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Ausgabe:

November/2006

Spalte:

1214–1217

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Haas, Hanns-Stephan:

Titel/Untertitel:

Diakonie Profil. Zwischen Tradition und Innovation.

Verlag:

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2004. 322 S. m. Abb. 8°.= Leiten. Lenken. Gestalten, 15. Kart.Euro 29,95. ISBN 3-579-05307-8.

Rezensent:

Arnd Götzelmann

Seit die Diakonische Akademie als bundesweite Fort- und Weiterbildungsinstitution des Diakonischen Werkes der EKD in der Rechtsform der gGmbH sich ökonomisch selbst tragen muss, steht auch sie und damit zuförderst ihr Direktor, der evangelische Theologe und Vf. des zu rezensierenden Bandes, Hanns-Stephan Haas, in der Wettbewerbssituation des Bildungsmarktes. Man merkt seinem Band an, dass er eben unter diesen Bedingungen der Ökonomisierung tendenziell aller gesellschaftlicher Systeme verfasst ist. Dennoch wird in der Zusammenstellung und Argumentationsweise deutlich, dass es vor allem um theologische Profilierung gehen soll. So wird die »innere Mitte« des Buches auch beschrieben als »Suche nach dem unverwechselbaren Auftrag und den besonderen Gestaltungsaufgaben der Diakonie« (9). Der Reihenherausgeber Jäger beschreibt in seinem Vorwort die »innere Mitte« des Buches als »die schlichte Tatsache, dass der Autor ein Theologe in leitender Stellung ist« (7), ein diakonischer »Bildungs-Manager« (7).

Man kann diese Publikation wie Reihenherausgeber und Vf. als Sammlung von Gelegenheitsschriften aus »fast zehn Jahren« (9) verstehen. Jäger führt den Band so ein: »Seine Texte sind alle in den letzten Jahren zumeist als Vorträge und Beiträge entstanden, der lebendige Anredecharakter blitzt auch in der gesammelten und bereinigten Form einer Blütenlese immer wieder durch« (7). Bereinigt ist die Form jedoch nicht durchweg, wenn man etwa auf die verwirrenden Zeitangaben wie »im vergangenen Jahr« (37), »in diesem Jubiläumsjahr« (137), »diesen Jahres« (305) stößt. Auch tauchen immer wieder Abkürzungen auf, die nur diakonische »Insider« verstehen, wie z. B. »BEB« (185, Fußnote 1), womit der Bundesverband evangelischer Behindertenhilfeeinrichtungen gemeint ist.

Der Vf. verweist auf die »Kontextualität und Zeitgebundenheit« (9) seiner Beiträge und scheut sich auch nicht, die »Ideen für den Titel des Buches« zu nennen, die die recht bunte Sammlung überschreiben wollten mit »Diakonisches Sammelsurium« (9) u. Ä. Die erste Fußnote jedes Aufsatzes gibt kontextuelle Hinweise z. B. auf Vorträge in diakonischen Einrichtungen, vor Verbänden, auf Fortbildungsveranstaltungen und Unternehmensleitungskonferenzen der Diakonie sowie Festschriftbeiträge für Persönlichkeiten aus evangelischen Kreisen von Professorenkollegen des vormaligen Fachhochschullehrers Haas oder diakonischen Verbandsvorsitzenden. In der Tat spürt man in vielen Texten den Charakter gesprochener Rede, den spezifischen Vortragskontext und zum Teil auch eine gewisse affirmative und legitimatorische Ausrichtung im Sinne einer Bestärkung der Praxis des jeweils betroffenen Auditoriums und seiner Institutionen. Dennoch kommen immer wieder selbst- und diakoniekritische sowie hierarchie- und machtkritische Aspekte zum Tragen, die mit der biblisch-theologischen Grundlegung des Bandes zu tun haben.

Der erste Teil ist überschrieben mit »Zur Begründung der Diakonie« (13), umfasst aber auch stärker praxisorientierte Aufsätze. Eine Schlüsselstellung für den ganzen Band nimmt der erste Beitrag zur kirchlichen Diakonievergessenheit ein mit dem Thema »Diakonische Konvivenz ­ eine 'nota ecclesiae'?« (13 ff.).

