) anschließt: "Hermeneutik des Vertrauens". Ein Gespräch mit dem evangelischen Systematiker Gunther Wenz, in: HerKorr 51 [1997], 617-622.
(3) Entscheidender Schritt, 196 (Nr. 40-44)
(4) Ebd. (Nr. 40).
(5) WA 40/1, 181,11-13.
(6) Entscheidender Schritt, 196 (Nr. 43).
(7) Vgl. U. Kühn, Die ökumenische Verpflichtung der lutherischen Theologie, in: ThLZ 122 (1997), 524-527.
(8) U. Kühn und O. H. Pesch, Rechtfertigung im Disput, 1991.
(9) H. G. Pöhlmann, Trennt die Rechtfertigungslehre wirklich noch die Konfessionen? ­ Kritische Anmerkungen zu der Streitschrift von Jörg Baur: "Einig in Sachen Rechtfertigung?" (1989), in: Einig in der Lehre von der Rechtfertigung, hrsg. von H. Schütte, 1990, 9-42.
(10) H. Küng, Rechtfertigung, 1986 (SP 674), 368.
(11) Vgl. nebst dem bereits zitierten Buch von Küng z. B. St. Pfürtner, Luther und Thomas im Gespräch, 1961; U. Kühn, Via caritatis, 1964; O. H. Pesch, Die Theologie der Rechtfertigung bei Martin Luther und Thomas von Aquin, 21985.
(12) L.c., 28.
(13) Die Quellen des Selbst, 1996, 899.
(14) Ebd. 480.
(15) Ebd.
(16) "Paulus ... breviter hominis definitionem colligit dicens: hominem iustificari fide": Disputatio de homine 32, in: G. Ebeling, Lutherstudien, Bd. 2: Disputatio de homine. 1. Teil, 1977, 22.
(17) Vgl. Entscheidender Schritt, 193 (Nr. 15 und 18).
(18) Ebd. (Nr. 15).
(19) Das von der Relation ausgehende lutherische Denken will durchaus "Ontologie" sein: G. Gloege, Der theologische Personalismus als dogmatisches Problem, in: KuD 1 (1955), 23-41; G. Stammler, Ontologie in der Theologie?, in: KuD 4 (1958), 143-175; W. Joest, Ontologie bei Luther, 1967; W. Härle/E. Herms, Rechtfertigung. Das Wirklichkeitsverständnis des christlichen Glaubens, 1979, 41-76; G. Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens, Bd. 1, 21982, 346 ff. Ob diese Formen der "Ontologie" den von Platon und Aristoteles herkommenden Problembestand zureichend aufzunehmen vermögen, ist allerdings fraglich.
(20) Vgl. M. Bieler, Karl Barths Auseinandersetzung mit der analogia entis und der Anfang der Theologie, in: Catholica 40 (1986), 229-245.
(21) Der Gott Jesu Christi, 1982, 197. Die Substanzontologie läßt sich nicht mit dem Hinweis auf die moderne Physik erledigen (so Joest, Ontologie bei Luther, 36). Da sind die Akten noch längst nicht geschlossen. Vgl. z. B. zum Thema R. J. Connell, Substance and Modern Science, 1988. Zu fragen ist, welche Substanzontologie nicht mit der modernen Physik kompatibel ist: H.-D. Mutschler, Physik und Neothomismus, in: ThPh 68 (1993), 25-51.
(22) Für die katholische Theologie vgl. dazu D. Sattler, Beziehungsdenken in der Erlösungslehre. Bedeutung und Grenze, 1997.
(23) BoA 5, 323 (These 43).
(24) L.c., 28.
(25) WA 56, 371,1-372,25. Vgl. auch G. Ebeling, Lutherstudien, Bd. II/1, 69 in seinem Referat über Ockham: "Die Orientierung an der Substanz als dem für sich Bestehenden, also nicht in einem andern Subsistierenden, lenkt den Blick auf das Einzelwesen. Das wird dadurch unterstrichen, daß die Definition sich auf die Bestimmung des Menschen (essentia) konzentriert, also auf das, was die betreffende Substanz in sich selbst ist, abgesehen von ihren Externrelationen".
