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Ausgabe:

Oktober/2006

Spalte:

1102–1103

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Waaijman, Kees

Titel/Untertitel:

Handbuch der Spiritualität. Bd. 1: Formen.

Verlag:

Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag 2004. 324 S. gr.8°. Geb. Euro 32,00. ISBN 3-7867-2497-0.

Rezensent:

Karl-Friedrich Wiggermann

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Waaijman, Kees: Handbuch der Spiritualität. Bd. 2: Grundlagen. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag 2005. 311 S. gr.8°. Geb. Euro 32,00. ISBN 3-7867-2501-2.

Der niederländische Karmelit Kees Waaijman ist Professor für Spiritualität an der katholischen Universität Nijmegen und Direktor des dortigen Titus-Brandsma-Instituts. Im Jahr 2000 ist sein großes Werk »Spiritualiteit« in niederländischer Sprache erschienen. Die vorliegenden beiden Bände sind die deutsche Übersetzung der ersten zwei Hauptteile dieses Werkes; im Jahr 2007 soll der dritte Band erscheinen.

Im ersten Band ­ »Formen« ­ hat der einleitende Teil die Überschrift »Laienspiritualität«. Es geht nicht um den Gegensatz von Laien und Klerikern, sondern um das Werden jedes Menschen ­ in der Erziehung und Bildung, im Inneren der Wohnung, in der Ehe, in der Barmherzigkeit in den Beziehungen untereinander sowie in der Ehrfurcht beim Lebensende. Der zweite Teil über »Schulen der Spiritualität« behandelt spirituelle Wege in Liturgie, religiösen Gemeinschaften, in der Kultur sowie im Reformieren und Erschließen der Zukunft. Im dritten Teil stellt W. »Gegenbewegungen« dar: Befreiungsspiritualität, Frömmigkeit, Heimatlosigkeit, Märtyrer- und eschatologische Spiritualität. Zur Heimatlosigkeit gehören Exil, Wüste und Einsamkeit.

Der zweite Band ­ »Grundlagen« ­ enthält unter dem Titel »Spiritualität« biblische Grundworte, hellenistische Bezeichnungen und moderne Andeutungen. Zu Letzten gehören die Kabbala, die Mystik und das innere Leben. Der zweite Teil erschließt die »Spiritualität von der Wissenschaft her«; hier werden Theologie, Philosophie, Religionswissenschaften, Geschichte, Literaturwissenschaften, Psychologie und Soziologie genannt. Es folgt ein Forschungsprojekt, in dem das gottmenschliche Beziehungsgeschehen und der Umformungsprozess erschlossen werden, Letzterer in Schöpfung, Neuschöpfung, Gleichförmigkeit, Liebe und Herrlichkeit. Der dritte Teil über die »Unterscheidung« scheint mir besonders wichtig zu sein. Es geht um die alte Bezeichnung »diakrisis«, Unterscheidung ­ bei W. in den beiden Wegen von Schrift und Tradition: in der Bedeutung Gottes und im Weg der göttlichen Berufung. Von der »Unterscheidung« her ist W.s ganzes Werk zu lesen: »Die Unterscheidung sieht nicht nur das spirituell Mögliche in der Tatsächlichkeit des menschlichen Lebens, sie sieht auch den Weg, der zwischen dem Tatsächlichen und dem Möglichen vermittelt. Sie sieht die Schritte, die zur vollkommenen Umformung hinführen« (217). Unter diesen Prämissen legt W. einen »Entwurf der Disziplin der Spiritualität« vor. Es geht um die epistemologische Situierung, die Bestimmung des wissenschaftlichen Ansatzes und den methodologischen Entwurf, d. h. die formbeschreibende, hermeneutische, systematische und mystagogische Forschung. Die Mystagogie entdeckt die Subjektivität des Menschen, in der Gott die Person zum Ansprechpartner macht. Gott weckt Begabungen; hier gibt es einen Hang zu mystischen Traditionen, die bei W. aber keine Forschung freisetzen.

Wer sich auf den in umfassender Ein-Bildung angelegten eigenständigen, aber auch ­ gerade in Begriffen und Lebenswegen ­ eigenwilligen Entwurf W.s einlässt, gewinnt seinerseits neue Ein-Sichten. Die Übersetzung des nicht einfachen niederländischen Textes durch Elisabeth Hense ist gelungen. Leider sind die kurzen Inhaltsangaben in den Inhaltsverzeichnissen nicht übersetzt. W. geht auf katholische, nicht zuletzt karmelitische, leider aber nicht franziskanische Orte zurück, hat aber auch eine ökumenische Offenheit (Dietrich Bonhoeffer, Dorothee Sölle, Dag Hammarskjöld). Biblische Aspekte spielen eine große Rolle. Manchmal hätte in der deutschen Ausgabe neuere Literatur nachgetragen werden können (z. B. bei D. Bonhoeffer). Man darf auf den dritten Band ­ »Methoden« ­ gespannt sein.

W. begründet eine selbständige praktisch-theologische Disziplin »Spiritualität«. Das ist ihm für die katholische Theologie gelungen. In der evangelischen Theologie wird man aber nicht nur über eine Theologie der Spiritualität, sondern auch über eine Spiritualität der Theologie sprechen, also über den Einfluss der Spiritualität auf alle Fächer der (Praktischen) Theologie. Es dürfte ein spannendes Unternehmen sein, beide Ansätze zu verbinden. Das erfordert gerade auch auf evangelischer Seite neue Anstrengungen.