Dass »Diakonie« als Thema »der klassischen Topoi ekklesiologischer Lehrbildung kaum vorkommt« (15), weist der Vf. u. a. am TRE-Lexikonartikel »Kirche dogmatisch« von Wilfried Härle von 1989 nach. Ingesamt hält der Vf. es für falsch, die Diakonie als Zeichen oder gar als »Werk« der Kirche theologisch zu verorten. Es gehe biblisch gesehen beim Diakoniethema vielmehr um »die 'Sozialgestalt' der Kirche«, zugespitzt sogar um die »Unterscheidung von wahrer und falscher Kirche« (17). Seine vom Markusevangelium aus entwickelte These lautet: »Diakonie nun also zu verstehen als Wesensmerkmal des innergemeindlichen Miteinanders, ist ... ein Grundzug der Botschaft Jesu Christi. ... Der markinische Jesus arbeitet den gefährdenden Herrschaftsdrang als anthropologischen Basisvorgang heraus, gegen den er das diakonisch-herrschaftskritische Miteinander als normatives Gemeindemodell in der Konsequenz der Nachfolge stellt.« (17) In Aufnahme von Theo Sundermeiers missionstheologischem Programmbegriff der »Konvivenz« formuliert der Vf.: »Diakonie bestimmt jedes Miteinander in der Gemeinde, Diakonie ist diakonische Konvivenz.« (32) Sie liege wiederum begründet im »Christus-Diakonos« (33).

Der zweite Beitrag (ursprünglich aus dem Jahr 1996) beschäftigt sich mit der Rechtfertigungslehre, einem systematisch-theologischen Grundsatzthema also, das zwar auch für die diakonische Praxis relevant ist, vom Vf. ­ zumindest an dieser Stelle ­ aber nicht auf sie bezogen wird. Damit handelt es sich um einen aus der Gesamtthematik des Buches herausfallenden Aufsatz, der freilich dadurch eingebunden wird, dass die Frage der Rechtfertigung des Sünders in anderen diakoniebezogenen Beiträgen aufgenommen ist.

Weitere Themenkreise dieses ersten Teiles beziehen sich auf Fragen diakonischer Gemeindeentwicklung, diakonischer Gemeinschaften sowie des Verhältnisses von Diakonie und Kirche.

Der zweite, sozusagen erbauliche Teil des Buches bietet unter der Überschrift »Diakonie beim Wort genommen« (91 ff.) zwei Predigten und eine Meditation zum Thema Diakonie.

Das Thema »Diakonat« bzw. das Amt und der Beruf von Diakoninnen und Diakonen, in deren Ausbildung der Vf. als Professor an der Evangelischen Fachhochschule Hannover eingebunden war, wird im dritten Teil »Menschen in der Diakonie« (107 ff.) in drei Aufsätzen behandelt. Hier geht es darum, den Diakonat als kirchliches Amt biblisch zu begründen, seine historische Entwicklung herauszuarbeiten und auf seine aktuellen Bedeutungszusammenhänge und Probleme hinzuweisen.

Vier Aufsätze bilden den vierten Teil mit dem Thema »Vom Wort zur Tat« (155 ff.). Hier wird ein Beitrag zur religionspädagogischen Qualität der evangelischen Kindertageseinrichtungsarbeit zusammengebunden mit Vorträgen zu anderen diakonischen Handlungsfeldern wie der Jugend-, der Behinderten- und Altenhilfe. Drei Beiträge entstammen dem Kontext der drei betreffenden Fachverbände der Diakonie. Der Altenhilfebeitrag wurde 1999 anlässlich des Neujahrsempfangs im Altenwohn- und Pflegeheim St. Georgshöhe in Bad Gandersheim als Ansprache gehalten.

Der mit gut 100 Seiten umfassendste und zugleich auf die Themenstellung des Bandes bezogen spannendste Teil 5 umfasst elf Beiträge unter der gemeinsamen Überschrift »Für eine profilierte Diakonie« (205 ff.). Zentral geht es hier um diakonische Managementfragen, die mit dem Spannungsfeld von theologischem Profil und ökonomischen Prinzipien zu tun haben. Dabei stehen beim Vf. deutlich die Fragen der Personalentwicklung, die zusammen mit Bildungs- und Organisationsentwicklungsaufgaben in ein integriertes Personalmanagementkonzept gehören, im Zentrum, denn »an der Personalfrage entscheidet sich die Zukunft der Diakonie« (290). Im ersten Beitrag, der ursprünglich als Festschriftenaufsatz erschienen ist, geht es um die Bedeutung und Veränderungen der Diakonie in den gesellschaftlichen Entwicklungen der Zukunft. Der zweite Beitrag fragt nach der Marktförmigkeit der Diakonie »zwischen Konzernstrategie und Verbandswirklichkeit« (215 ff.).

