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Ausgabe:

Oktober/2006

Spalte:

1003–1020

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Söding, Thomas

Titel/Untertitel:

Die Rechtfertigungstheologie des Galaterbriefes im Streit der Interpretationen*

Im Streit entstanden, steht er im Streit bis heute. Seinem Thema ist das angemessen, seiner Rezeption kommt es zu Gute, seine Auslegung nimmt es in Anspruch. Die Rechtfertigungslehre, die der Galaterbrief in reflektierter Form erstmals bezeugt, ist eine Unterscheidungslehre; die Antithese ist ihre Grundform. Das Thema bewegt vor allem die lateinische Kirche, weil sie ­ vom römischen Denken herausgefordert ­ immer wieder um das Verhältnis von Glaube und Liebe, Soteriologie und Ethik, Erwählung und Bewährung gerungen hat. Was der Galaterbrief verkündet und begründet, hat die Orthodoxie der Alten Kirche bestärkt, aber die Kirche des Okzidents auseinandergerissen. Die Wirkungsgeschichte des Briefes ist voller Widersprüche, von denen die Heilsverkündigung so stark betroffen ist wie die kirchliche Praxis.

Die Exegese kann deshalb die Rezeptionsgeschichte des Galaterbriefes nicht nur studieren, um die Produktivität immer neuer Deutungen zu dokumentieren. Sie hat sich mit Bekenntnistexten und Konzilserklärungen, schließlich mit Konsensdokumenten auseinanderzusetzen, die beanspruchen, verbindlich den Glauben der Kirche zu bezeugen. Die Exegese muss diese theologischen Interessen, Vorgaben, Probleme und Ansprüche aufklären; sonst wäre sie hermeneutisch naiv. Sie gewinnt im Streit der Interpretationen Format, wenn sie sich die Augen dafür öffnen lässt, was theologisch auf dem Spiel steht, worum der Streit lohnt und ob er geschlichtet werden kann. Sie muss Auskunft geben, welche Interpretationen einander ausschließen, welche aber einander als wahr anerkennen können. Das setzt voraus, die Rechtfertigungslehre in dem theologischen Horizont zu interpretieren, den sie eröffnet: Die Exegese muss die Wahrheitsfrage stellen; denn Paulus selbst nimmt nach dem Galaterbrief die »Wahrheit des Evangeliums« für seine Rechtfertigungsverkündigung in Anspruch (Gal 2,5.14). Auf dem »Apostelkonzil« (Gal 2,1­10) und im antiochenischen Streit (Gal 2, 11­14) geht es um die Freiheit des Glaubens und um die Einheit der Kirche, um die Universalität der apostolischen Predigt und um die Schriftgemäßheit apostolischer Lehre, um die eschatologische Heilsbedeutung Jesu Christi (Gal 1,3 f.; 2,19 f.) und um die Größe der Gnade Gottes (Gal 2,21).

1. Der Streit der InterpretationenSchon im Römerbrief reagiert Paulus auf die beiden Hauptprobleme, die bis heute die Wirkung des Galaterbriefes prägen und seine Interpretation strittig sein lassen. Macht die Rechtfertigungslehre die Gnade billig? »Gilt am Ende, wie wir verlästert und verleumdet werden: Lasst uns Böses tun, dass Gutes entstehe?« (Röm 3,8) »Sollen wir etwa an der Sünde festhalten, dass die Gnade mächtiger werde?« (Röm 6,1) »Heißt das nun, dass wir sündigen dürfen, weil wir nicht unter dem Gesetz stehen, sondern unter der Gnade?« (Röm 6,15) Und wo bleibt Israel, wenn den Heiden ohne die Beschneidung Zugang zum Volk Gottes gewährt wird? »Was ist dann der Vorzug der Juden, was der Nutzen der Beschneidung?« (Röm 3,1) Die paulinische Diatribe ist mit Anspielungen auf antipaulinische Kritik gespickt, die scheinbar Stichworte im Galaterbrief finden konnte.Paulus schreibt diesen Brief, weil seine Gegner ihm offenbar vorgeworfen haben, den Heidenchristen durch den Verzicht auf die Beschneidung den Zugang zum Gottesvolk der Abrahamskinder versperrt zu haben. In Gal 2,17 scheint er den Vorwurf parieren zu wollen, seine Gnadentheologie verharmlose die Sünde und zersetze die Ethik. Dem hält Paulus entgegen, dass in der Liebe das Gesetz erfüllt werde (Gal 5,13 f.) und dass die Zugehörigkeit zum Gottesvolk, wie schon Abraham zeige, allein durch den Glauben konstituiert werde (Gal 3).

Der Römerbrief, der sein eigenes missionstheologisches Ziel verfolgt, ist nebenbei eine große Verteidigung, aber auch Vertiefung und Ausweitung des Galaterbriefes, keine Verwandlung, aber eine Fortentwicklung, die situationsbedingte Einseitigkeiten ausgleicht, neue Themenfelder erschließt und einen weiteren Horizont ausspannt. Die Rechtfertigung der Glaubenden wird unter das Vorzeichen der Gerechtigkeit Gottes gerückt; die Theologie Israels wird neu geschrieben; die Rede vom Gesetz ist differenzierter als im Galaterbrief, die Ethik der Agape wird ausgeführt und konkretisiert.

a) Der Interpretationskonflikt in der Alten Kirche

Der Galaterbrief steht in den ersten Jahrhunderten zwar im Schatten des Römerbriefes, hat aber dennoch erhebliche Aufmerksamkeit gefunden. 1 Markion hat ihn verstümmelt, um ihn an die Spitze seines »Apostolos« stellen zu können. Tertullian hat dagegen streng an der Integrität des Briefes festgehalten und in einem vollständigen, fortlaufenden Kommentar die paulinische Theologie der Schöpfung, der Heilsgeschichte und des Gesetzes mit der patrozentrischen Christologie und Soteriologie des Apostels vermittelt (Marc. V 2,1­4,15). Diese Kontroverse ist typisch. Der Galaterbrief trägt in der Antike wesentlich dazu bei, Grunddaten der Theologie und Christologie abzusichern. Die spezielle Rechtfertigungslehre hat in diesem Rahmen eine quantitativ geringe, qualitativ allerdings hohe Bedeutung. Während Tertullian Gal 2,16 gegen Markions Dualismus auswertet,2 streiten sowohl Hieronymus3 als auch Augustinus4 mit der paulinischen These gegen Pelagius. Der hatte in seinem Galater-Kommentar betont, dass die Gesetzeswerke nicht zur Rechtfertigung, sondern zur Erziehung des Volkes gedacht gewesen seien. Demgegenüber legen Hieronymus und Augustinus die These so grundsätzlich aus wie Paulus; weil sie mit der Behauptung rechnen, dass die Rechtfertigung aus dem Gesetz kommen könne, haben sie die Möglichkeit, Soteriologie und Ethik zu unterscheiden, um die Freiheit des Glaubens zu betonen. Rechtfertigungstheologisch relevant ist auch die antike Rezeption des Briefes in der Ekklesiologie und Ethik. Der Begriff erhellt die theologisch fundierte Koinonia zwischen Petrus und Paulus (Gal 2,1­10.11­16)5; im Kampf gegen Häretiker kommt das Anathema des Apostels (Gal 1,8 f.) gerade recht; in der Unterscheidung von den Juden wird mit Berufung auf Gal 3 eine scharfe Gesetzeskritik und mit Berufung auf Gal 4 eine kompromisslose Substitutionsekklesiologie getrieben.6 Die Ethik wird nie als Gegensatz zur Gnadenlehre, sondern als deren Konsequenz verstanden. Die Abba-Anrede wird mit dem Vaterunser korreliert (Augustin., in Ps. 129,5 [CChr.SL 40, 1894]), die Agape-Mahnung mit dem jesuanischen Doppelgebot. Gal 2,19 f. und 6,14 wird eng mit Jesu Forderung der Kreuzesnachfolge Mt 16,24 verbunden und unterstützt das Anliegen altkirchlicher Weltdistanz und christologischer Frömmigkeit.