(26) In duodecim libros Metaphysicorum Aristotelis expositio (Marietti) 7,17 (1657 f.). G. Ebelings Darstellung des philosophischen Verständnisses von "Ziel" insinuiert, daß Philosophie und Scholastik weder den Deus creator angemessen erkannten (Lutherstudien, Bd. II,2, 1982, 365), noch das Ziel des Menschen als Ziel "nicht nur seiner Akte, sondern seines Seins" in den Blick bekamen (ebd. 373). Für Thomas ist es aber eine Grundeinsicht, daß sich Akte und Sein nicht trennen lassen. In der Beschäftigung mit dem homo peccator den Hauptunterschied zwischen Luther und der Scholastik zu sehen (ebd. 390), der Luthers Diagnose eines verfehlten Zielbezuges der Philosophie legitimiere, ist nicht gerechtfertigt. In der Tugendlehre des Thomas werden z. B. die Tugenden immer mit den entsprechenden (theologisch dimensionierten) Lastern konfrontiert, und Thomas ist sich auch in seiner Erkenntnislehre bewußt, daß er es mit dem Menschen nach dem Fall zu tun hat. Nach Christus läßt sich nicht mehr kategorisch behaupten, die Philosophie habe keine Erkenntnis der Sünde (ebd. 415). (Es gibt auch Philosophen, die ihre Bibel gelesen haben!) Daß Thomas Metaphysik im theologischen Kontext betreibt, hat weder seiner Philosophie noch seiner Theologie geschadet ­ im Gegenteil.
(27) Ausführlich dazu: M. Bieler, Freiheit als Gabe. Ein schöpfungstheologischer Entwurf, 1991, 211-376.
(28) Offener ist die Konkordienformel, die den Gebrauch der Begriffe substantia und accidens in der theologischen Diskussion für unverfänglich hält (Epitome I,13 [BSELK, 775]).
(29) "Das eine Grundwort ist das Wortpaar Ich-Du. Das andere Grundwort ist das Wortpaar Ich-Es; wobei ohne Änderung des Grundwortes, für Es auch eins der Worte Er und Sie eintreten kann" (Das dialogische Prinzip, 51984, 7).
(30) Das Problem des Menschen, 1982, 27-28.
(31) Zum Ethos der Sachlichkeit vgl. J. Pieper, Die Wirklichkeit und das Gute, 71963, 83-88.
(32) Als Theorie ist alle Theologie mit dem Problem der "Abstraktheit" konfrontiert, gleichgültig, ob man sich z. B. mit A. N. Whitehead oder mit Thomas von Aquin beschäftigt.
(33) La participation dans la philosophie de S. Thomas d’Aquin, 1942, 102. "’Sachlichkeit’ und Leidenschaft passen gut zusammen" (Pieper, l.c., 86). Von daher gesehen ist der Versuch O. H. Peschs, den Unterschied zwischen Luther und Thomas auf die Formel "existentielle und sapientiale Theologie" zu bringen, nicht unproblematisch (Existentielle und sapientiale Theologie. Hermeneutische Erwägungen zur systematisch-theologischen Konfrontation zwischen Thomas und Luther, in: ThLZ 92, [1967], 731-742). Vgl. aber auch Pesch: "Die sapientiale Theologie des heiligen Thomas ist selbst eine Weise von existentiellem Vollzug des Gottesverhältnisses. Denn sie ist contemplatio, und contemplatio ist Hingabe" (Theologie der Rechtfertigung, 946).
(34) Summa contra gentiles II,2 (861).
(35) Via caritatis, 222.
(36) Vgl. dazu F. Ulrich, Gegenwart der Freiheit, 1974, 92-158.
(37) B. Casper, Franz Rosenzweigs Kritik an Bubers "Ich und Du", in: Martin Buber, hrsg. von J. Bloch und H. Gordon, 1983, 173. Nach Rosenzweig hat u. a. E. Lévinas die Bedeutung der dritten Person betont: "Jenseits des Seins ist eine dritte Person ... Das Profil, das die unumkehrbare Vergangenheit durch die Spur gewinnt, ist das Profil des ’ille’: Jener. Das Jenseits, aus dem das Antlitz kommt, ist die dritte Person" (Die Spur des Anderen. Untersuchungen zur Phänomenologie und Sozialphilosophie, übers. und hrsg. von N. Krewani, 1983, 229). Lévinas’ Kritik an der Ontologie trifft Thomas nicht. R. Spaemann verweist zu Recht auf die Nähe des Gedankens vom "Jenseits des Seins" (vgl. Platon, Politeia 509 b: "epekeina tes usias") bei Lévinas zum thomanischen actus essendi (Personen. Versuche über den Unterschied zwischen "etwas" und "jemand", 1996, 136).
(38) Ebd.
