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Ausgabe:

November/2006

Spalte:

1169–1172

Kategorie:

Autor/Hrsg.:

Gatz, Erwin [Hrsg.]:

Titel/Untertitel:

Kirche und Katholizismus seit 1945. Bd. 3: Italien und Spanien.



Verlag:

Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2005. 184 S. gr.8°. Lw. Euro 29,90. ISBN 3-506-74462-3.



Rezensent:

Klaus Fitschen

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Gatz, Erwin [Hrsg.]: Kirche und Katholizismus seit 1945. Bd. 4: Die britischen Inseln und Nordamerika. Großbritannien ­ Irland ­ Kanada ­ Vereinigte Staaten von Amerika. Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2002. 150 S. gr.8°. Lw. Euro 22,80. ISBN 3-506-74463-1.

Gatz, Erwin [Hrsg.]: Kirche und Katholizismus seit 1945. Bd. 5: Die Länder Asiens. Von G. Evers. Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2003. 455 S. gr. 8°. Lw. Euro 56,00. ISBN 3-506-74464-X(3) Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2003. 455 S. gr. 8°. Lw. Euro 56,00. ISBN 3-506-74464-X.

Die beiden ersten Bände dieser Reihe (zu Mittel-, West- und Nordeuropa sowie zu Ostmittel-, Ost und Südosteuropa) wurden bereits von Kurt Nowak in der ThLZ vorgestellt (124 [1999], 766, bzw. 126 [2001], 794). Zu diesem Zeitpunkt sollte das Gesamtwerk noch auf Europa und Nordamerika begrenzt bleiben; inzwischen aber ist das Konzept auf Asien, Süd- und Mittelamerika, den Vorderen Orient und Nordafrika erweitert worden. Weitere Bände sind also zu erwarten. Leider enthält nur der 5. Band im Umschlagtext Informationen über den Autor; dabei wären diese gerade bei den nicht aus Deutschland stammenden Verfassern hilfreich.

Der 3. Band wurde verfasst von Maurilio Guasco, Inhaber eines Lehrstuhls für die Geschichte des zeitgenössischen politischen Denkens an der Università degli Studi del Piemonte Orientale mit Sitz in Alessandria, und Mariano Delgado, Kirchenhistoriker an der Universität Freiburg (Schweiz).

Im Zentrum der Darstellung zu Italien stehen das Zweite Vatikanische Konzil und seine Bedeutung für den italienischen Katholizismus. Diesen Teilen (2 und 3) geht ein Teil zur Nachkriegszeit und den 50er Jahren voraus, in dem vor allem die politische und gesellschaftliche Stellung des Katholizismus behandelt wird. Der dem Konzil gewidmete 2. Teil ist insofern mit der politischen Thematik verknüpft, als die Initiativen Johannes XXIII. vor dem Hintergrund erster Annäherungsversuche von Christdemokraten und Linken gesehen werden. Besonders herausgearbeitet werden die durch den gesellschaftlichen Wandel bedingten Traditionsabbrüche und die daraus folgende »Säkularisierung«, ebenso die Umsetzung der Konzilsbeschlüsse. So wird im 3. Teil die innerkirchliche Erneuerung thematisiert, und dies wiederum unter Reflexion auf die politischen Rahmenbedingungen. Davon ist auch der 4. Teil geprägt, der mit der Wahl Johannes Pauls II. beginnt. Dieser Teil behandelt vor allem die Neuorientierung des Katholizismus in der modernen italienischen Gesellschaft. Der 5. Teil, überschrieben »Katholiken in der Minderheit«, nimmt wieder das Thema der politischen Orientierung der italienischen Katholiken auf, die um 1990 endgültig ihre Geschlossenheit verloren hatte. Ebenso werden kirchliche Bemühungen angesprochen, in einer Gesellschaft, »deren religiöses Gewissen zerfranst ist« (105), aus einer »Minderheitensituation« (102) heraus präsent zu bleiben.

Die Spanien gewidmete Darstellung beginnt mit einem Teil, in dem die kirchenpolitischen Implikationen des spanischen Bürgerkrieges und der Gegensatz der »zwei Spanien«, nämlich der Gegensatz der »Nationalkatholiken« und Antiklerikalen, zur Sprache kommen. Der 2. Teil behandelt die »politische Ebene« vom Ende des Bürgerkrieges bis in die 90er Jahre hinein und somit die sich wandelnde Haltung der katholischen Kirche gegenüber dem Franco-Regime. Für die Jahre nach 1975 wird der Blick besonders auf die politische Abstinenz der katholischen Kirche gelenkt, die allerdings keine Äquidistanz zu den politischen Parteien beinhaltete. Der 3. Teil thematisiert das Verhältnis von Staat und Kirche auf rechtlicher Ebene (hierzu gibt es einen Dokumentenanhang in deutscher Übersetzung), der 4. Teil die wissenschaftliche Theologie (die bis in die Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hinein als rückständig und unselbständig qualifiziert wird). Im 5. Teil wird die Veränderung der Stellung des Katholizismus in der spanischen Gesellschaft von der »Apotheose des Katholischen« (142) nach dem Bürgerkrieg bis hin zur »rapiden Säkulärisierung« der Gegenwart (150) nachgezeichnet. Der 6. Teil bietet einen »Ausblick«.

Der 4. Band wurde verfasst von Oliver P. Rafferty, Professor am Maynooth College (Großbritannien und Irland), von Jean-Claude Petit, Professor für Fundamentaltheologie und Theologiegeschichte an der Universität Montréal (Das französischsprachige Kanada), von Roberto Perin, Historiker an der York University in Toronto (Das englischsprachige Kanada) und von Gerald P. Fogerty, Professor of religious studies and history an der University of Virginia (Die Vereinigten Staaten von Amerika).