Im pelagianischen Streit wird die Rechtfertigungslehre innerchristlich aktualisiert; in der Auseinandersetzung mit den Juden dient sie als Abgrenzungslehre. In diesen Verschiebungen zeigt sich das Grundproblem der antiken Paulusexegese.

b) Der Interpretationskonflikt im Westen

Der westliche Interpretationskonflikt an der Schwelle zur Neuzeit ist durch die evangelische Kritik an der Werkgerechtigkeit und die katholische Sorge um die ethische Substanz des Glaubens geprägt, von der evangelischen Aversion gegen die Vermischung und der katholischen gegen die Trennung von Göttlichem und Menschlichem. Er wird auf der Basis des gemein- samen Credos ausgetragen. Die Rechtfertigungslehre erlangt ein Gewicht wie selten zuvor in der Geschichte des Christentums. Es sind genau dieselben Stellen aus dem Römer- und dem Galaterbrief, aus der Genesis und dem Psalter, die von Luther, Calvin und den Bekenntnisschriften einerseits, von Cajetan, Erasmus und dem Konzil von Trient andererseits zitiert werden, um allerdings einerseits gegen die unterstellte katholische »Werkerei« das sola fide zu begründen, andererseits gegen die unterstellte protestantische Laxheit den verbindlichen Lebensweg des Glaubenden in die Kirche und in der Kirche zu beschreiben. Die ekklesiologische Fragestellung verengt sich allzu oft auf den Konflikt zwischen Petrus und Paulus, der auf der einen Seite gerne mit Schweigen übergangen, auf der anderen Seite teils als ekklesiologischer Schlüsseltext antipäpstlich benutzt wird.7

Im 19. Jh. verschärft sich der Gegensatz. Die protestantischen Exklusivartikel werden mit dem modernen Subjektivismus verbunden, um die individuelle Gewissensfreiheit als Krönung evangelischer Rechtfertigungslehre feiern zu können,8 obgleich Paulus das »Ich« des Gerechtfertigten (Gal 2,19) im »Wir« derer lokalisiert, die in Christus zur Einheit der Kirche finden (Gal 1,4; 2,4; 3,13 f.26 ff.; 4,26; 5,1.25). Die römische Ekklesiologie forciert hingegen die Amtstheologie, obgleich sie im Galaterbrief über die Apostolatstheologie hinaus keine Rolle spielt, und akzentuiert den Petrusdienst, ohne den antiochenischen Konflikt (Gal 2,11­14) aufzuarbeiten.

Die ökumenische Bewegung des 20. Jh.s nimmt sich des kontroverstheologischen Dilemmas an und führt in verschiedenen Dialogen zu substantiellen Verständigungen, die die Lehrentwicklungen in den Konfessionen als unterschiedliche, einander aber nicht ausschließende Rezeptionen der biblischen Rechtfertigungsbotschaft würdigen. Dieser Prozess führt 1999 zur »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre«. In der biblischen Grundlegung, die angesichts der vorausgehenden Studien nur knapp dargestellt wird, ist der Kern der exegetischen Ökumene zur Geltung gebracht, wie er z. B. in den ziemlich gleichzeitigen Qualifikationsarbeiten von Peter Stuhlmacher 9 und Karl Kertelge 10 dargestellt worden ist: zwischen forensischer und effektiver Rechtfertigung besteht ein Scheingegensatz; der rechtfertigende Glaube (Gal 2,16) ist der, der durch Liebe wirksam ist (Gal 5,6); die Werke des Gesetzes werden ausgeschlossen, weil mit ihnen Ansprüche vor Gott begründet würden; Rechtfertigung und Heiligung gehören zusammen, Glaube und Taufe, Gnade und Gerechtigkeit, Heil und Kirche. Die Rechtfertigungslehre wird zwar nicht das, aber ein Kriterium genannt, an dem die ganze Lehre der Kirche zu messen sei.

c) Die »neue Paulusperspektive«

Allerdings findet sich im biblischen Teil der »Gemeinsamen Erklärung« noch keine Spur der »neuen Paulusperspektive«, die weniger vom innerchristlichen als vom jüdisch-christlichen Dialog geöffnet worden ist. Einerseits wird das methodische Spektrum erweitert. Wenn die Gesetzeswerke als »identity markers« erscheinen,11 wird nicht nur die Religionssoziologie theologisch fruchtbar gemacht,12 sondern auch die Kulturanthropologie13; der missionstheologische »Sitz im Leben« der Rechtfertigungslehre wird deutlicher,14 aber auch die politische Bedeutung des Gesetzes für das Judentum als religio licita im Imperium Romanum, was die paulinische Rechtfertigungslehre in neuem Lichte revolutionär scheinen lässt.15 Andererseits wird der theologische Horizont geweitet: Wenn sie den »Bundesnomismus« als hermeneutischen Rahmen der Rechtfertigungstheologie nachzeichnet, um die Unterscheidung von getting in und staying in auf die Unterscheidung von Glauben und Werken zu projizieren,16 wird die Bundestheologie reformierter Provenienz ebenso fruchtbar gemacht wie die Theologie der Heiligung John Wesleys. Zwar gibt es die nicht ganz von der Hand zu weisende Kritik,17 die Anthropologie der Rechtfertigungstheologie dürfe nicht marginalisiert werden, die kulturellen Grenzpfähle zwischen dem Volk und den Völkern seien aus theologischen Gründen eingeschlagen worden, der rechtfertigende Glaube sei nicht nur Entscheidung, sondern Lebenspraxis und die Gesetzes- und Bundestheologie sei mit ihrer Betonung der Gnade eine christliche Konstruktion,18 schon gar nicht könne die Rechtfertigungslehre als spezielle Soteriologie für Heidenchristen präsentiert werden.19 Aber die Bedeutung der Ekklesiologie wird zu Recht betont,20 auch wenn erst der Epheserbrief in der Überwindung der Grenze zwischen Juden und Heiden die Pointe der Rechtfertigungsbotschaft sieht (Eph 2,11­22); die Schriftreflexion wird als substantielle Dimension der Rechtfertigungslehre erkannt, auch wenn es eine christologische Schrifthermeneutik ist, die Paulus entwickelt. Die Nomostheologie wird aus dem lutherischen Gegensatz »Gesetz und Evangelium« gelöst,21 auch wenn Jakobus von Paulus zu unterscheiden bleibt.22 Die Israeltheologie erscheint nicht als Appendix, sondern als Konsequenz der Rechtfertigungslehre, auch wenn es die in den Kontext der Heilsgeschichte gestellte Christologie ist, die sowohl die Bedeutung der Verheißung erhellt als auch die Rettung ganz Israels begründet (Röm 11,26).23

e) Die gegenwärtige Herausforderung

Die theologische Herausforderung der Gegenwart zielt aber noch tiefer. Die reformatorische wie die gegenreformatorische, jeweils auf Augustinus zurückgehende Paulusdeutung sieht den Skopos der paulinischen Rechtfertigungslehre in der Destruktion menschlicher Ansprüche gegen Gott. Das ist eine Zuspitzung, die zwar einerseits immer aktuell ist, andererseits aber dem Judentum in seinen stärksten Texten schwerlich gerecht wird, wie spätestens die Qumranfunde24 beweisen. Ist es dann an der Zeit, Paulus beiseite zu schieben?25 Oder zu überprüfen, ob Paulus richtig verstanden ist, wenn seine Rechtfertigungstheologie im Paradigma der Leistung interpretiert wird?

Die beiden Grundprobleme, die von Anfang an die Rezeption des Galaterbriefes und seiner Rechtfertigungslehre bestimmt haben, zeigen sich von innen her verbunden. Die Alte Kirche gewann mit Paulus aus einer Deutung des Alten Testaments einen starken Anhalt für die Gnadentheologie, die sich in der Konfrontation mit diversen Moralisierungen der Ethik zu bewähren hatte. Sie ist aber auch in der Galaterexegese von Antijudaismen nicht frei. Durch die Katastrophen des 20. Jh.s wird der Theologie hingegen klar, dass es nicht reicht, die Verwurzelung des Neuen Testaments im Alten und der Kirche in Israel zu betonen. Die größere Herausforderung besteht darin, die Augen für das Israel der jeweiligen Gegenwart zu öffnen und für das jüdische Verständnis derselben Schrifttexte, die Paulus für seine Rechtfertigungslehre in Anspruch nimmt. Die geschichtliche Gegenwart kann aber im paulinischen Sinn nicht verstanden werden ohne den Blick auf die eschatologische Zukunft.

Was heißt das für die Theologie? Kann eher durch eine Relativierung oder durch eine Radikalisierung der paulinischen Rechtfertigungslehre eine Erneuerung des jüdisch-christlichen Verhältnisses angestrebt werden? Umgekehrt ist die ökumenische Verständigung im Horizont des Leistungsparadigmas erfolgt. Führt der Paradigmenwechsel in der Paulusforschung zu einer Aushöhlung oder einer Verdichtung des ökumenischen Konsenses?