(39) Vgl. dazu auch Bieler, Freiheit als Gabe, 28 ff.
(40) I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, Werke in 10 Bänden, hrsg. von W. Weischedel, Bd. 3, 1981, 30-31,78.
(41) G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, PhB 114, 492.
(42) Vgl. H. Rombach, Strukturontologie. Eine Phänomenologie der Freiheit, 1971.
(43) Den Unterschied zwischen thomanischem Substanzverständnis und dem Substanzverständnis der neuzeitlichen Metaphysik (vgl. W. Schulz, Der Gott der neuzeitlichen Metaphysik, 71982) betont auch H. Chr. Schmidbaur, Personarum Trinitas, Die trinitarische Gotteslehre des heiligen Thomas von Aquin, 1995, 508.
(44) Vgl. dazu R. Descartes, Meditationes de prima philosophia, PhB 250a.
(45) Vgl. H. U. von Balthasar, Theologik, Bd. 1, 1985, 145-175.
(46) Buber, Das Problem des Menschen, 165.
(47) Der Andere, 21981.
(48) Vgl. F. Ulrich, Armut und Reichtum der Freiheit. Eine philosophische Meditation, in: EvTh 46 (1986), 46-73 und Bieler, Freiheit als Gabe, 456-491.
(49) Vgl. J. Pieper, Über die Liebe, 41977, 38-45.
(50) Summa theologiae II-II,25,7.
(51) Vgl. A. Wohlmann, L’élaboration des éléments aristotéliciens dans la doctrine thomiste de l’amour, in: RThom 82 (1982), 247-269.
(52) Summa theologiae II-II,23,1. Zu ähnlichen Gedanken Barths vgl. den schönen Aufsatz von W. Krötke, Gott und Mensch als "Partner". Zur Bedeutung einer zentralen Kategorie in Karl Barths Kirchlicher Dogmatik, in: Theologie als Christologie, hrsg. von H. Köckert und W. Krötke, 1988, 106-120.
(53) Vgl. W. Thüsing, Gott und Christus in der paulinischen Soteriologie: Per Christum in Deum, 31986, 115 ff.
(54) Großer Katechismus II,1, in: BSELK, 648.
(55) Bieler, Freiheit als Gabe, 307 ff.
(56) Vgl. F. Schleiermacher, Der christliche Glaube, Bd. 1, hrsg. von M. Redeker, 1960, 30.
(57) In duodecim libros Metaphysicorum Aristotelis expositio 12,1 (2419). Vgl. dazu John F. X. Knasas, The Preface to Thomistic Metaphysics, 1990.
(58) Summa theologiae I,75,5 ad 1.
(59) Balthasar, Theologik, Bd. 1, 54,112.
(60) De veritate 1,1.
(61) Personsein und Menschenwürde bei Thomas von Aquin und Martin Luther, in: ThPh 65 (1990), 504. Schockenhoffs Aufsatz ist vorzüglich.
(62) Ebelings Rede von der Polarität von "Alleinwirksamkeit Gottes und relativer Selbständigkeit der Kreatur" (Dogmatik des christlichen Glaubens, Bd. 1, 324-325) ist nicht paradox, sondern widersprüchlich, denn eine durchgängige Alleinwirksamkeit Gottes schliesst per se eine relative Selbständigkeit der Kreatur aus. Anders sieht es aus, wenn man ­ sinnvollerweise ­ von einer "Allwirksamkeit" Gottes spricht.
(63) Scriptum super libros Sententiarum I,37,1,1.
(64) "Quae autem ex infusione divina causantur, non solum indigent actione divina in sui principio, ut esse incipiant, sed in tota sui duratione, ut conserventur in esse" (De caritate 6).
(65) Gegen Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens, Bd. 1, 386 ff.
(66) Thomas von Aquin, De potentia 3,3 c.
(67) Ebd. 5,1 ad 2.
(68) Thomas von Aquin, Compendium theologiae 1,130.
(69) Ebd.
(70) Thomas von Aquin, De potentia 5,1 c. Wenn Ebeling schreibt, die Kreatur werde nicht aus der Abhängigkeit des Entstehens in die Unabhängigkeit des Bestehens versetzt, weil die Kreatur auch in ihrem Bestehen vom Schöpfer abhängig bleibe (Dogmatik des christlichen Glaubens, Bd. 1, 323), und diese Auffassung pauschal von der Substanzontologie absetzt (ebd. 221), dann hat er leider trotz umfangreicher historischer Studien nicht verstanden, was "Substanz" bei Thomas von Aquin bedeutet.