Der Abschnitt zu Großbritannien greift auf die Geschichte des Katholizismus im 19. Jh. und die gesellschaftliche Isolation der Katholiken bis zum Zweiten Weltkrieg zurück. Insgesamt wird ein gesellschaftsgeschichtlicher Ansatz bevorzugt, dessen Tendenz in der Nachzeichnung der Assimilation der Katholiken und in der Behauptung liegt, der Katholizismus sei heutzutage die eigentliche Repräsentanz des Christentums in England (35 f.). Dabei werden die inneren Probleme der katholischen Kirche nicht verschwiegen.

Der Irland gewidmete Abschnitt thematisiert vor allem den Sozialen Katholizismus, die Dominanz der »katholischen Kultur«, das Verhältnis von Kirche und Staat, die Folgen des Zweiten Vatikanischen Konzils (zu denen auch der heutige Wertepluralismus in der irischen Gesellschaft gerechnet wird), das »Problem Nordirland«, die Ökumene, die »Sexual-Skandale« und die heute zunehmend marginale Stellung der Kirche.

Der Beitrag zum frankophonen Kanada (Québec) bietet tendenziell das gleiche Bild: Auch hier werden die Folgen des Zweiten Vatikanischen Konzils ambivalent als Wandel und Krise gesehen. Dieses Bild wird illustriert mit Faktoren wie der Verdrängung der Kirche aus dem Sozial- und Schulwesen, einem zunehmenden Pfarrermangel und einem massiven Rückgang des Gottesdienstbesuches.

Der Beitrag über das anglophone Kanada arbeitet einerseits den Rückgang der Beteiligung am kirchlichen Leben heraus, andererseits werden Indizien der Erneuerung ausgemacht. Dazu gehören indirekt auch Diskussionen um den Zölibat, die Priesterweihe für Frauen und eine Modernisierung der Sexualethik, ebenso das Engagement der Bischöfe in sozialpolitischen Fragen.

Im Zentrum des Beitrags über die Vereinigten Staaten steht auch vom Umfang her das Zweite Vatikanische Konzil (Teil 2). Der 1. Teil ist ein Prolog dazu, in dem es u. a. um die Überwindung des Argwohns geht, den viele Amerikaner gegenüber den Katholiken hegten. Im Blick auf das Konzil werden die Themen benannt, die die Katholiken in den Vereinigten Staaten betrafen, also vor allem die Frage der Religionsfreiheit und der Definition des Verhältnisses von Staat und Kirche. Der 3. Teil geht auf die Umsetzung der Konzilsbeschlüsse ein; hier gilt wie auch in vielen anderen Beiträgen der Liturgiereform besonderes Augenmerk. Politische und gesellschaftliche Aspekte spielen in diesem Beitrag eine große Rolle. Dies gilt auch für den 4. Teil, der mit der Wahl Johannes Pauls II. beginnt.

Der Autor des 5. Bandes war zuletzt Asienreferent bei »Missio« und ist mit dem Gegenstand seiner Darstellung durch diese Tätigkeit und eigene Studien vertraut. Den Größen der Länder und dem jeweiligen katholischen Bevölkerungsanteil entsprechend fallen die einzelnen Abschnitte unterschiedlich aus. Besondere Beachtung finden der Sache gemäß Länder wie Japan, Südkorea, China und die Philippinen, doch kommen auch Länder mit kleinen katholischen Gemeinschaften in angemessenem Umfang vor. In einer Einleitung wird kurz auf die Situation der katholischen Christen in Asien insgesamt und auch auf Defizite im Verlauf der Mission eingegangen, die teilweise bis auf den Ritenstreit zurückgehen. So steht am Anfang jedes Länderabschnitts auch ein Rückblick auf die Missionsgeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Inkulturationsversuche des Christentums. Im Blick auf die Nachkriegszeit wird immer wieder auf die Beziehungen des (katholischen) Christentums zu anderen Religionen oder auch auf Konflikte mit ihnen hingewiesen. Ins Blickfeld kommen so auch die protestantischen Kirchen, die in den Bänden 3 und 4 nur unter dem Stichwort »Ökumene« einbezogen werden. So zeichnet sich gerade dieser Band durch eine weite Perspektive aus, die auch das in den anderen Bänden zu findende Schema eines geradezu zwangsläufigen Bedeutungsverlustes von Religion und Kirche durch fortschreitende »Säkularisierung« vermeidet. Die innerkirchlichen Aspekte ­ etwa Aspekte der Kirchenleitung, der Ausbildung des Nachwuchses oder der Theologie ­ kommen dabei keineswegs zu kurz.

Die politischen Rahmenbedingungen, die das Christentum auch nach 1945 in Ländern Asiens häufig in eine Verfolgungssituation brachten, werden also differenziert wahrgenommen. Dazu gehören auch Ausführungen über das Eintreten der katholischen Kirche für die Versöhnung zwischen den Völkern, die Menschenrechte und die Demokratisierung. So entsteht ein zwar dichtes, aber sehr informatives und gut lesbares Bild der Stellung des Katholizismus (wie ansatzweise des Christentums überhaupt) in den Gesellschaften und im Geflecht der Politik der asiatischen Länder. Die Folgen des Zweiten Vatikanischen Konzils werden für den Katholizismus der jeweiligen Länder mit eigenen Schwerpunkten geschildert. Zu diesen Folgen werden nicht zuletzt die neuen Inkulturationsmöglichkeiten des Katholizismus, zum Beispiel durch die neuen Gestaltungsmöglichkeiten der Liturgie, gerechnet.

Die Darstellung dieses Bandes in eine Hand und noch dazu in die eines kompetenten »Außenstehenden« zu legen, erweist sich demnach als Glücksfall.