2. Die Konfliktlinien im Galaterbrief

Den Galaterbrief durchziehen Konfliktlinien, die einander überschneiden. Die stärkste ist die zwischen dem Apostel mit seinen ungenannt bleibenden Gegnern. Sie bestimmt den Anlass, das Thema und die Form des Briefes, vom Verzicht auf die übliche Danksagung über die appellative Argumentation bis zu Polemiken und existentiellen Selbststilisierungen des Apostels, die weder die antichristliche Militanz seiner unrühmlichen Vergangenheit (Gal 1,13­16) noch die mystische Erfahrung persönlicher Christusliebe (Gal 2,19 ff.) verschweigen und im Hinweis auf die Stigmatisierung gipfeln (Gal 6,17). Paulus kämpft nicht nur um seine Autorität als Apostel, sondern um die galatischen Gemeinden, ihren Glauben, ihre Hoffnung und ihre Liebe.26 In diese Auseinandersetzung sind zwei Erinnerungen an frühere Konflikte eingebunden, die einerseits die Position des Apostels entscheidend beeinflusst haben, andererseits aber von seinen Gegnern wesentlich anders eingeschätzt und für ihre Pauluskritik ausgewertet worden sind: der in Antiochien entbrannte und auf dem »Apostelkonzil« befriedete Konflikt um die beschneidungsfreie Völkermission (Gal 1,21; 2,1­10; vgl. Apg 13­14; 15) und der gleichfalls in Antiochien entbrannte Konflikt zwischen Paulus einerseits und Petrus, allen anderen Judenchristen, auch Barnabas um die Tischgemeinschaft von Juden- und Heidenchristen (Gal 2,11­14.15­21).

a) Der Streit mit den galatischen Gegnern

Im Prooemium (Gal 1,6­9) spricht Paulus ohne Umschweife den harten Konflikt an, der ihn zur Abfassung des Briefes nötigt. Augenscheinlich haben auch seine Gegner sich als Verkünder des Evangeliums verstanden. Aber sie verstehen das Evangelium wesentlich anders als der Apostel. Der Unterschied ist so eklatant, dass Paulus von einer Verkehrung des Evangeliums redet, die heillose Verwirrung stiftet (Gal 1,7) und keine Kirchengemeinschaft zulässt (Gal 1,8 f.). Inhaltlich ist der Konfliktpunkt im Großen und Ganzen ziemlich genau, im Einzelnen aber nicht mit gewünschter Sicherheit zu bestimmen.27 Auf Grund der Quellenlage ist ohnedies nur das Gegnerbild zu rekonstruieren, das Paulus zeichnet; die beliebten Gedankenspiele, ob Paulus seine Gegner überhaupt richtig verstanden habe, sind Spekulationen; es gibt keinen anderen Zugang zu dem, was sie gelehrt haben, als den über den Galaterbrief.

Seinen Gegnern wirft der Apostel vor, von den Heidenchristen als Voraussetzung der Kirchenmitgliedschaft zusätzlich zum Christusglauben die Beschneidung gefordert zu haben (Gal 6, 12 f.; vgl. 5,1­12; auch 2,3.7; 3,28; 6,15). Er wirft ihnen aber zugleich Inkonsequenz vor: Einerseits veranlassten sie die Galater, auf »Werke des Gesetzes« zu setzen (Gal 3,2­5; 5,1.4); andererseits meint er, den Galatern erst die Augen dafür öffnen zu müssen, dass aus der Beschneidung die Verpflichtung folge, »das ganze Gesetz zu halten« (Gal 5,3), während er seinen Konkurrenten vorhält, dass sie, obgleich beschnitten, »das Gesetz nicht halten« (Gal 6,13). Die Divergenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die Paulus bei seinen Gegnern konstatiert, kann auf das Konto einer liberalen Proselytenmission gebucht werden, hat aber womöglich noch andere Ursachen. Der Apostel hält den Galatern vor, dass sie im Begriff stünden, auf neue Weise wieder den »Weltelementen« zu dienen, was sich vor allem in der Beachtung von »Tagen und Neumonden und Festzeiten und Neujahrstagen« zu zeigen scheint (Gal 4,9 f.). Diffamiert er damit den Gesetzesdienst als Repaganisierung? Das wird ihm von einigen vorgeworfen, während andere darin die glänzende Spitze paulinischer Aufklärung über das Wesen des Gesetzesdienstes sehen. Vom Sabbat redet Paulus aber nicht. Die religionsgeschichtlichen Parallelen verweisen weniger ins Judentum als in eine der zahlreichen Formen hellenistischer Synkretismen, wie sie weder dem Judentum noch dem Christentum fremd geblieben sind.

Seine Strategie besteht darin, den Konflikt ins Grundsätzliche zu heben.28 Den Galatern gegenüber stellt er sich auf den Standpunkt pharisäischer Gesetzestheologie; er zieht Dtn 27,26 (in Gal 3,10) und Lev 18,5 (in Gal 3,12) heran, um aus der Schrift zu erklären, dass es eine partielle Erfüllung des Gesetzes in Konformität mit Abraham und Mose nicht gibt. Dieses Argument hat umso mehr Gewicht, als Paulus in Gal 5,13 f. auf die Erfüllung des Gesetzes durch die Liebe pocht, in der sich der rechtfertigende Glaube auswirkt (Gal 5,6). Es ist aber gerade diese theologische Konsequenz des pharisäisch geschulten Schriftgelehrten, die den Apostel das eigentliche Problem herausarbeiten lässt. Manches spricht dafür, dass seine Gegner die Gesetzeswerke ­ mit der Beschneidung an der Spitze ­ als identity markers gesehen haben, mithin als kulturelles Symbol der Zugehörigkeit zum Gottesvolk, ohne die es keine Rettung geben könne. Dafür werden durchaus theologische Gründe geltend gemacht worden sein; auch die Gegner werden sich auf Abraham und Mose berufen haben. Der Apostel hingegen führt das kulturelle auf ein theologisches Paradigma zurück und löst zugleich die Ekklesiozentrik der Perspektive auf, indem er sie auf die Soteriologie zurückführt, die er an die Christologie und die ihr innewohnende Theozentrik bindet. Mit dem Appell an das Erste Gebot, auf das die Erinnerung an die Konversion der Galater ebenso zuläuft (Gal 4,8 f.) wie die erste Begründung der Rechtfertigungsthese (Gal 2,21), weist Paulus nicht nur den ­ subkutanen ­ Synkretismus seiner Gegner ab; er deckt zugleich den tiefsten Grund seiner Gesetzes- und Gnadentheologie auf, den seinem Urteil nach seine Gegner verlassen haben.

Auf der grundsätzlichen Ebene wird in den Augen des Paulus aber nicht nur das eigentliche Problem sichtbar, sondern auch seine Lösung. Das Problem ist nicht schlichtweg eine Rejudaisierung des Christentums, sondern eine synkretistische Vermischung, die weder dem Gesetz noch dem Evangelium, weder dem Judentum noch dem Christentum gerecht wird. Die Lösung ist deshalb eine christologische Theologie des Gesetzes und des Evangeliums, damit aber auch Israels und der Kirche. Paulus öffnet den Galatern die Augen dafür, dass seine Gegner faktisch ­ vielleicht nicht theoretisch ­ dem Gesetz und den Werken Heilsbedeutung einräumen und dadurch hinter das Grundbekenntnis zurückfallen, dass Gott durch Jesus Christus alles zum Heil der Menschen getan hat. Die »Werke des Gesetzes« sind identity markers, aber Paulus kritisiert sie nicht als identity markers, auch nicht als »Leistungen«, die Verdienste begründen könnten, sondern als Ausdruckshandlungen eines Heilsvertrauens auf das Gesetz, das weder dem Sinn des Nomos gerecht wird, wie er sich durch das Kommen des Glaubens (Gal 3,25) zeigt, noch dem Heilshandeln Gottes in Christus (Gal 2,21). Paulus ist sich, wie Gal 5,11 erkennen lässt, bewusst, dass der Verzicht auf die Beschneidung die politische Situation der Christengemeinde prekär werden lässt, weil sie sich ­ immer deutlicher auch von außen wahrnehmbar ­ nicht als Variante des anerkannten Judentums organisiert und damit über kurz oder lang den (brüchigen) Rechtsschutz der Synagogengemeinden entbehren muss. Es kommt nicht von ungefähr, dass im kleinasiatischen Missionsgebiet des Paulus mit den Pliniusbriefen die ersten Zeugnisse einer staatlichen Koordination des Vorgehens gegen Christen überliefert sind.29 Paulus setzt auf die Wahrheit des Evangeliums, die Authentizität des Bekenntnisses, den Freimut des Glaubens, die Glaubwürdigkeit der Agape. Diese Haltung hat nicht nur die christlichen Märtyrer hervorgebracht, sondern die christlichen Gemeinden zu Orten glaubwürdiger Religiosität werden lassen.