(71) Schockenhoff l.c., 506.
(72) Nach wie vor sehr instruktiv zu den verschiedenen Facetten des Substanzbegriffes bei Thomas von Aquin: L. Oeing-Hanhoff, Ens et unum convertuntur. Stellung und Gehalt des Grundsatzes in der Philosophie des Hl. Thomas von Aquin, 1953.
(73) Thomas von Aquin, In duodecim libros Metaphysicorum Aristotelis expositio 5,9 (891-892).
(74) "Cum omnis res sit propter suam operationem" (Summa theologiae,I,105,5 c).
(75) Vgl. F. Ulrich, Homo abyssus, 1961, 148.
(76) WA 39/1, 252,8-15.
(77) Thomas von Aquin, Summa contra gentiles III,70 [2466].
(78) Vgl. dazu im einzelnen Pesch, Theologie der Rechtfertigung.
(79) Vgl. z. B. St. Pfürtner, Triebleben und sittliche Vollendung, 1958 und E. Schockenhoff, Naturrecht und Menschenwürde. Universale Ethik in einer geschichtlichen Welt, 1996.
(80) Rechtfertigung im Disput, 57.
(81) "Nam error circa creaturas redundat in falsam de Deo sententiam ..." (Summa contra gentiles II,3, 869).
(82) "Ich möchte vielmehr hinweisen auf eine spezifische Möglichkeit, die gerade in der griechischen Ontologie für die Entfaltung der christlichen Botschaft lag. Ich möchte sie als Radikalisierung bezeichnen ..." (F. Ricken, Zur Rezeption der platonischen Ontologie bei Eusebios von Kaisareia, Areios und Athanasios, in: Metaphysik und Theologie, hrsg. von K. Kremer, 1980, 125). Die das griechische Denken umformende Rezeption griechischer Ontologie half, Gott "als die sich ewig an ihr personales Ge-genüber verschenkende Liebe" (ebd. 127) zu denken.
(83) Thomas von Aquin, De potentia 7,3 ad 4; 7,4 c.
(84) Ders., Summa contra gentiles II,54 (1292).
(85) Ders., Summa theologiae I,4,2 ad 3.
(86) Ebd. 3,4 ad 2.
(87) "Licet enim in Deo nullum sit accidens, est tamen quaedam similitudo accidentis, in quantum ea quae de se invicem praedicantur secundum accidens et differunt ratione, sunt unum subiecto" (Ders., De potentia 8,2 ad 6).
(88) W. Pannenberg, Systematische Theologie, Bd. 1, 1988, 304 f., 308, 340, 350 f., 354, 362; G. Greshake, Der dreieinige Gott, 1997, 63-64, 109,187, 192-196, 200-207. Wenn man in der Trinitätslehre vom (in der Auferstehung durch den Vater bestätigten) Verhalten Jesu gegenüber dem Vater ausgeht, das Pannenberg als "Selbstunterscheidung" Jesu vom Vater beschreibt, in dem der Sohn "seine Gottheit vom Vater empfängt" (Systematische Theologie, Bd. 1, 338), dann gibt es dazu tatsächlich "eine Entsprechung auf seiten des Vaters" (ebd.), die den von Rahner und Jüngel verwendeten und von Pannenberg kritisierten (ebd. 334-335) Leitbegriff der Selbstmitteilung Gottes nahelegt. Wie anders als in Selbstmitteilung und rückgebendem Selbstempfang ist es möglich, dass "der sich selbst von anderem Unterscheidende" "sich selber zugleich als abhängig bestimmt von dem anderen, von dem er sich unterscheidet" (ebd. 340 Anm. 170)?
(89) "Est autem origo originans perfectior quam non originans, et perfectior est origo originans originantem quam originans non originantem: ergo si ibi est perfecta origo, necesse est, esse Patrem producentem Filium originantem et Spiritum sanctum originatum" (Bonaventura, Hexaemeron, übers. und eingel. von W. Nyssen, 1964, 360). Zur Trinitätstheologie Bonaventuras vgl. jetzt die tiefschürfende Arbeit von K. Obenauer, Summa Actualitas, 1996. Zum Problem der innertrinitarischen Zeugung des Sohnes durch den Vater vgl. auch Bieler, Freiheit als Gabe, 173 ff.
(90) Pannenberg, Systematische Theologie, Bd. 1, 344 f.; Greshake, Der dreieinige Gott, 213.