Hier werden vier für die im Wettbewerb stehende Diakonie wesentliche Elemente und Entwicklungsaufgaben behandelt: das Vertrauen der »Klientel«, die »Leidenschaft für den Menschen« (230), die Verpflichtung gegenüber dem »größeren Auftrag« (231) und die Verbindung zur Kirche. Auch der nächste Aufsatz »Diakonie zwischen Profil und Profit« (233 ff.) gehört in den Spannungsbogen von Diakonietheologie und Ökonomie hinein. Hier verdeutlicht der Vf., dass angesichts der gravierenden Veränderungen des Dienstleistungsmarktes und der Ausdehnung der Anbieterlandschaft im Umfeld der Diakonie »Profilierung ... zu einer Überlebensfrage auf dem Markt geworden« (235) sei. Als »Aufgaben diakonischer Profilentwicklung« werden beschrieben die »sozialethische Verantwortung« (239) in Partnerschaft und Gegenüber zum Sozialstaat, die »Unterscheidung von inklusiven und exklusiven Merkmalen der Diakonie«, das Abschiednehmen von »scheinkonfessorischen Fragen« (240) wie Tarifrecht, Rechtsformen oder Strukturen der Institutionen, »Klärung des Verhältnisses von Diakonie und Kirche« (241), »strategische[r] Aufbau einer diakonischen Unternehmensphilosophie und -kultur« (241) und die »Entwicklung von vernetzten Dienstleistungen« (242) im Sinne der Schaffung von Synergiepotentialen.

Ein weiterer Aufsatz beschäftigt sich mit den Konflikten und Konvergenzen von »persönlicher Autonomie und institutioneller Hilfe« (243 ff.), denn die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte des Subjekts korrespondieren oft den individuellen, dezentralen Hilfeformen, können aber ebenso sinnvoll mit institutionellem diakonischem Handeln in Verbindung gebracht werden.

Der Qualitätsbegriff wird in einem sechsten, bereits 2000 publizierten Aufsatz diakoniewissenschaftlich beleuchtet und diakoniespezifisch zu adaptieren versucht (251 ff.).

Um Personalentwicklung und -management sowie Aus-, Fort- und Weiterbildungsfragen bis hin zu einem erneuten Aufruf zu Gunsten einer »Führungsakademie für die Diakonie« (295 ff., vgl. 7) innerhalb eines Gesamtkonzeptes bzw. einer »Bildungsarchitektur« (293) des Diakonischen Werkes der EKD geht es in den weiteren vier Beiträgen.

Etwas ungewöhnlich ist die Gestaltung der ­ oft nicht besonders umfangreichen ­ Literaturangaben am Ende jedes Aufsatzes und in der Gesamtliste des Bandes (309­318), denn voran stehen in Klammern jeweils die Jahresangaben der Publikationen, geordnet sind sie jedoch in der Regel alphabetisch nach den Autoren oder Herausgebern. In den Beiträgen werden oft Zitate von Fachautoren und von Literaten gebracht, die leider nicht immer nachgewiesen werden.