b) Der Streit mit den Gegnern Antiochias



Dass die Auseinandersetzung in Galatien sich nicht in Kontroversen über Bräuche erschöpft, sondern den Nerv des Glaubens berührt, macht Paulus an seiner Darstellung des »Apostelkonzils« deutlich, die in den wesentlichen Punkten mit Apg 15 kompatibel ist.30 Paulus nennt die Gegner, die sich dort gegen die antiochenische Missions- und Gemeindepraxis aussprechen, »falsche Brüder«, die sich »eingeschlichen« haben (Gal 2,4; cf. Apg 15,1­5). Beides spricht dafür, dass es sich um Judenchristen handelt, die von außen die antiochenische Praxis betrachten.31 Die Beschneidungsfrage steht im Zentrum. Das zeigt nicht nur der Umstand, dass Paulus eigens Titus nach Jerusalem mitgenommen hat und den Galatern Mitteilung macht, dieser sein Schüler, ein Heidenchrist, sei nicht zur Beschneidung gezwungen worden (Gal 2,3); es folgt auch daraus, dass Paulus in singulärer Weise bei der Beschreibung des Jerusalemer Übereinkommens das »Evangelium der Unbeschnittenheit« dem »der Beschneidung« gegenüberstellt und den »Apostolat der Beschneidung« dem zu »den Völkern« (Gal 2,7 f.). Aber anders als seinen galatischen Gegnern scheint den antiochenischen klar gewesen zu sein, dass die Gesetzesobservanz nicht zur Disposition stellen kann, wer die Beschneidung fordert. Von Synkretismen ist keine Rede; in Antiochien und Jerusalem scheint ein lupenreiner christlicher Nomismus die Stimme gegen Paulus, Barnabas und die dort vorangetriebene judenchristliche Heidenmission erhoben zu haben. Deshalb kann Paulus zeigen, dass nicht nur die Mitgliedschaft in der Kirche zur Debatte steht, sondern die Zugehörigkeit zu Christus und die Hoffnung auf endgültige Rettung durch Gott. Paulus stellt das »Apostelkonzil« so dar, dass er sich mit seiner Position den »Säulen« ­ Jakobus, Kephas und Johannes ­ hat verständlich machen können (das stimmt sachlich mit Apg 15 überein). Unter dieser Rücksicht gewinnen die biographischen Notizen Gewicht, dass er zwar unabhängig von jeder menschlichen Vermittlung, auch nicht von Jerusalems Gnaden, Apostel ist, doch immer den Kontakt mit Jerusalem, besonders mit Kephas, aber auch mit Jakobus gesucht habe (Gal 1,17 f.). Den Galatern gibt Paulus mit seinem Bericht aus Jerusalem zu verstehen, dass nicht etwa er im Gegensatz zur Urgemeinde Mission treibt, sondern im Gegenteil seine Gegner, was immer sie über ihre Nähe zur Muttergemeinde gesagt haben mögen, auf einer Position beharren, die in Jerusalem klar und kompromisslos von den »Säulen« zurückgewiesen worden ist.


c) Der Streit mit Petrus

Wesentlich anders als der Streit mit den »falschen Brüdern« ­ und den galatischen Gegnern ­ ist der mit Petrus, Barnabas und den anderen Judenchristen Antiochiens einzuschätzen (Gal 2, 11­16).32 Er ist theologisch nicht weniger bedeutsam, wird aber auf der Basis des »Apostelkonzils« ausgetragen. Er zeigt, dass ein wesentliches Problem noch nicht gelöst worden war. Hinter der Frage der Tischgemeinschaft steckt die Frage, ob für Judenchristen die Einhaltung der Speisevorschriften obligatorisch ist oder nicht. Paulus redet von einem »Zwang«, der auf die Heidenchristen ausgeübt worden sei (Gal 2,14), gibt aber auch zu erkennen, dass die Judenchristen, nachdem die Leute des Jakobus ihren Einfluss geltend gemacht haben, offenbar nicht bei den Heidenchristen interveniert, sondern sich selbst aus der bislang praktizierten Tischgemeinschaft zurückgezogen haben. Der Zwang ist ein indirekter; die Heidenchristen müssen »jüdisch leben«, um wieder in voller Gemeinschaft mit Petrus, Barnabas und allen Judenchristen zu leben. Falls die Herrenmahlsfeier tangiert wäre, würde der Druck noch größer.

Worin er bestand, hängt am Verständnis des Verbs indaizein in Vers 14. Manche deuten, dass auch die Beschneidung umfasst sei; 33 dann freilich würden Petrus, Barnabas und alle anderen Judenchristen sowie Jakobus die Jerusalemer Beschlüsse konterkarieren und auf die Linie der »Pseudobrüder« einschwenken. Die Paulusgegner in Galatien mögen sie so verstanden haben. Aber der Kontext spricht für eine offenere Bedeu- tung. Petrus, der in Antiochien als Jude heidnisch lebte, hat ja nicht seine Beschneidung verleugnet, sondern sich offenbar nicht mehr an die Speisevorschriften gehalten. In jüdischen Texten sagt man es eigens dazu, wenn man unter indaizein auch die Beschneidung versteht.34 Paulus sagt es nicht; die Beschneidung ist nicht kontrovers.

Dadurch wird der Konflikt nicht kleiner, aber die Basis einer Lösung wird sichtbar. Der Vorwurf, den Paulus an die Adresse des Petrus richtet, besteht darin, ebenso wie die anderen Judenchristen Antiochiens aus Furcht »vor denen aus der Beschneidung« zum Heuchler geworden zu sein, der wider besseres Wissen handelt. Mit »denen aus der Beschneidung« (Gal 2,12) sind schwerlich die »einigen von Jakobus« (Gal 2,12), 35 gar Jakobus selbst gemeint; unmittelbar danach wird Paulus ja Petrus als Mit-Juden ansprechen (Gal 2,15). Vielmehr dürfte der Blick auf die Juden gerichtet sein, die nicht ohne weiteres die judenchristliche Heidenmission und die aus ihr folgende Tisch- und Lebensgemeinschaft zwischen Juden- und Heidenchristen akzeptieren. Nur so erklärt sich das Motiv der Furcht. Sofern Jakobus eine Rolle im Hintergrund spielt, dann die, das Gefährdungspotential, das nach der Verfolgung der Hellenisten in Jerusalem (Apg 8,1) nicht von der Hand zu weisen war, namhaft gemacht zu haben.

Der Vorwurf der Heuchelei ist identisch mit dem der Inkonsequenz. Paulus unterstellt Petrus und allen anderen Judenchristen, nicht aus besserer Einsicht, sondern auf Grund äußeren Drucks ihre Haltung verändert zu haben. Petrus hat sich nach paulinischem Urteil »ins Unrecht gesetzt« (Gal 2,11), weil er »nicht den rechten Weg zur Wahrheit des Evangeliums« gehe (Gal 2,14). Dass aber nach paulinischer Darstellung im Grundsätzlichen zwischen ihm und Paulus kein Dissens, sondern Konsens besteht, ergibt sich aus Gal 2,15 f. Selbst wenn man der These skeptisch gegenüberstünde, dass Gal 2,16 eine im Wesentlichen traditionelle, von Jerusalem wie Antiochia akzeptierte, auch schon in der Tradition antithetische Formulierung sei, 36 hätte doch Gewicht, dass Paulus gegenüber den Galatern den grundlegenden Konsens in der Rechtfertigungslehre in Anspruch nimmt. 37 Paulus wendet das Problem der Tischgemeinschaft wieder ins Prinzipielle, nun aber nicht, um den Dissens festzustellen, sondern um den Konsens einzuklagen. Im Rückblick auf Gal 2,1­10 sind auch Jakobus und Johannes, die beiden anderen »Säulen«, die für die Jerusalemer Urgemeinde stehen, in die paulinisch-petrinische Grundübereinstimmung einbezogen.

Paulus steht aber nicht an, aus dem ­ unterstellten ­ Rechtfertigungskonsens die Konsequenzen einzuklagen: Die Separierung der Judenchristen von den Heidenchristen muss rückgängig gemacht werden; der Druck auf die Heidenchristen, jüdisch zu leben, muss aufhören; in ihrem Verhältnis zu den Heidenchristen ist es nicht genug, dass die Judenchristen nicht auf der Beschneidung bestehen; sie müssen auch in ihrem eigenen Umgang mit den Speisegeboten und Reinheitsvorschriften ernst damit machen, dass nicht die »Werke«, sondern der Glaube die Rechtfertigung begründet.

d) Konfliktbewältigungen

Die Konflikte, die der Galaterbrief bespricht, haben unterschiedliches Gewicht und unterschiedliche Gründe. Die Exegese hat sich seit der Neuzeit allzu oft von hegelianischen Konstruktionen beeinflussen lassen, die konfessionelle Gegensätze zwischen Protestantismus und Katholizismus mit Auseinandersetzungen zwischen Judentum und Christentum vermengen und in das Neue Testament projizieren. Insbesondere ist immer wieder ein Antagonismus zwischen Paulus und Jakobus, teils zwischen Paulus und Petrus behauptet worden. Dahinter steckt Markion. Die Quellen sprechen dagegen. Unterschiede zwischen Positionen lassen sich nicht leugnen. Sie haben zu harten Konflikten, aber nicht zu einer Spaltung zwischen Paulus und Petrus, Paulus und Jakobus geführt. Manche Konflikte sind gelöst worden, mit anderen, ungelösten, hat man zu leben gelernt. Der Kanon hält die Kontroversen im Gedächtnis, weil sich an ihrem Ausbruch und ihrer Lösung ermessen lässt, wie sich in der apostolischen Gründungszeit die Kirchengemeinschaft als apostolische Glaubensgemeinschaft bildet.