(91) Phänomenologie des Geistes, 20.
(92) Summa theologiae I,5,1 c.
(93) "Non ’potest homo naturaliter velle deum esse deum’, Immo vellet se esse deum et deum non esse deum": M. Luther, Disputatio contra scholasticam theologiam 17, in: BoA 5, 321.
(94) Ausführlich zu Gericht und Zorn Gottes: M. Bieler, Befreiung der Freiheit. Zur Theologie der stellvertretenden Sühne, 1996, 108-172.
(95) BoA 5, 391-392.
(96) WA 56, 172,3 ff.
(97) Trennt die Rechtfertigung wirklich noch die Konfessionen?, 29.
(98) Die Krankheit zum Tode, 1971, 96-100.
(99) Logik des Schreckens, Augustinus von Hippo. Die Gnadenlehre von 397, hrsg. von K. Flasch, 1990.
(100) Ebd. 167.
(101) BoA 3, 220,33 ff. Vgl. zum Ganzen G. Rost, Der Prädestinationsgedanke in der Theologie Martin Luthers, 1966. Spätestens seit Barths Prädestinationslehre in KD II,2 ist Luthers Lehre vom deus absconditus in De servo arbitrio, soweit sie den Gedanken einer doppelten Prädestination enthält, trotz des an sich sympathischen Interpretationsversuches von E. Jüngel, in: ders., Entsprechungen: Gott ­ Wahrheit ­ Mensch, 202-251, niemandem mehr zumutbar (gegen Baur, Einig in Sachen Rechtfertigung?, 43). Anders steht es mit dem lutherischen Gedanken, daß Gott sich im Kreuz verbirgt: "Patet, quia dum ignorat Christum, ignorat Deum absconditum in passionibus" (Heidelberger Disputation 1518, Probat. Th. 21, in: BoA 5, 388). Dieser Gedanke der "präzisen Verborgenheit" (Jüngel, Entsprechungen, 250) Gottes ist unaufgebbarer Bestandteil christlicher Theologie.
(102) Berhard von Clairvaux, De gratia et libero arbitrio I.2, in: ders., Sämtliche Werke, Bd. 1, hrsg. von G. B. Winkler, 1990, 174.
(103) H. Rosenau, Allversöhnung, 1993; J. Chr. Janowski, Eschatologischer Dualismus, in: JBTh 9 (1994), 175-218; J. Moltmann, Das Kommen Gottes, 1995, 262-284. Die Lehre von der Allversöhnung ist streng von der notwendigen Hoffnung auf Allversöhnung zu unterscheiden! Kritisch zu dieser Unterscheidung: W. Härle, Dogmatik, 1995, 627-628.
(104 )Vgl. Thomas von Aquin, Summa theologiae I-II,111,2 ad 2. Vgl. auch Luthers Interpretation in: WA 39/1, 96.
(105) O. H. Pesch, Gottes Gnadenhandeln als Rechtfertigung des Menschen, in: MySal 4/2, 858. Vgl. auch F. Hahn, Taufe und Rechtfertigung, in: Rechtfertigung, hrsg. von J. Friedrich, W. Pöhlmann und P. Stuhlmacher, 1976, 122 A. 107.
(106) Ebd. 882.
(107) "Nam illud dicitur proprie opus, quod respicit legem. Igitur fides non est opus, quia respicit tantum promissionem" (M. Luther, WA 39/1, 90,20-22). "Si nullum opus iustificat, neque fides iustificat, id est, in quantum est opus" (ebd. 91,9-10).
(108) Vgl. K. Kertelge, "Rechtfertigung" bei Paulus, 1967, 251.
(109) Wenn im "Göttinger Gutachten" die Auffassung vertreten wird, es gehe nicht an, den Glauben mit der Liebe zu identifizieren, die aus ihm erst hervorgehe (Göttinger Gutachten: Überholte Verurteilungen? Die Gegensätze in der Lehre von der Rechtfertigung, Abendmahl und Amt zw. dem Konzil von Trient und der Reformation ­ damals und heute, hrsg. von D. Lange, 1991, 45), so ist zu fragen, wie ein solcher Glaube vom bloßen Historienglauben zu unterscheiden ist. Ist "Vertrauen" (ebd.) ohne Liebe zu Gott denkbar? Differenzierter als das Göttinger Gutachten ist Baur, wenn er konzediert, daß im Empfangen des Glaubens "gewiß auch die dankende Bewegung der Liebe auf Gott hin" ist (Einig in Sachen Rechtfertigung?, 75).