Der Sammelband zeigt viele Perspektiven des gegenwärtigen diakonischen Handelns zwischen Theologie und Ökonomie. Er will keine systematische Abhandlung sein, sondern eine Sammlung von Beiträgen, die kasuell entstanden und in ihrer kontextuellen Verortung zu verstehen sind. Freilich wollen sie auf eine Mitte hin ausgerichtet sein, die mit der theologischen Profilierung der Diakonie angesichts von Ökonomisierungstendenzen beschrieben wird. Dazu bietet das Buch eine Fülle von anregenden Impulsen für alle, die als Theologinnen und Theologen in diakonischen Bezügen arbeiten oder daran interessiert sind.Ludwigshafen Arnd GötzelmannLammer, Kerstin: Den Tod begreifen. Neue Wege in der Trauerbegleitung. M. e. Geleitwort v. Y. Spiegel. 2. Aufl. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2004. 287 S. m. Abb. 8°. Kart. Euro 24,90. ISBN 3-7887-2019-0.Kerstin Lammer ist mit ihrer Dissertationsschrift der nicht gerade häufige Fall gelungen, dass eine Prüfungsarbeit zu einem profunden, für die praktische Arbeit hilfreichen und von vornherein viel beachteten Buch geraten ist. Die Perspektiven dieses Buches sind ebenso konzentriert wie vielschichtig. Die zentrale These von L. ist, dass bisherige Seelsorge-Modelle in der Begleitung von Trauernden in einem entscheidenden Punkt zu kurz greifen. Die Situation des unmittelbaren Abschiednehmens bei einem Trauerfall wird in viel rezipierten Stadienmodellen der Trauerarbeit als »Schockphase« wahrgenommen, damit zugleich aus dem Gegenstandsbereich seelsorgerlicher Begleitung ausgeschlossen. L. kann zeigen, dass gerade in diesen frühen Situationen der Trauer entscheidende Weichenstellungen für die weiteren Chancen der Trauerarbeit gestellt werden. Das von ihr vorgeschlagene Stichwort »perimortale Trauerbegleitung« deutet die Perspektiven für eine Neuorientierung der Seelsorge im Trauerfall an. Mit Hilfe der im Angelsächsischen unterschiedlichen Begriffe für das deutsche Wort »Trauer«, nämlich »mourning« und »grief« kann L. zeigen, dass sich das kirchliche Angebot, das sich in der Regel auf die Gestaltung und Vorbereitung von Bestattungsgottesdiensten konzentriert, zu stark auf die äußerliche, öffentlich wahrnehmbare Gestalt des Trauerfalles (mourning) konzentriert. Die subjektiven, emotionalen Erfahrungen der Trauer (grief) sind in der unmittelbaren Situation von Verlust und Abschied in der Regel am drängendsten. Gerade hier kann und soll seelsorgerliche Begleitung ihren Ort finden. Deswegen ist in der Perspektive L.s der zentrale Ort kirchlicher Trauerbegleitung nicht zuerst und nicht allein die Bestattung, sondern die Krankenhausseelsorge.

Das Buch enthält eine Fülle von Wahrnehmungen, empirischen Daten und Reflexionen zur Veränderung von Sterben, Tod und Trauer in der spätmodernen Gesellschaft Deutschlands, aber auch zu den Möglichkeiten und Grenzen kirchlicher Arbeit in diesem Feld. L. zeichnet die Prozesse noch einmal nach, die in verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen, aber auch in den Feuilletons von Massenmedien und selbst in populärkulturellen Werken mittlerweile weit verbreitet sind: Sterben und Trauer sind heute Widerfahrnisse, die nicht durch soziale Lebenswelten und vertraute rituelle Begehungsmöglichkeiten gesichert sind, sondern weitgehend individualisiert sind. Auch die Kirche ist mit ihren Trauerangeboten in diesen Prozess einbezogen. L. kann einleuchtend zeigen, dass auch kirchliche Bestattungsgottesdienste heute keinesfalls mehr fraglos gesucht werden und sich gegenüber alternativen Angeboten, z. B. durch Kompaktangebote von Bestattungsinstituten, bewähren müssen.

In ihrem zentralen Teil, der auch den größten Umfang einnimmt, ist diese Untersuchung geradezu zu einem Handbuch der Trauerforschung geworden. Es werden ­ durchweg prägnant und konzentriert ­ die verschiedensten außertheologischen Theoriemodelle zum Verständnis von Trauer und Verlust vorgestellt. Von der Psychoanalyse zur Ethnologie, von Behaviourismus zum Soziobiologismus, von der Kognitionspsychologie bis hin zu phänomenologischen Zugängen werden die verschiedensten Wahrnehmungseinstellungen und Reflexionsmodelle zur Trauer vorgestellt und aufeinander bezogen. Ein zentrales Ergebnis dieser umfassenden Darstellung ist, dass nicht die weit verbreiteten und gerade auch im kirchlichen Kontext stark rezipierten Phasenmodelle einer Trauerentwicklung für Wahrnehmung, Verständnis und Praxis hilfreich sind, sondern ein »Aufgabenmodell der Trauerbegleitung«. L. entfaltet in diesem Zusammenhang ein aufschlussreiches Profil für die Praxis der Trauerbegleitung, das Aufgaben, professionelle Voraussetzungen und flankierende Maßnahmen beinhaltet. Als Aufgaben werden benannt: 1. Den Tod realisieren helfen; 2. den Verlust validieren; 3. Trauerreaktionen auslösen helfen; 4. die Lebens- und Beziehungsgeschichte von Verstorbenen und Hinterbliebenen rekonstruieren helfen; 5. den Abschied gestalten helfen und zur Hinwendung zum Leben ermutigen; 6. Bewältigungsressourcen und Risikofaktoren evaluieren. Professionelle Voraussetzungen schließen vor allen Dingen die Klärung von Wahrnehmungseinstellungen bei den Seelsorgerinnen und Seelsorgern, aber auch von Erwartungsmustern, eigenen lebensgeschichtlichen Erfahrungen und Wahrnehmungsfähigkeit gegenüber den Phänomenen der Trauer ein. Wichtig erscheint auch, dass unter dem Stichwort »flankierende Maßnahmen« die soziale Umwelt der Trauernden in die Wahrnehmung und Begleitung mit einbezogen werden.