Paulus vermittelt den Eindruck, seine Argumentation in Antiochien sei schlagend. Er schreibt auch den Galaterbrief in der sicheren Überzeugung, Gehör zu finden. In der Urkirche haben judenchristliche und heidenchristliche Positionen ihren Ort gefunden, gesetzesfreundliche und gesetzeskritische. Dass dem Judenchristentum zum Schaden der Kirche keine Zukunft in der Kirche beschieden war, ist nicht die Schuld des Judenchristen Paulus und seiner Rechtfertigungslehre. Die Position der galatischen Paulusgegner geriet zunehmend ins Abseits; die Beschneidungsforderung war nicht durchzusetzen. Die Jakobusklauseln, wann immer sie entstanden sein mögen, konnten die praktischen Probleme in einer für alle Seiten befriedigenden Weise lösen, weil sie nicht als Bedingungen der Heilsverheißung, sondern als Regeln für das praktische Miteinander erscheinen, also nicht die Soteriologie, sondern die Ethik betreffen. Die Klauseln sind der wichtigste Beitrag des Herrenbruders zur Einheit der Kirche in der Zeit ihrer Gründung.

Paulus zieht eine Verbindungslinie zwischen seinen galatischen Gegnern und den »eingeschlichenen Falschbrüdern«, die in Jerusalem die antiochenische Mission ausbremsen wollten (Gal 2,4). Dies geschieht mit Bedacht. Denn beide fordern die Beschneidung; beide bezweifeln die soteriologische Suffizienz des Glaubens. Gerade weil Paulus die Gegner Antiochiens noch klarer theologisch agieren lässt als seine galatischen Gegner, soll und kann deren Zurückweisung nicht nur durch Paulus und Barnabas, die für Antiochien stehen, sondern auch durch Jakobus, Petrus und Johannes, die für die Jerusalemer Urkirche sprechen, die Galater überzeugen, dass die Pauluskonkurrenten im Abseits stehen. Dass Paulus den antiochenischen Streit nicht übergeht, ist nicht nur der historischen Wahrheit geschuldet, sondern relativiert auch seinen gegenwärtigen Konflikt mit den Galatern, zeigt aber vor allem den Weg einer Lösung des Konfliktes an. Er steht auf zwei Säulen: auf der Koinonia der Apostel (Gal 2,1­10) und auf dem Grundkonsens in der Rechtfertigung (Gal 2,11­21).

So unverrückbar diese beiden Positionen für Paulus sind, so sehr zeigt ein Blick in den Römerbrief, dass der Galaterbrief nicht das letzte Wort des Apostels zur Sache ist. Die Bedeutung der Beschneidung wird im Galaterbrief, der sich auf die Kritik ihrer Heilsnotwendigkeit konzentriert, nur negativ beschrieben; erst der Römerbrief wird sie als Siegel der Glaubensgerechtigkeit und Zeichen der Zugehörigkeit zum jüdischen Gottesvolk würdigen (Röm 4,11; vgl. Phil 3,5). Auch das Gesetz wird im Galaterbrief vorwiegend kritisch gesehen, nicht aber auch als »heilig, gerecht und gut«, gar als »geistlich« wie in Röm 7 beschrieben. Zur soteriologischen Dialektik von Erwählung, Verstockung und Rettung, von der die Israelkapitel Röm 9­11 gekennzeichnet sind, gibt es im Galaterbrief kein Pendant. Die Lösungen im Streit zwischen Starken und Schwachen, die Paulus in 1Kor 8­10 und Röm 14 vorschlägt, sind nicht erkennbar durch das Aposteldekret bestimmt, aber mit ihm kompatibel, auch wenn dort nicht ein christlicher Nomismus aufgearbeitet werden muss; hätte man allerdings nur den Galaterbrief, wäre unklarer, wie das Aposteldekret auch in den paulinischen Gemeinden hat reüssieren können (vgl. Apg 21,25).

3. Das kontroverse Evangelium

Die historische Situierung der verschiedenen im Galaterbrief beschriebenen Konflikte führt zur Distanzierung von den späteren Diskussionskonstellationen, sei es der Alten Kirche, sei es der Reformationszeit, sei es der Moderne. Diese Distanzierung führt aber nicht zu einer Historisierung der paulinischen Rechtfertigungslehre. Sie schafft vielmehr die Möglichkeit einer kritischen Beurteilung späterer Interpretationskonflikte, wenn anders jede christliche Theologie schriftgemäß sein muss. Den Maßstab liefert aber nicht ohne weiteres das, was ­ mit mehr oder weniger Erfolg ­ als paulinische Intention seiner expliziten Rechtfertigungslehre exegetisch eruiert werden kann. Denn Paulus selbst stellt sie in den weiteren Rahmen apostolischer Verkündigung, die ihrerseits dem Grundgeschehen der Menschwerdung, des Wirkens, des Todes und der Auferweckung Jesu Christi verpflichtet ist und dem Aufbau der Kirche dient. In diesem Rahmen hat allerdings die Rechtfertigungslehre einen zentralen Ort. Sie dient der Unterscheidung rechter und falscher Lehre; sie erschließt die Heilsbedeutung des Glaubens; sie öffnet den Blick von der Bekehrung zum christlichen Leben in der Kraft des Geistes. Diese kriterielle und konstruktive Schlüsselfunktion hat die Rechtfertigungslehre, wie der Erste Thessalonicherbrief zeigt, kaum von Anfang an, aber spätestens seit dem Galaterbrief. Der Römerbrief lässt nicht den geringsten Zweifel, dass Paulus seine Theologie in reifer Gestalt und umfassender Weise von der Rechtfertigungslehre her entwickeln kann.

a) Das Evangelium als Horizont der Rechtfertigungslehre

Die Rechtfertigungstheologie des Galaterbriefes entfaltet Paulus im Horizont einer Theologie des Evangeliums. 388 Ähnlich wird es später im Römerbrief sein. Im Galaterbrief betont er um des Evangeliums willen gleich im ersten Vers die Gottunmittelbarkeit seines Apostolates (Gal 1,1). Die stilisierte »Biographie« seiner Berufung, die den ersten Hauptteil des Briefes ausmacht (Gal 1,13­2,21), dient dem Nachweis, das vom ihm gepredigte Evangelium sei das Evangelium, nämlich das »Evangelium des Christus« (Gal 1,11). 39 Weil er es nicht para anthropu habe, sondern di apokalypseos Jesu Christu (Gal 1,12), sei es nicht xkata anthropon (Gal 1,11). Bevor er seinen Brief geschrieben hat, hat Paulus den Galatern den einen Gott verkündet, der sie vom Götzendienst befreit (Gal 4,8 f.) und ihnen »Jesus Christus als Gekreuzigten vor Augen gestellt« (Gal 3,1). Bevor im Galaterbrief zum ersten Mal das Stichwort »Rechtfertigung« fällt, ist von Gott die Rede, der Jesus von den Toten auferweckt hat (Gal 1,1), und vom Kyrios Jesus, der »sich selbst für unsere Sünden gegeben hat, dass er uns herausreiße aus dem Äon des gegenwärtigen Bösen nach dem Willen Gottes, unseres Vaters« (Gal 1,4); es ist die Rede von der Berufung der Christen durch die Gnade Christi (Gal 1,6) und von dem »anderen Evangelium«, das keines ist (Gal 1,6­8), von der Offenbarung Jesu Christi (Gal 1,16) und der Verkündigung des Glaubens (Gal 1,23), von der Freiheit in Christus (Gal 2,4) und der Koinonia der Apostel (Gal 2,7 ff.). Nachdem das Stichwort Rechtfertigung gefallen ist, stellt Paulus es in einen weiten Kontext theologischer Motive, die nicht nur klären, was Glaube und Gesetz, Sünde und Gerechtigkeit bedeuten, sondern auch mit der Liebe Jesu Christi argumentieren (Gal 2,19 f.), mit der Gabe des Heiligen Geistes (Gal 3,1­4), mit dem Fluch des Kreuzes und dem Segen Abrahams (Gal 3,13 f.), mit der Einzigkeit und Schöpferkraft Gottes (Gal 3,20 f.; 4,9), mit den Verheißungen Israels (Gal 3,21) und dem Sein in Christus, mit der Einsetzung zu Söhnen (Gal 3,26; 4,1­7) und der Taufe (Gal 3,26 ff.), mit der Verheißung Isaaks und der Erwählung Jerusalems (4,21­31), von der Paraklese zu schweigen. Alle Motive begegnen innerhalb und außerhalb des Corpus Paulinum auch ohne die Verbindung mit der Rechtfertigungslehre; sie gehören zu weit verbreiteten Grundmotiven urchristlicher Evangeliumsverkündigung; sie gewinnen freilich im Kontext der Rechtfertigungslehre einen neuen Zuschnitt.

