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Ausgabe:

Oktober/2006

Spalte:

1035–1037

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ego, Beate, u. Helmut Merkel [Hrsg.]:

Titel/Untertitel:

Religiöses Lernen in der biblischen, frühjüdischen und frühchristlichen Überlieferung.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2005. XI, 336 S. gr.8° = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 180. Lw. Euro 84,00. ISBN 3-16-148562-9.

Rezensent:

Peter Höffken

Die Beiträge des Buches gehen auf ein Symposium zurück, das 2003 an der Universität Osnabrück veranstaltet wurde. Zwei der Vorträge von damals wurden anderwärts publiziert (vgl. Vorwort, VIII, Anm. 1). Dass ­ wie das Vorwort vermerkt ­ die beiden Herausgeber sowie andere Autorinnen und Autoren noch schriftliche Beiträge zur Buchedition beisteuerten (»Zur Abrundung des Themas Š«, VIII), dürfte die Tatsache, dass ein symposiales Zufallsprodukt zu Grunde liegt, beleuchten. Für die Internationalität sorgen dabei Autoren aus Schweden und aus Israel.

Im Einzelnen: Das Buch umfasst Beiträge zu sog. »Religiösem Lernen« im Alten Testament, in frühjüdischer und rabbinischer Literatur und endlich im Christentum; hier vom Neuen Testament bis in die Zeit des 3. Jh.s. Einzig der letzte Beitrag schlägt etwas aus der antiken Art: J. Wohlmuth bringt unter dem Titel »Augustins De magistro und das inspirierte Subjekt bei Emmanuel Lévinas. Inszenierung eines Dialogs« Augustin (De magistro) mit E. Lévinas in einen literarischen Dialog (307­320).

Auf die drei im Titel genannten Sparten verteilen sich die übrigen Beiträge recht gleichmäßig. Zum Alten Testament: B. Ego, »Zwischen Aufgabe und Gabe. Theologische Implikationen des Lernens in der alttestamentlichen und antik-jüdischen Überlieferung« (1­26: umfassender Artikel, der vor allem auch die Linien dtn Lernens als menschliche Möglichkeit und prophetischen Lernens als göttliche Gabe verfolgt); K. Finsterbusch, »ðDu sollst sie lehren, auf dass sie tun ŠÐ. Mose als Lehrer der Tora im Buch Deuteronomium« (27­45: Mose als Toralehrer in der Doppelheit von Gesetzes-Lehre und Gesetzes- Motivation/-Erkärung); E. Zenger, »JHWH als Lehrer des Volkes und der Einzelnen im Psalter« (47­67: bespricht die Ps 50; 147; 111­112 sowie 119); L. Schwienhorst-Schönberger, »Den Ruf der Weisheit hören. Lernkonzepte in der alttestamentlichen Weisheitsliteratur« (69­82: Das Schwergewicht liegt auf Prov 1­9; die Überlegungen zu Hiob, Koh, Jes Sir sind grobe Skizzen; betont die Rolle des Weges vom Auswendiglernen zum Verstehen); G. Steins, »Inszenierung des Lesens und Lernens in Neh 8,1­12« (83­97: der Vorgang in Neh 8 als Neuinszenierung der Sinai-Offenbarung). Zu frühjüdischer und rabbinischer Literatur äußern sich: A. Steudel, »ðBereitet den Weg des HerrnÐ. Religiöses Lernen in Qumran« (99­116: zum Vokabular lernen/lehren; zu lehrrelevanten Themen in qumranischen und vor-qumranischen Schriften; sowie ­ positiv ­ zur »Schule« in Qumran); M. F. Mach, »Lerntraditionen im hellenistischen Judentum unter besonderer Berücksichtigung Philons von Alexandrien« (117­139: Die Frage nach Lerntraditionen scheint sich nicht klar beantworten zu lassen. Das liegt auch an der christlich inspirierten Auswahl der tradierten Texte; die durch Philo erschließbare Auslegerszene in Alexandrien scheint mir vielfältiger als bei M. beschrieben); G. Stemberger, »ðSchaff dir einen Lehrer, erwirb dir einen KollegenÐ (mAV 1,6) ­ Lernen als Tradition und Gemeinschaft« (141­155: erarbeitet die einerseits auf Lehrer bezogene und die auf der anderen Seite auf Mitlerner bezogene Dimension im rabbinischen Lernen); A. M. Böckler, »Beten als lernen ­ Lernen als Mitzwa. Das Gebetbuch als Lehrbuch im Judentum« (157­173: bespricht ausführlicher ein Element von Gebetbüchern); T. Ilan, »Learned Jewish Women in Antiquity« (175­190: findet vier weibliche Gestalten in antiken Texten, die als die Spitze eines jüdischen Eisbergs an Frauenbildung verstanden werden). Zu christlichen Problemen äußern sich die Beiträge von S. Byrskog, »Das Lernen der Jesusgeschichte nach den synoptischen Evangelien« (191­209: will religiöses Lernen als Lernen der Jesusgeschichte verstehen); F. G. Untergassmair, »ðDu bist der Lehrer Israels und verstehst das nicht?Ð (Joh 2,10b) ­ Lernen bei Johannes« (211­233: vor allem der Versuch, das johanneische Corpus als schulisches Produkt zu begreifen); H. Merkel, »Der Lehrer Paulus und seine Schüler. Forschungsgeschichtliche Schlaglichter« (235­252: diskutiert mit negativem Ausgang die zwei Varianten der These einer Paulusschule); P. Pilhofer, »Von Jakobus zu Justin. Lernen in den Spätschriften des Neuen Testaments und bei den Apologeten« (253­269: eine interessante Studie, die Schule und Mission identisch setzt); D. Wyrwa, »Religiöses Lernen im zweiten Jahrhundert und die Anfänge der alexandrinischen Katechetenschule« (271­305: Entgegen dem Titel geht es vor allem um Fragen, die um Origenes als Leiter der Schule in Alexandrien kreisen; in Sachen einer schulischen Kontinuität zu den »Vorgängern« Pantänus und Clemens ist Wyrwa zurückhaltend); der schon oben genannte Aufsatz von J. Wohlmuth schließt ab (307­322). Die üblichen Stellenregister und ein Stichwortregister be- und erschließen das Buch (323­336).

