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Ausgabe:

November/2006

Spalte:

1223–1225

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Udeani, Monika:

Titel/Untertitel:

Auferbauung ­ eine vergessene Dimension der Gemeindeleitung. Ansätze zu einer neuen Praxis und Spiritualität des Gemeindeleitens.

Verlag:

Würzburg: Echter 2006. 263 S. m. Abb. gr.8° = Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge, 63. Kart. Euro 25,00. ISBN 3-429-02761-6.

Rezensent:

Alfred Seiferlein

Traditionell sind in der katholischen Kirche Leitungsaufgaben in besonderer Weise mit dem geweihten Amt verbunden. Während in den vorwiegend beratend tätigen Pfarrgemeinderäten sog. Laien den Vorsitz führen, wird die weitaus wichtigere Kirchenverwaltung mit umfangreichen Kompetenzen in finanziellen und ökonomischen Fragen grundsätzlich von einem Priester geleitet. Abseits dieser formalen Gremienkompetenzen fragt die vorliegende Innsbrucker Dissertation grundsätzlich nach Funktionen des Gemeindeleitens, die nicht unmittelbar an die Sakramente und an die Verkündigung gebunden, die aber dennoch für das Leben einer Pfarrei wichtig sind. Die Untersuchung lässt dabei die noch weithin gängigen Vorstellungen von der Leitung katholischer Pfarreien hinter sich und erörtert Möglichkeiten eines Miteinanders von Priestern und Gemeindegliedern jenseits eines stark priesterzentrierten Gemeindeverständnisses.

Ausgangspunkt der Arbeit sind weniger theologische Reflexionen, sondern überwiegend praktische Beobachtungen bzw. Notwendigkeiten. Auf der pastoraltheologischen Ebene wird grundsätzlich gefragt, inwiefern vom seelsorgerlichen Handeln bei gemeindeleitenden Tätigkeiten gesprochen werden kann. Es ist eine erklärte Intention der Arbeit, eine partnerschaftliche Einbindung der engagierten Gemeindeglieder in die seelsorgerlichen Aufgaben (wobei das poimenische Verständnis extrem weit gefasst wird) der Gemeinde zu fördern. Die Vfn. analysiert, dass vielfach bei gemeindeleitenden Personen ein Großteil der Arbeitszeit von organisatorischen Angelegenheiten, planerischen Aufgaben und von Verwaltungsvorgängen absorbiert wird, explizit theologische Anforderungen dagegen nur relativ selten gestellt werden.

Für ihr Forschungsprojekt bringt die Vfn. persönliche Erfahrungen als Pastoralassistentin einer Pfarrei und als Gemeindeberaterin in der Diözese Linz ein. Ihre Gemeindearbeit und die Zusammenarbeit mit ehrenamtlich Mitarbeitenden werden dabei praktisch-theologisch reflektiert. Die biographischen Erfahrungen der Vfn. als kirchliche Mitarbeiterin und zugleich als Familienfrau bereichern die Arbeit nachhaltig. In ihren pastoraltheologischen Reflexionen beleuchtet sie sowohl die Spannungen beider Funktionen, als auch die Gemeinsamkeiten. Sie kann in beiden Bereichen von »Beruf» und auch von »Berufung« sprechen und interessante Gemeinsamkeiten aufzeigen. Parallelen zu den Erfahrungen evangelischer Gemeindepfarrerinnen sind evident, werden aber nicht thematisiert.

Indessen liegt der Schwerpunkt der Untersuchung bei den hauptamtlichen Gemeindeleitenden. Begründet wird diese Fokussierung auf Pfarrer, Pfarrmoderatoren und Pfarrassistenten/innen mit der empirischen Vorfindlichkeit: Noch immer liegt die Verantwortung für die Gemeinden in ihren Händen. Mitte der Untersuchung sind qualitative Interviews mit acht bzw. neun gemeindeleitenden Personen der Diözese Linz, die im Anhang der Publikation dokumentiert sind. Als Ziel des Forschungsprojekts nennt die Vfn. in ihrem Anschreiben an die Gemeindeleitenden: »Mein Interesse gilt vor allem der Auferbauung in relativer Abgrenzung der Verkündigung (Predigt, Katechese usw.) und zur Heiligung (Feier der Sakramente usw.)«. Selbstverständlich weiß die Fragestellerin, dass die drei Bereiche »wesensmäßig zusammen gehören. Der Bereich der Auferbauung erscheint mir jedoch im Unterschied zu den anderen beiden Bereichen theologisch weniger intensiv beleuchtet zu sein« (beide Zitate: 100). Natürlich besitzen in der katholischen Theologie sakramentale Fragen ein Übergewicht gegenüber kybernetischen Überlegungen, diesbezüglich ist der Vfn. zuzustimmen; aber im Amtsverständnis werden nach römischem Verständnis doch nun gerade die drei Bereiche auf das Engste miteinander verbunden.

Die Untersuchung versucht etwas pastoraltheologisch auseinanderzuhalten, was nach römisch-katholischem Verständnis aus dogmatischen Gründen untrennbar verbunden ist und bleiben soll, jedenfalls nach gegenwärtiger Einschätzung. Dabei beklagt die Vfn. selbst »wiederholt die Schwierigkeit einer klaren und eindeutigen Abgrenzung des Bereichs der Auferbauung von jenen der Verkündigung und der Heiligung« (92). Dieses Grundproblem können auch die Interviews und die Auswertung letztlich nicht lösen, auch wenn die Vfn. selbst den »Begriff der Auferbauung zusehends konkreter und griffiger« (144) definiert empfindet. Es bleibt festzuhalten: Gemeindeleitung und Gemeindeaufbau verhalten sich komplementär zueinander!

Diese kritischen Anmerkungen dürfen aber den Blick auf die gesamte Arbeit keinesfalls trüben. Die vorgelegte Untersuchung ist ein wichtiger und bemerkenswerter Beitrag zur praktisch- theologischen Forschung. Die Interviews wurden methodisch kenntnisreich geführt und aufwändig ausgewertet. Die Verarbeitung und Beurteilung der Ergebnisse zeigt Strukturen, Probleme und Chancen von Gemeindeleitung auf, die in dieser Form und Gründlichkeit noch nicht vorgetragen wurden. Die Analysen z. B. zu den »Kraftquellen«, aus denen gemeindeleitende Personen schöpfen, werden mit aussagekräftigen Zitaten aus einzelnen Interviews belegt. Der Leser erfährt, welche Bedeutung für die betroffenen Personen z. B. die persönliche Spiritualität, der Austausch mit anderen oder die Weiterbildung besitzen.

Viele Überlegungen und Ergebnisse sind ökumenisch übertragbar, auch wenn die Dissertation ausschließlich katholische Gemeinden und Gemeindeleitende im Blick hat. Sicherlich war diese Begrenzung sachlich und quantitativ notwendig. Gleichwohl muss doch bedauert werden, dass für die Arbeit keine einzige evangelische Publikation zum Gemeindeaufbau bzw. zur Gemeindeleitung zur Kenntnis genommen wurde.