Die Entwicklung des narrativen Argumentes in Gal 1­2 40 zeigt, dass die Rechtfertigungslehre nicht Inhalt, 41 sondern Folge der Damaskusoffenbarung ist.42 Sie expliziert, unter welchen Bedingungen Paulus Jesus Christus als Evangelium den Heiden verkünden kann (Gal 1,16) und was ihm selbst in der Völkermission und ihrer Kritik aufgegangen ist. Die Rechtfertigungstheologie ist eine Reflexion über die Heilsbedeutung des Glaubens, in die das elementare Bekenntnis des Glaubens zu Chri- stus integriert ist (Gal 2,16). So wie die Rechtfertigungslehre dazu dient, die Wahrheit des Evangeliums zu erkennen, ist sie um dieses Evangeliums willen entwickelt worden und in seinem Kontext auszulegen (wie umgekehrt das Evangelium von ihr her zu erschließen und zu vertiefen ist). Den Streit mit seinen Gegnern in Galatien und auf dem Apostelkonzil führt Paulus als einen Streit um das Evangelium und seine Wahrheit; den Konflikt mit Petrus führt er als einen Streit um die Konsequenz, den Weg der erkannten Wahrheit zu gehen.

b) Das Evangelium Christi und Pseudo-Evangelien

Sowohl im galatischen als auch im Jerusalemer Streit unterscheidet Paulus das Evangelium Jesu Christi, das er als Apostel in der Gemeinschaft mit den anderen Aposteln vertritt, von Pseudo-Evangelien, die von Pseudobrüdern vertreten werden und an einer entscheidenden Unterbestimmung der Christologie leiden. Bei Petrus und Jakobus, bei Barnabas und den anderen Judenchristen Antiochiens denkt Paulus nicht, dass sie diese Wahrheit verfälschen, sondern dass sie ihr praktisch nicht gerecht werden.

1) Der Streit in Galatien

In kompromissloser Schärfe führt Paulus im Prooemium den galatischen Konflikt, der sich an der Forderung der Beschneidung, der Gesetzeswerke und des Stoicheiadienstes entzündet, auf einen Grunddissens im Evangelium zurück (Gal 1,6­9). Paulus nimmt für sich in Anspruch, das »Evangelium Christi« den Galatern verkündet zu haben (Gal 1,7). Es ist dies das einzig wahre Evangelium, neben dem es kein anderes gibt. Das Evangelium ist nur eines, so viele verschiedene Verkünder dieses einen Evangeliums es auch gibt (1Kor 15,11), weil es nur einen Gott, einen Kyrios und einen Geist gibt (1Kor 8,6; 12,4 ff.). Diese Einheit des Evangeliums, die sich im konsequent singularischen Sprachgebrauch des gesamten Neuen Testaments darstellt, hat Paulus nach Gal 1,9 bereits bei seiner Gründung der Gemeinden unterstrichen; jetzt wird sie konkretisiert.43 Indem das eine Evangelium von jedem anderen Pseudo-Evangelium unterschieden wird, kommt zugleich heraus, dass der Apostel die Galater nicht auf Spezialitäten seiner Verkündigung festlegt, sondern auf die Theologie, die alle Apostel vertreten; Gal 2 wird dafür den Beweis liefern.

Weshalb Paulus dieses eine Evangelium verkündet, ergibt sich aus dem folgenden Berufungsbericht (Gal 1,13­16). Zuerst geht es um den Inhalt. Im Präskript fallen bereits die Hauptwörter: Christi Tod (Gal 1,4) und Auferweckung (Gal 1,1). In Gal 1,6­9 redet Paulus deshalb vom »Evangelium Christi« in dem Sinne, dass es Christus verkündet (vgl. Röm 15,9; 1Kor 9,12; 2Kor 2,12; 4,4 f.; 9,13; Phil 1,27; 1Thess 3,2)¸ Gal 3,1­4 wird im Rückblick auf die Mission die Kreuzespredigt unterstreichen. Den formalen Aspekt memoriert Paulus in Gal 1,6 ganz knapp mit dem Motiv der Berufung, das bereits nach dem Ersten Thessalonicherbrief seine Ekklesiologie und Soteriologie prägt. Wer berufen hat, ist Gott (Röm 8,28.30; 9,24; 1Kor 1,9; 1Thess 4,7); dass er es »in Gnaden« getan hat, bereitet die Rechtfertigungslehre vor, die Paulus als konkrete Gnadenlehre präsentiert (Gal 2,21); wenn im ursprünglichen Text die Gnade als die Christi identifiziert worden ist, ist Gott als der Berufende deutlich vor Augen gestellt und zugleich der Rückbezug auf die Lebenshingabe Jesu (Gal 1,4) als Ursprung der Gnade expliziert. An diesem Evangelium scheiden sich die Geister. Gegenüber dem Inhalt und der Wirkung tritt der Verkündiger des Evangeliums zunächst zurück ­ weil wohl auch die Paulusgegner personale Autorität beansprucht haben. Demgegenüber kritisiert Paulus: Nicht nur wenn »einige« wie die Paulus-Gegner, auch wenn er selbst oder ein »Engel vom Himmel« ein Evangelium verkündete, das im theologischen Gegensatz zu dem stünde,44 das den Galatern überbracht worden ist und sie zum Glauben geführt hat, wäre es keines.

Die Konsequenz ist das Anathema. Es ist ein konditionierter Fluch, der dem konditionierten Segen in Gal 6,16 gegenübersteht. Dieser Rahmen verdeutlicht den Ernst der Angelegenheit. Der Galaterbrief setzt um der Orthodoxie willen heiliges Recht. Subjekt des Fluches ist Paulus, der als Apostel spricht, in Wahrnehmung seiner unvertretbaren Verantwortung für das Evangelium. Der Inhalt des Fluches ist der Entzug der Gnade Gottes, die durch die Glaubenspredigt vermittelt worden ist, seine Wirkung der Ausschluss aus der Kirche (vgl. 1Kor 16,22 sowie 1Kor 5,5 f.)45 ­ und wenn er nicht aufgehoben wird, der Ausschluss aus dem Reich Gottes (vgl. 1Kor 6,9). Dieses Anathema ziehen die Gegner auf sich; die Galater würden ihm verfallen, wollten sie vom Evangelium abfallen, indem sie dem in sein Gegenteil verkehrten ðEvangeliumÐ zustimmten. Der Galaterbrief soll sie davor bewahren.


Sowenig wie mit den galatischen Gegnern sieht Paulus mit den Pseudobrüdern von Gal 2,4 Glaubens- und Kirchengemeinschaft. In dem Bericht, den er den Galatern vom »Apostelkonzil« abstattet, spielt das Evangelium wiederum die schlechterdings entscheidende Rolle. Freilich wird es nicht inhaltlich entfaltet, sondern formal und personal. Paulus hält fest, was er bei seinem Berufungsbericht ausgeführt hatte (Gal 1,16): dass ihm das Evangelium für die Völker anvertraut worden sei (Gal 2,2). Darum, was dies für die Missionspraxis bedeute, war der Streit entbrannt; dass Paulus sein Mandat korrekt wahrgenommen habe, will er von Jerusalem hören und wird ihm von den »Säulen« als »Evangelium der Unbeschnittenheit« (Gal 2,7) und Apostolat »der Völker« bestätigt (Gal 2,8). Die Gespräche in Jerusalem bestätigen allerdings auch, woran es für Paulus nie einen Zweifel gab: dass die Jerusalemer Judenchristen mit Petrus an der Spitze auch Judenmission treiben (Gal 2,9). Nur dies entspricht der Universalität und Einheit des Evangeliums. Im Entscheidenden sind die theologischen Überzeugungen der Protagonisten identisch, nämlich in der schriftgemäßen Christusverkündigung und Rechtfertigungslehre (vgl. Gal 2,15 f.). Zur personalen Dimension des einen Evangeliums gehört nach Paulus auch die Koinonia der Apostel, die mit Handschlag besiegelt worden ist (Gal 2,9). Paulus ist seiner Darstellung nach, wie er es verlangt hat, von den Jerusalemern als gleichwertiger Apostel anerkannt worden. Umgekehrt ist es ihm von Anfang an wichtig, nicht in eine Isolation zu geraten, sondern die Übereinkunft mit Jerusalem und denen zu suchen, die »vor« ihm »Apostel« waren (Gal 1,17). Das eine Evangelium kann nur in apostolischer Koinonia verkündet werden.