In einem dritten Teil entwickelt L. ein praxisorientiertes Modell für die perimortale Trauerbegleitung am Beispiel der Krankenhausseelsorge. In diesem Abschnitt werden die einzelnen Dimensionen des »Aufgabenmodells« der Trauerbegleitung konkretisiert und in Haltungen und Handlungsperspektiven der Seelsorgenden übersetzt. Die hier entwickelten Überlegungen sind keinesfalls technischer Natur, entfalten ihre Brisanz vielmehr im Kontext einer theologischen Reflexion, die christologisch und rechtfertigungstheologisch konzentriert wird. Im Zentrum steht eine annehmende, wertschätzende Haltung des Seelsorgenden, die jede Wahrnehmung begleitet und ihr vorausgeht. Die hier vorgeschlagenen »pastoralen Kernkompetenzen in der Trauerbegleitung« ­ genannt werden eine poimenisch-hermeneutische, eine systematisch-theologische und eine liturgisch-rituelle Kompetenz­ werden so vorgestellt, dass existenzielle anthropologische Erfahrungen mit zentralen theologischen Einsichten vermittelt werden. »Im Sinne christlicher Theologie stellen therapeutische, d. h. heilsame Effekte einen Vorschein des kommenden Heils bzw. einen Abglanz des Heils- und Erlösungswillen Gottes dar, auf den ChristInnen hoffen« (237). »Aus den Gedanken der Erlösung und der Rechtfertigung ergeben sich für (protestantische) ChristInnen im Angesicht des Todes zwei Konsequenzen. Die erste: Christinnen und Christen sind zur Annahme des Sterbens und des Leidens daran befähigt, weil für sie die Einsamkeit im Sterben und Leiden aufgehoben ist. Das Bild des Gekreuzigten zeigt: Sterben, Leiden, auch der Schmerz der Trauer sind unser aller gemeinsames geschöpfliches Schicksal, und gerade darin hat uns Gott nicht verlassen, sondern sich uns im tiefsten zugewandt ... (Und die zweite Konsequenz:) Der christliche Maßstab von Gelingen oder Scheitern eines Lebens ist nicht, was jemand an gesellschaftlichen Zielen wie Status, Vermögen, Leistung und Erfolg, Wirkungs- und Bekanntheitsgrad etc. erreicht, sondern inwieweit er oder sie die essentielle Bestimmung der Menschen zu Bezogenheit, Hingabe, Selbstüberschreitung in Richtung auf ein Gegenüber verwirklicht hat.« Hier auch Scheitern und Versagen wahrnehmen zu können, befreit Christinnen und Christen dazu, »das gelten zu lassen, was an Gutem, an Liebe, Bezogenheit und Hingabe möglich und wirklich war, sich mit dem zu versöhnen, was ungelebt blieb, und zu vergeben, was schuldig geblieben wurde« (251).

Insgesamt ist hier ein außerordentlich gehaltvolles, in anthropologischen wie theologischen Reflexionen konturiertes, umfassendes und konzentriertes ­ und vor allem auch: ein lesbares und praxisrelevantes Buch gelungen. Ein Werk mithin, das ich mir auf jeden Schreibtisch von Menschen wünsche, die als Haupt- oder Ehrenamtliche in der Begleitung von Trauernden tätig sind.