(110) "Das Christliche wird im ersten Zug darin bestehen, diesen Vorrang anzuerkennen: ’Das ist die Liebe, nicht daß ..., sondern daß er ...’ Solche Anerkennung der Priorität der Liebe Gottes vor der unseren heißt Glaube. Und Glaube heißt: Sich-schenken-Lassen der Liebe Gottes, indem man Gott seine Liebestat läßt, sie zuläßt, sie an sich geschehen läßt. Solches Gewährenlassen wird dann zum innersten Grund der menschlich-antwortenden Liebe und zu dem, was sie selbst auf den Weg setzt. Aber wie unmöglich wäre es nun, wenn man im Vollziehen der Liebe ihren Ursprung vergäße, in eigener Regie lieben wollte, ohne den Empfang der Liebe zu verdanken!" (H. U. von Balthasar, Klarstellungen. Zur Prüfung der Geister, 1971, 49). Zur Frage, wie es im Hinblick auf Nicht-Christen zu verstehen ist, daß alle echte Liebe aus dem Glauben lebt, vgl. M. Seckler, Instinkt und Glaubenswille, 1961.
(111) "Der articulus stantis et cadentis ecclesiae ist nicht die Rechtfertigungslehre als solche, sondern ihr Grund und ihre Spitze: das Bekenntnis zu Jesus Christus, ’in welchem alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen liegen’ (Kol 2,3): die Erkenntnis seines Seins, seines Tuns für uns, an uns und mit uns. Es würde sich wahrscheinlich zeigen lassen, daß im Grunde das die Meinung auch Luthers gewesen ist. Läßt man Christus hier wie überall die Mitte, den Ausgangs- und Zielpunkt des christlichen Denkens sein, dann wird dafür gesorgt, daß es diesem an Einheitlichkeit und Zusammenhang ­ im besten Sinn des Begriffs: an Systematik ­ nicht fehlen wird. Das Problem der Rechtfertigung bedarf keiner künstlichen Verabsolutierung und Monopolstellung. Es hat seine besondere Würde und Notwendigkeit, der man nicht schlechter, sondern besser gerecht wird, wenn man es ­ ohne ihm einen Totalitätsanspruch zuzuschreiben, der ihm nicht angemessen ist, und also ohne alle und jede Frage auf sie zuzuspitzen oder in ihr aufgehen zu lassen oder unter Berufung auf sie ganz abzuweisen - in seiner Beschränkung dieses Problem sein läßt und als solches zu beantworten sucht" (K. Barth, KD IV, 1, 588-589). Diese Sätze Barths sind (mit der entsprechenden Begründung ebd. 581-589) auch gegen E. Jüngels Vorwurf, die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" (vgl. Anm. 2) anerkenne die Rechtfertigungslehre nicht als einziges "Identifikationskriterium des Christlichen" (Um Gottes Willen ­ Klarheit, 397 ff.), geltend zu machen.
(112) Biblische Theologie des Neuen Testaments, Bd. 2, 1993, 227.
(113) P. Stuhlmacher, Biblische Theologie des Neuen Testaments, Bd. 1, 1992, 319. Zu betonen bleibt, daß der "Mensch" in Person des einen Menschen Jesus von Nazareth natürlich sehr wohl in der "extra nos" stattfindenden Versöhnungstat Gottes engagiert ist, wie Barth eindrücklich in KD IV,2 betont hat.
(114) H. U. von Balthasar, Thodramatik, Bd. II,2, 1978, 455.
(115) So auch O. Hofius, Paulusstudien, 1989, 3. Zur Frage, wie eine solche Versöhnung als stellvertretende Sühne möglich sein soll, vgl. Bieler, Befreiung der Freiheit.
(116) WA 40/1, 589,25-28.
(117) "Aliena iustitia, id est Christi" (WA 39/1, 436,6).
(118) WA 56, 229,14 ff.
(119) "Tu autem eras interior intimo meo et superior summo meo" (Confessiones II,6 [11], in: CChr.SL 27, 33).
(120) Systematische Theologie, Bd. 2, 1987, 192.
(121) WA 40/1, 436,13-16.
(122) Vgl. M. Bieler, Der Grund der Gelassenheit. Die Frage nach der Allversöhnung als Weg zu Gott, in: GuL 60 (1987), 23-39; ders., Befreiung der Freiheit, 387-407.
(123) Vgl. BSELK, 983, 12 ff.