Formal ist das Evangelium, für das Paulus eintritt, durch die Wahrheit gekennzeichnet (Gal 2,5.14; vgl. 2Kor 4,2; 6,7).46 Paulus versteht sie, im Ansatz wie das Alte Testament, theologisch. Er geht weit hinaus über die Lauterkeit seiner Absichten, die er in Gal 4,12­16 beteuert. Wahrheit ist ein Attribut Gottes, der mit sich selbst identisch ist und sich deshalb, wie die Neuzeit gerne sagt, als er selbst offenbart. Im Römerbrief wird Paulus dieses Thema breit entfalten. Die anklagende Frage in Gal 4,16 »Bin ich denn euer Feind geworden, weil ich euch die Wahrheit sage?« spricht die Fähigkeit der Galater an, Kritik zu ertragen, rekurriert aber vor allem auf das Ethos und die theologische Botschaft des Apostels, der das Evangelium verkündet. Paulus denkt sowohl an seine Erstverkündigung wie auch an den Brief, den er jetzt schreibt; zwischen beidem besteht substantielle Kontinuität. Den Galatern, die er wiedergewinnen will, stellt Paulus die Wahrheit als Weg vor: »Ihr liefet so gut; wer hat euch gehindert, der Wahrheit zu gehorchen?« (Gal 5,7) Diese gleichfalls anklagende Frage baut Paulus in den Übergang von der Soteriologie zur Ethik ein. Der Weg, den er sieht, ist der Weg des Glaubens, der durch Liebe wirksam ist (Gal 5,6); deshalb ist sein Ziel das ewige Leben. Er beginnt mit der Taufe und führt zu einem Leben in der Kirche, dadurch geprägt, dass »Christus in euch gestaltet wird« (Gal 4,19).Nach Gal 2,4 f. ist die Wirkung dieser Wahrheit Freiheit. Um ihretwillen setzt Paulus sich für die Wahrheit ein. Nach dem Sara-Hagar-Midrasch Gal 4,21­31 ist das Gottesvolk »frei« auf Grund der Verheißung Gottes; nach Gal 5,1 und 5,13 ist die Freiheit Inbegriff des Heils und Lebensform der Christen, zu gestalten kraft des Geistes in der Liebe. Mit der Freiheit meint Paulus in Gal 2 den Verzicht auf die Beschneidung ­ und alles, was daran hängt. Er proklamiert nicht, wie häufig gesagt wird, die Freiheit vom Gesetz, aber weit mehr als das, was die Stoiker Willensfreiheit nennen.47 Aus Gal 3 ergibt sich, dass zur Freiheit die Beendigung der Sklaverei gehört, die unter dem Gesetz insofern herrscht, als es die Übertretungen nur identifizieren, nicht aber ein für allemal die Schuld verwinden kann (Gal 3, 19); aus Gal 4 ergibt sich, dass sich die Freiheit in der Gotteskindschaft derer ereignet, die kraft des Geistes Erben der Verheißung sind.

c) Die Wahrheit des Evangeliums im Licht der Rechtfertigungslehre

Nach Paulus ist es die Rechtfertigungslehre, mit der die Wahrheit des Evangeliums zur Geltung gebracht wird. Deshalb gewinnt sie kriterielle Funktion. Sie fällt in eins mit ihrer explikativen Kraft, das Evangelium zu erschließen.

Erstens: Die Rechtfertigungslehre bringt die Größe der Gnade Gottes zur Geltung (Gal 2,19). Die Rechtfertigung ist nicht nur kein Anspruch, sondern größer als jede Hoffnung. Der Glaube rechtfertigt nur aus Gnade; er ist Gnade ­ und realisiert, dass nur Gnade retten kann. Wo die Begnadigung als Rechtfertigung verstanden wird, ist durchschaut, dass sie nicht Willkür ist, sondern der Verheißung Gottes ­ der Römerbrief wird feststellen: der Gerechtigkeit Gottes ­ verdankt ist. Sie kritisiert jede Form, nicht alles auf die Gnade Gottes zu setzen, die sich durch Jesus Christus eschatologisch ereignet hat; sie motiviert das Vertrauen, durch den Tod hindurch und inmitten aller Schuld von Gott gerettet zu werden; sie integriert die Aktivität der Glaubenden, ihre Praxis der Agape, in die Agape Gottes. Der Galaterbrief leistet dies nicht weniger als der Römerbrief, der allerdings erst explizit von Gottes Liebe spricht.

Zweitens: Die Rechtfertigungslehre bringt Jesus Christus als den Sohn Gottes zur Geltung, der »für mich« (Gal 2,20), »für uns« (Gal 3,13) und »unsere Sünden« (Gal 1,4) gestorben ist. Im Kern der Rechtfertigungsthese steht der Glaube an Jesus Christus, damit aber Jesus Christus selbst als derjenige, der Glauben verdient, und zwar genau den, den er selbst durch die Kraft des Geistes weckt. Sie kritisiert jeden Versuch, den Christusglauben mit Zusatzbedingungen zu versehen; sie motiviert die Innigkeit der Christusliebe und die in ihr angelegte Gottesliebe; sie integriert die Fülle des Bekenntnisses in das Vertrauen, durch Jesus Gottes ganze Gnade zu erfahren. Der Galaterbrief bringt diese Zusammenhänge präzis zur Geltung, wiewohl erst der Römerbrief den Glauben Abrahams konturiert und der Philipperbrief in noch größerer Dichte die existentielle, das Martyrium umschließende Dimension des rechtfertigenden Glaubens zur Sprache bringt.

Drittens: Die Rechtfertigungslehre bringt die Befreiung der Menschen von der Sünde zur Geltung und ihre Teilhabe an der von Gott in Jesus Christus verheißenen und verwirklichten Freiheit. Die Rechtfertigungslehre stellt zum einen klar, wie der Römerbrief explizieren wird, dass es keine Erlösung gibt ohne das Gericht über die Sünder und expliziert zum anderen, dass die Erlösung nicht mit dem Rücken zum Leid dieser Welt geschieht, nicht durch Verharmlosung der Schuld, sondern durch eine Liebe, in der Gott nicht nur sich selbst gerecht wird, sondern auch dem Menschen, indem er seine Sünde durchschaut und durch sie hindurch die Gotteskindschaft seines Geschöpfes bejaht. Indem die Rechtfertigungslehre alles auf den Glauben setzt, setzt sie alles auf Jesus Christus und auf die Freiheit der Menschen. Die Rechtfertigungslehre kritisiert nicht nurjeden Versuch der Selbstbehauptung gegenüber Gott, sondern auch die Überzeugung, auf dem Boden des Gesetzes der Sünde entgehen zu können; sie motiviert zum Einsatz für Gerechtigkeit; sie integriert die Freiheit der Menschen in die Gnade Gottes. Der Galaterbrief bringt dies in starker Zuspitzung zur Sprache, der Römerbrief entfaltet breiter die Theologie des Gesetzes.

Viertens: Die Rechtfertigungslehre bringt die Universalität des Evangeliums zur Geltung, die im »Für« des Todes Jesu angelegt ist. Wo nur der Glaube zählt, werden alle nationalen, sozialen, natürlichen, auch alle religiösen Schranken durchbrochen; nur wo der Glaube zählt, geschieht dies von Gott her und auf Gott hin. Die Rechtfertigungslehre motiviert zur Mission, verstanden als Zeugnis des Glaubens im Dienst am Heil der Welt; sie integriert das Wissen um die Erwählung Israels und die Gültigkeit der Verheißung Gottes. Der Galaterbrief ist wie kein zweiter Brief von der Besinnung des Apostels auf seine Mission zu den Völkern geprägt, auch wenn im Römerbrief der weltweite Maßstab der Verkündigung sichtbar wird.

Fünftens: Die Rechtfertigungslehre bringt in zentraler Heilsperspektive die theologische Einheit des Evangeliums mit der Heiligen Schrift Israels zur Geltung. Der Bezug auf Abraham ist konstitutiv. Die Argumentation mit der Tora des Mose ist substantiell. Den Streit der Interpretation mit der jüdischen Lektüre des »Alten Testaments« scheut Paulus nicht. Die Rechtfertigungslehre kritisiert jede Missachtung der Verheißungen Israels so sehr wie jede Lektüre der Bibel Israels, die nicht dem Gewicht der Gnade Gottes, seiner Liebe und deshalb auch des Glaubens inne wird; sie motiviert zur Lektüre der Heiligen Schrift im Lichte Jesu Christi; sie integriert das Judenchristentum, wie es auf unterschiedliche Weise Petrus und Jakobus repräsentierten. Allerdings stößt erst der Römerbrief im Zuge der Rechtfertigungslehre zu einer positiven Israeltheologie vor.

Sechstens: Die Rechtfertigungslehre bringt die Berufung von Juden und Heiden zum Leben in der Kirche zur Geltung. Dass Paulus Gal 2,15 f. in der ersten Person Plural formuliert, ist signifikant. Die Verbindung mit der Taufe, die zur Einheit in Christus führt, ist essentiell (Gal 3,26 ff.). Der rechtfertigende Glaube ist seinem Wesen nach personal, unvertretbar der Glaube eines jeden Hörers des Wortes. Aber damit Glaube entstehen kann, bedarf es der Verkündigung, die grundlegend durch die vom Kyrios gesendeten Apostel geschieht; und der angenommene und gelebte Glaube ist einer, der die Gemeinschaft der Kirche bildet. Die Rechtfertigungslehre kritisiert jede Isolation des Glaubenden von den anderen; sie motiviert, die Einheit des Glaubens in der einen Kirche zu leben; sie integriert die Freiheit der Einzelnen in der Koinonia der Kirche. Der Galaterbrief ist geschrieben um der Einheit der Kirche willen; erst der Römerbrief bringt das Kirchesein der Kirche mit dem Israelsein der Juden ins Verhältnis.

