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Ausgabe:

November/2006

Spalte:

1200 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Klaiber, Walter:

Titel/Untertitel:

Schöpfung. Urgeschichte und Gegenwart.

Verlag:

M. 3 Abb. u. 4 Tab. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005. 230 S. 8° = Biblisch-theologische Schwerpunkte, 27. Kart. Euro 19,90. ISBN 3-525-61589-2.

Rezensent:

Jürgen Hübner

Zur biblischen Urgeschichte und allgemein zum Thema Schöpfung sind in letzter Zeit eine ganze Reihe weiterführender Arbeiten erschienen. Der vorliegende Band legt auf dem aktuellen Stand der Diskussion wissenschaftlich fundiert und doch in allgemein verständlicher Form eine eigene Auslegung von Gen 1 bis 12,4a vor. Die fortlaufende Exegese lässt einschlägige Literatur prägnant zu Wort kommen. Priesterschriftliche und bislang dem Jahwisten zugeordnete »vorpriesterliche« Überlieferung werden in ihrer Eigenheit wahrgenommen und ihrer Verbindung zu einem »neuen Sinnzusammenhang« (48) wird aufmerksam nachgespürt. Die Botschaft der Urgeschichte wird in ihrem geschichtlichen Kontext gewürdigt und auf ihre heutige Relevanz befragt. Der Auseinandersetzung mit den altorientalischen Mythen stehe jetzt die Konfrontation mit den Ergebnissen naturwissenschaftlicher Forschung gegenüber (201). Beobachtungen am Text spielen eine zentrale Rolle; die praktische Tätigkeit des Vf.s ­ er ist Bischof i. R. der Evangelisch-methodistischen Kirche und Vorsitzender der »Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen« ­ dürfte sich hier anregend niederschlagen.

Als zentraler Inhalt der Urgeschichte wird das Gegenüber von Gott als Schöpfer und Mensch als Geschöpf inmitten seiner geschöpflichen Welt herausgearbeitet. Das begründet seine Verantwortung Gott und der Mitwelt gegenüber. Die Aussage von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen beschreibt die Spannung von Gottesnähe und Gegenüber zu Gott (30). Entsprechend werden Schöpfung und Fall ­ »der Anfang« ­ zusammengesehen (Kapitel I). Nach der Interpretation des Sieben-Tage- Werks mit kritischen Fragen zur »Creatio ex nihilo« und anhand der Unterscheidung von Tat- und Wortbericht entwickelt der Vf. alsbald Zwischenüberlegungen zum biblischen und altorientalischen Schöpfungsverständnis und zum Gespräch mit der Naturwissenschaft. Im Blick sei weniger der vorfindliche Kosmos als vielmehr »die Welt, wie Gott sie gemeint hat« (46). Diese vorsichtig zunächst als Frage formulierte Auslegung wird S. 77 ff. und 83 ff. nach der Paradieseserzählung angesichts heutiger Forschungsergebnisse ausführlich aufgenommen. Entgegen kurzschlüssigen »Synchronisationen« stellt der Vf. als »bleibende Botschaft des biblischen Schöpfungsglaubens« die Grundlegung von Urvertrauen, die geschaffene Lebensträchtigkeit des Universums und die Gottesbezogenheit des Menschen heraus (97). Einem vordergründigen Personalismus steht die differenzierte Analyse des Textes und der herangezogenen Literatur entgegen. Die »letztgültige Wirklichkeit« wird aber doch als »ein personales Gegenüber« verstanden, »die das All in seiner unfasslichen Größe fasst und die zu jedem einzelnen in Beziehung tritt« (203).

Im gleichen Duktus und mit entsprechenden Verweisen auf interdisziplinäre Interpretationszusammenhänge werden die Geschichte von Kains Brudermord (»Gewalt und Geschichte ­ die ersten Schritte«, Kapitel II), von der Urflut (»Gericht und Gnade­ die Krise«, Kapitel III) und die weitere Urgeschichte (»Vielfalt und Verwirrung ­ die Entfaltung«, Kapitel IV) behandelt. Kains Geschick erinnert an das Adams und Evas. Wie geht der Mensch mit seinen Grenzen um, wenn er um deren Transzendenz weiß? Wie, wenn Mitmenschen mehr Erfolg und Anerkennung finden als man selbst? Dennoch zeigt die Abfolge der Generationen: »Die Bibel spricht eher von einer 'Erbwürde' des Menschen als von der 'Erbsünde'.« (123) Der Würde menschlicher Freiheit entspricht freilich die »Versuchung, sein zu wollen wie Gott ­ oder doch Gott ähnlich zu werden« (130). Daraus folgt das »Urtrauma« des Scheiterns und der Katastrophe. Doch die Noahgeschichte bezeugt von Neuem: Es gibt »die Chance eines neuen Anfangs und einer wiedergewonnenen Zukunft auch angesichts der Bedrohung globaler Vernichtung« und damit neues Urvertrauen (133). Die Selbstverpflichtung Gottes für den Erhalt der Schöpfung Gen 8,21 f. verpflichtet wiederum den Menschen zum Schutz des Lebens (168). Auch die Turmbaugeschichte provoziert im Grunde eine neue Dimension von Kreativität: »Differenzierung von Sprache ist nötig, um dem Reichtum des Lebens gerecht zu werden.« (186) All das relativiert auch Katastrophenszenarien moderner Prognostik, ja schon die metaphysische Verabsolutierung des ­ immanent wissenschaftstheoretisch korrekten ­ naturwissenschaftlichen Kausalismus.

Nach einer Zusammenfassung beschließen Tabellen und Abbildungen des gegenwärtig gängigen, von I. Cornelius übernommenen Bildes des altorientalisch-biblischen Weltverständnisses, der Völkertafel und des »Turms zu Babel« sowie ein reichhaltiges, sorgfältig zusammengestelltes Literaturverzeichnis und ein Sachregister den Band.