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Ausgabe:

November/2006

Spalte:

1184 f

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Wagner, Andreas, Hörner, Volker, u. Günter Geisthardt [Hrsg.]:

Titel/Untertitel:

Gott im Wort ­ Gott im Bild. Bilderlosigkeit als Bedingung des Monotheismus?

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2005. XII, 212 S. m. Abb. 8°. Kart. Euro 24,90. ISBN 3-7887-2111-1.

Rezensent:

Stefan Beyerle

Der Sammelband vereint zumeist Beiträge, die während eines »Werkstattgesprächs« im Dezember 2004 zur Diskussion gestellt wurden. Hierzu hatten die Evangelische Akademie der Pfalz und die Evangelische Akademikerschaft Pfalz-Saar eingeladen. Die Frage nach der Bilderlosigkeit ­ als Infragestellung der Verfügbarkeit Gottes ­ gewinnt in den Aufsätzen nicht nur aus theologischer, sondern auch aus kulturhistorischer sowie kunst- und musikwissenschaftlicher Sicht Profil. Die 14 Beiträge nähern sich dem Thema sowohl in historischer als auch in hermeneutischer Perspektive, wobei dezidiert historische Problemstellungen überwiegen. Entsprechend bemüht sich die Anordnung der Beiträge um eine annähernd chronologische Ordnung.

In der gegenwärtigen Diskussion zu Bild und Bilderverbot sind die historischen bzw. hermeneutischen Zugänge vor allem mit den Namen A. Berlejung und J. Cottin bzw. J.-P. Vernant und H. Belting verbunden, die auch in der theologischen Debatte zu Differenzierungen beitrugen. Je unterschiedlich schreiben die Beiträge dies fort: A. Wagner (1­22) untersucht die Bindung des alttestamentlichen Monotheismus an das Wort, die nicht selbstverständlich scheint, wenn man etwa die Aton-Verehrung in Ägypten bedenkt. Entscheidend sei die sich in exilisch-nachexilischer Zeit ausprägende Gottesbeziehung, die u. a. von Faktoren wie Individualisierung und Kanonisierung bestimmt werde. Eine Neuakzentuierung der »Geschichtsmächtigkeit« Gottes und die Lösung JHWHs von materiellen Repräsentationsobjekten gehe hier Hand in Hand.

F. W. Horn (43­57) behandelt die Anklage gegen die »Heiden« in Röm 1,18­32. Traditionsgeschichtlich in der Ägypten-Polemik des hellenistischen Judentums (Weish, Sib, Arist, Philo) verortet, übergehe die paulinische Götterbild-Kritik bewusst die Unterscheidung von Repräsentanz und Identität Gottes im Bild. I. Dingel (97­111) erörtert das Bilderverbot im Kontext der konfessionellen Frage von Luthertum und Calvinismus. Luther habe in seiner Auseinandersetzung mit Karlstadt und den Bilderstürmern durch seine moderate Haltung gegenüber dem Bilderverbot die Verknüpfung mit dem Monotheismus betont: Nicht der »äußere« Bilderdienst, sondern die »innere« Abkehr von Gott war zu bekämpfen. Dagegen verstand die reformierte Tradition, von Zwingli über Calvin bis zum Heidelberger Katechismus (1563), jegliches Bild als Hinwendung zum Götzendienst. Hier hatte das zweite Gebot Bekenntnisstatus erreicht, was wiederum Reaktionen des Luthertums evozierte. Allerdings zeige sich schon bei Flacius Illyricus bzw. Heshusius sowie im weiteren Verlauf der lutherisch-calvinistischen Religionsgespräche, dass der Bilderfrage nicht der gleiche Rang zukam wie etwa den Themen Abendmahl und Christologie. Zeitlich und thematisch schließt der ausführliche Beitrag von Chr. Wagner über den unsichtbaren Gott als Thema der italienischen Renaissancemalerei an (113­142). Die Darstellung Gottvaters als Profanierungen des Gottesbildes zu diagnostizieren, greife zu kurz. Vielmehr bezeuge eine komplexe Bildregie die neue differenzierte, theologische Sichtbarkeitsmetaphorik: etwa in der Anwendung der Unterscheidung von »lumen divinum« und »lumen naturale«, wie sie auch die zeitgenössische Philosophie (Pico della Mirandola) kennt. An Raphaels »Transfiguration Christi« konkretisiert Wagner seine These einer »Deutung des Unsichtbaren im Sichtbaren« (141).

Die übrigen Beiträge füllen die ­ nicht nur ­ chronologischen Lücken: M. Tilly relativiert Radikalisierungen des Bilderverbots im Judentum, wie sie im neuzeitlichen Antisemitismus instrumentalisiert wurden (23­30). K. Greschat analysiert anhand der Auseinandersetzung Gregors des Gr. mit Serenus von Marseille wichtige Abgrenzungen der westlichen Bildhermeneutik gegenüber der byzantinischen Bilderverehrung (59­74). Hier schließt der kulturgeschichtliche Vergleich zwischen östlicher und westlicher Bildhermeneutik von V. N. Makrides gut an (151­164). Schließlich setzt M. Leiner den bildhermeneutischen Schlusspunkt, wenn er nach einer »christologischen Bildertheologie« fragt (189­200). Ein Wiederabdruck zu Sehritualen im Spätmittelalter von Th. Lentes (75­96), ein musikwissenschaftlicher Beitrag von B. Janz (143­150) sowie zwei praktisch-theologische Beiträge von A. Grözinger (165­178) und F. Schweitzer (179­188) bieten weitere Perspektiven. Ohne erkennbaren Bezug zur Thematik bleiben die Beiträge von R. Heiligenthal (31­42) und M. Welker (201­205). Ein Stellenregister steht am Ende (211­212).

Insgesamt liegt ein anregender und vielstimmiger Band vor, der durch die thematische Verknüpfung des Bilderverbots mit dem Ausschließlichkeitsgebot sowie durch das gewählte interdisziplinäre Gespräch durchaus neue Differenzierungen zum Thema Bild aufzeigen kann.