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Ausgabe:

Oktober/2006

Spalte:

1090–1092

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Peters, Rebecca Todd:

Titel/Untertitel:

In Search of the Good Life. The Ethics of Globalization.

Verlag:

New York-London: Continuum 2004. XI, 228 S. gr.8°. Lw. £ 16,99. ISBN 0-8264-1620-9.

Rezensent:

Eberhard Herrmann

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Sarot, Marcel, and Wessel Stoker [Eds.]: Religion and the Good Life. Assen: Royal Van Gorcum 2004. VIII, 284 S. gr.8° = Studies in Theology and Religion, 10. Geb. Euro 64,50. ISBN 90-232-4069-3.

Beide Bücher behandeln die Frage nach dem guten Leben, Peters Buch in Bezug auf moralische Probleme, die mit der Globalisierung verbunden sind, die von Sarot und Stoker herausgegebene Anthologie behandelt religiöse Auffassungen des guten Lebens. In beiden Büchern wird vom guten Leben in bestimmter Form und nicht von einem guten Leben allgemeiner Art gesprochen. Im Falle von Peters ist das nicht von Bedeutung, da sie solche Auffassungen von Globalisierung in Frage stellt, die dazu geführt haben, dass Menschen unter Verhältnissen zu leben gezwungen sind, die nicht einmal die grundlegendsten Anforderungen an ein gutes Leben erfüllen. Ihre Argumentation für eine alternative Auffassung erhebt nicht den Anspruch, die Auffassung von dem guten Leben zu sein, welches alle leben müssen, soll es ein gutes Leben sein. Die Unterscheidung zwischen Vorstellungen von dem guten Leben und Vorstellungen von einem guten Leben ist nicht nur philosophisch von Bedeutung. Sie hat auch praktische Folgen. Wird die genannte Unterscheidung nicht berücksichtigt, sieht man nur, dass es verschiedene Auffassungen davon gibt, worin das gute Leben besteht. Die Gefahr besteht, dass man andersartige Auffassungen übersieht oder missversteht, nach denen es möglich ist, ein gutes Leben auf verschiedene Weise zu leben, z. B. mit oder ohne christliche Vorzeichen.

Peters nimmt ihren Ausgangspunkt beim Zwiespalt der beiden Auffassungen, dass der Erfolg von Globalisierung durch Technologie die Welt enger miteinander verbindet beziehungsweise dass Globalisierung Kulturen zerstört und die so genannten Entwicklungsländer von den reichen Ländern abhängig macht. Sie zeigt, dass wir es derzeit mit vier Globalisierungstheorien zu tun haben, die verschiedene ethische Normen bezüglich des guten Lebens enthalten. Die vier Auffassungen sind die neoliberale Auffassung, die Entwicklungsauffassung, die erdbezogene und die postkoloniale. Ihre übergeordnete Absicht ist es, christliche Ethik auf das Phänomen der Globalisierung einwirken zu lassen. Zu diesem Zwecke präsentiert sie zuerst die verschiedenen Positionen mit ihren Visionen einer zukünftigen Welt. Zweitens zeigt sie die moralischen Werte der verschiedenen Globalisierungstheorien auf und beurteilt, wie diese Werte sich auf den öffentlichen politischen Bereich auswirken. Drittens argumentiert sie für unsere moralische Verpflichtung, Globalisierung auf eine solche Weise umzusetzen, dass Schöpfung und Leben geehrt werden, ein demokratisiertes Verständnis von Macht ermöglicht, Fürsorge für unseren Planeten getragen wird, Globalisierung das Wohlbefinden aller Menschen im Blick hat. Auf Grund der vorgestellten Argumente zu den Globalisierungstheorien, vor allem zur ersten, aber auch zur zweiten, denen zufolge sich die Lebensbedingungen für immer mehr Menschen verschlechtern, kann dieser Argumentation nur zugestimmt werden. Peters schließt ihr Buch mit der Aufforderung, dass wir uns in unserem Suchen nach dem guten Leben versichern müssen, eine Zukunft anzustreben, die Gottes gesamter Schöpfung Gerechtigkeit gewährt.