Schon der Blick auf die Titel der Beiträge zeigt, dass manche der Artikel, wie das bei Symposien ja häufiger geschieht, mit dem Thema des »religiösen Lernens« nur marginal zu tun haben (so z. B. der Beitrag von T. Ilan, so interessant die von ihr erhobenen jüdischen Frauengestalten vor allem in nichtjüdischer antiker Literatur sind); oder aber sie befassen sich stärker mit den Rahmenbedingungen von Lernen (so H. Merkels forschungsgeschichtliche Anmerkungen zur sog. »Paulusschule« mit negativem Ergebnis; dagegen F. G. Untergassmair zum johanneischen Kreis mit positiver Würdigung der joh »Schule«, der er Oberseminar-Niveau attestiert; D. Wyrwa mit zurückhaltender Stellungnahme zur alexandrinischen Katechetenschule vor Origenes). Es ist von daher verständlich, dass die Herausgeber zu einer systematisierenden Erfassung dessen gelangen wollen, was durch die Einzelbeiträge denn als »religiöses Lernen« bestimmt sei (Vorwort, IX­X). Buchleserinnen und -leser seien auf diese Bündelung eigens hingewiesen. Vor allem diese Quintessenz lässt sich zum Bedenken empfehlen. Ansonsten reicht die Palette des »religiösen Lernens« in den Beiträgen und der ihnen zu Grunde liegenden Literatur vom Kleinkinde bis zum Erwachsenen, ohne dass nötige Differenzierungen immer getätigt würden. Auch das hohe Lob des Auswendiglernens mit anschließender »Verinnerlichung« (IX heißt dies »Automatisierungsprozess«) kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir eigentlich recht wenig wissen, was auswendig gelernt wurde und gegebenenfalls in welchem Alter. Wenn man die Befunde sozusagen vorschnell mit der Gegenwart überblendet, so wäre vielleicht zu sagen, dass »religiöses Lernen« (auf die hier anvisierte Art und Weise) am besten in religiösen Institutionen stattfinden sollte (einschließlich von Bekenntnisschulen?). ­ Die durch biblische, frühjüdische und frühchristliche Texte angestoßenen Lernvorgänge (im Unterschied zu den in Texten erhebbaren Lernprozessen) sind übrigens etwas, was stark außen vor bleibt.