Genau dieser Ausdruck exemplifiziert die Schwierigkeit, die ich mit Peters ansonsten gründlicher und informativer Analyse habe. Welche Lesergruppe will sie erreichen, nur Christen oder auch andere? Ihr berechtigter Anspruch ist, Probleme aufzuweisen, die durch die Werthierarchien der verschiedenen Globalisierungsauffassungen auftreten. Zielte das Buch vorwiegend auf Christen, wäre verständlich, warum Hinweise auf Theologen und Bibelstellen wichtig sind. Solche Hinweise hätten dann die Funktion zu zeigen, dass manche Christen, gerade als Christen, sich eine andere Globalisierungsauffassung aneignen sollten. Weder ihre Problematisierung noch ihr eigener Vorschlag setzen jedoch voraus, dass man Christ ist. Die übergreifende Absicht, christliche Ethik auf das Phänomen der Globalisierung anzuwenden, dürfte daher bedeuten, dass sie mit Hilfe christlicher Argumente für eine bessere allgemeingültige Globalisierungsauffassung argumentieren möchte. Dafür ist es jedoch nicht ausreichend, lediglich auf Theologen und Bibelstellen zu verweisen. Will man die allgemeingültige Relevanz solcher Hinweise verfechten, müssen sie auf eine solche Weise transformiert werden, dass auch ein Nichtchrist ihre Allgemeingültigkeit einsehen kann.

Ähnliche Schwierigkeiten habe ich auch mit der von Sarot und Stoker herausgegebenen Anthologie über Religion und das gute Leben. Zwei Themen stehen im Mittelpunkt, religiöse Formen des guten Lebens mit Gott als Richtpunkt und die Frage, ob dieser Richtpunkt sprachlich ausgedrückt werden kann. Folgende Unterscheidung fungiert für die Beiträge als Schema, nämlich die Unterscheidung zwischen der Sprache der Gemeinschaft der Gläubigen, die eine Sprache von Vorstellungen ist, und der Sprache der Begriffe der Theologen und Religionsphilosophen, die die Vorstellungssprache der Gläubigen expliziert, so dass die Bedeutung dieser Sprache allgemein zugänglich wird. Diese Unterscheidung wird mehr oder weniger als selbstverständlich vorausgesetzt. Dadurch verdeckt man jedoch den Umstand, dass auch Vorstellungssprachen Begriffe voraussetzen, und verpasst die Möglichkeit, verschiedene Auffassungen der Funktion und Natur von Begriffen kritisch miteinander zu vergleichen.

Mit dem guten Leben ist in erster Linie ein sinnvolles Leben gemeint, wofür das moralische Gute jedoch nicht ausreicht. Auf Grund religiöser Voraussetzungen wird eine religiöse Auffassung vom guten Leben vertreten, gemäß der ein gutes Leben in Harmonie mit sich selbst, seinen Mitmenschen, der Natur und Gott besteht. Diese Auffassung wird jedoch nur vorausgesetzt, es wird nicht mit der Möglichkeit gerechnet, dass auch ein Leben ohne Gott ein sinnvolles Leben sein kann. Michael Scotts Beitrag ist in dieser Beziehung eine Ausnahme. Er behandelt Wittgensteins Idee, dass ein echter Ausdruck von Zweifel einen Hintergrund voraussetzt, der nicht bezweifelt wird. Scott zeigt, wie dies auch vom Zweifel am Sinn des Lebens gilt. Sein Beitrag lässt offen, ob der diesbezügliche Hintergrund religiöser Art ist oder nicht.

Der erste Teil der Anthologie behandelt das Verhältnis zwischen Vorstellung und Begriff und die Bedeutung dieses Verhältnisses für die Natur der Religionsphilosophie. Der zweite Teil widmet sich der Spannung zwischen Vorstellung und Begriff bezüglich von Religion und gutem Leben. Im dritten Teil geht es um verschiedene Vorstellungen des guten Lebens. Gemäß der übergreifenden Absicht der Anthologie, religiöse Auffassungen vom guten Leben zu geben, sind die behandelten Vorstellungen des guten Lebens religiöser Art.

Die Auffassung von Religionsphilosophie, die der Konzeption des Buches zu Grunde liegt, ist eine christliche. Philosoph zu sein, schließt natürlich nicht aus, Christ zu sein. Religionsphilosophie als Philosophie kann jedoch nicht christliche Prämissen voraussetzen. Dies schließt nicht aus, dass man sich mit christlichen Vorstellungen auch an nicht-christliche, einschließlich nicht-religiöse, Leser wendet. Die philosophische Argumentation sollte jedoch in diesem Fall nicht auf religiösen Voraussetzungen beruhen.