Siebtens: Die Rechtfertigungslehre bringt die Lebensfülle des Glaubens, die prägende Kraft des Evangeliums zur Sprache. Der rechtfertigende Glaube ist durch Liebe wirksam (Gal 5,6), die Liebe erfüllt das Gesetz (Gal 5,13 f.); der Geist treibt die Früchte eines Ethos hervor, das durch den Dienst am Nächsten geprägt ist (Gal 5,22 ff.). Die Rechtfertigungslehre kritisiert nicht nur das Vertrauen auf die Werke des Gesetzes, sondern auch eine ethische Verantwortungslosigkeit, die Christus tatsächlich zum Diener der Sünde machte; sie motiviert, im ganzen Leben Christus, der in den Glaubenden lebt, Gestalt werden zu lassen. Sie integriert alles, was der Geist in den Glaubenden und durch sie zum Guten wirkt. Der Galaterbrief ist weniger konkret als der Römerbrief, aber an dieser Stelle genau auf seiner Höhe.

d) Die Rechtfertigungslehre und der Kanon

»Und die nach dieser Richtschnur gehen ­ Friede über sie und Erbarmen, und über das Israel Gottes«, so schreibt Paulus eigenhändig im Postskriptum (Gal 6,16). Das Nachwort lässt sich als Metatext deuten, in dem Paulus als Autor, der diktiert hat, eine Leseanleitung anfügt. Indem er vom »Kanon« spricht, unterstreicht er nicht nur die Rechtfertigungslehre, die der Wahrheit des Evangeliums dient, er relativiert sie auch. Denn im Abschluss des Briefes (Gal 6,11­18) besteht er zwar auf der Substanz der Rechtfertigungslehre und der Relevanz des Rechtfertigungsgeschehens, verzichtet aber auf das Stichwort und wird allgemeiner, grundsätzlicher, offener. Er unterstreicht noch einmal, dass die Beschneidung keinen soteriologischen Nutzen bringt, ja, dass ihre Forderung kontraproduktiv ist (Gal 6,12 f. 15). Er spitzt seine Kritik der Gegner zu, denen er frommen Egoismus vorhält, weil sie zwar große Verheißungen mit der Beschneidung verbinden, aber die Konsequenzen nicht tragen wollen (Gal 6,13). Er kommt in bewegender Weise auf den Kreuzestod Jesu zurück, den er so intensiv wie in Gal 2,19 f. und in großer Nähe zur Tauftheologie von Röm 6 als existentielles Heilsgeschehen formuliert. Er spricht von seinen Stigmata (Gal 6,17). Er lässt die Heilsvermittlung als eschatologische Neuschöpfung entdecken (Gal 6,15). Das ist ihm essentiell. Im Postskriptum ordnet er das, was ihm als Apostel in der Reflexion der Rechtfertigungsthese aufgegangen ist, wieder in das ein, was ihn mit allen anderen Aposteln verbindet.

Der Kanon des Neuen Testaments gibt Paulus Recht. Er dokumentiert die Rechtfertigungslehre des Galaterbriefes; sie enthält unverzichtbare Einsichten in das Heilshandeln Gottes und die Antwort der Menschen in Christus. Er rückt aber den Galaterbrief hinter den Römerbrief, der dadurch zum Interpretationsrahmen des gesamten Corpus Paulinum wird, und hinter die Korintherbriefe, die Paulus noch stärker als den Kreuzes- und Auferweckungstheologen zeigen, aber vor den Epheserbrief, der die Rechtfertigungslehre ekklesiologisch anwendet. Der Kanon ordnet die Paulusschreiben den »Katholischen Briefen« zu, die ­ wenngleich nachträglich ­ den Jerusalemer »Säulen« von Gal 2,9 zugeschrieben worden sind; er stellt dem Corpus Paulinum die Apostelgeschichte voran, die zuerst von der Petrusmission erzählt und Paulus, auch wenn sie nur die Zwölf als Apostel im eigentlichen Sinn ansieht, so eng in die Urkirche einbindet, wie er selbst das nach Gal 2 postuliert. Vor allem ordnet der Kanon die Paulusbriefe den Evangelien nach, die in den Erzählungen von Jesu Menschwerdung, Wirken, Tod und Auferweckung die Basis dessen sichtbar machen, weshalb Paulus überhaupt Apostel ist; und der neutestamentliche Kanon bejaht die heiligen Schriften Israels, denen Paulus entnimmt, dass Gott immer schon die Glaubenden rechtfertigt.

Summary

Conflicts of interpretation about the theology of justification are a direct consequence of Paul¹s critical use of the topic of justification. The contemporary task of the church of combining Christian ecumenism with the Christian-Jewish Dialogue has to be born out in the exegesis of the letter to the Galatians. Distinguishing the different areas in which Paul uses the doctrine of justification as a criterion allows us to offer a new interpretation of the doctrine of justification in the light of the gospel of Christ and its truth.

Fussnoten:

* Ausgearbeiteter Text eines Vortrages auf der Mitarbeitertagung des Evangelisch-Katholischen Kommentars zum Neuen Testament am 20. März 2006 in Heppenheim.

1) Martin Meiser arbeitet umfassend die antike Auslegung für die Reihe »Novum Testamentum Patristicum« auf. Ihm bin ich für alle wesentlichen Hinweise sehr dankbar.

2) Marc. 5,3,8 (CChr.SL 1, 669 f.).

3) Seine antipelagianische Argumentation (Pelag. 2,9 [CChr.SL 80, 65 f.]) basiert auf seinem Kommentar (PL 26, 369 A).

4) Spir. et litt. 29­50: CSEL 60, 205.

5) Berühmt ist der Streit zwischen Hieronymus und Augustinus über die Bedeutung von Gal 2,11­14; Hieronymus (PL 26, 364 f.) glaubt ­ wie ein Großteil der östlichen Theologen ­ an ein Scheingefecht, in dem Petrus vormache, wie die Judenchristen trotz Bedenken Paulus zustimmen sollen; Augustinus ist strenger und insistiert um der Bedeutung der Argumentation mit der Heiligen Schrift willen auf der Echtheit des Konfliktes (ep. 28,3 ff.) ­ und der Lösung im paulinischen Sinne, weil Petrus seiner Furcht erlegen sei (ep. 40,3 ff.); dem stimmt später Hieronymus in der antipelagianischen Kontroverse faktisch zu (Pelag. 1,23, CC.SL 80, 29), was Augustinus befriedigt notiert (ep. 180,5).

6) Origenes, hom. in Lev. (lat.) 12,5; in Matth. 11,17; 14,13 (Gal 4,26).

7) Wie stark bis heute die exegetische Erforschung kontroverstheologisch kontaminiert ist, zeigt Andreas Wechsler, Geschichtsbild und Apostelstreit. Eine forschungsgeschichtliche und exegetische Studie über den antiochenischen Zwischenfall (BZNW 62), Berlin 1991.

8) Typisch ist die brillante Galaterexegese bei Adolf von Harnack. Er sympathisiert mit Markion und stellt zugleich mit der Bedeutung des Gesetzes für das evangelische Kirchentum die Normativität des Trinitätsdogmas und die Kanonizität des Alten Testaments zur Debatte: Marcion. Das Evangelium vom fremden Gott (11921.21924), Darmstadt 1985.

9) Gerechtigkeit Gottes bei Paulus (FRLANT 87), Göttingen 1965.

10) »Rechtfertigung« bei Paulus. Studien zur Struktur und zum Bedeutungsgehalt des paulinischen Rechtfertigungsbegriffs (NTA 3), Münster 1966 (21971).

11) Vgl. James D. G. Dunn, The New Perspective on Paul (1983), in: Ders., Jesus, Paul and the Law. Studies in Mark and Galatians, London 1990, 183­214; The Theology of Paul the Apostle, Edinburgh 1998, 334­389.

12) Vgl. Gerd Theißen, Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, Gütersloh 2000, 304­314.

13) Vgl. Christian Strecker, Die liminale Theologie des Paulus. Zugänge zur paulinischen Theologie aus kulturanthropologischer Perspektive (FRLNT 185), Göttingen 1999.

14) Auf ihn konzentrierte sich Krister Stendahl, Paul among Jews and Gentiles, Philadelphia 1978.

15) Vgl. John Dominic Crossan/Jonathan L. Reed, In Search of Paul. How Jesus¹ Apostle opposed Rome¹s Empire with God¹s Kingdom. A New Vision of Paul¹s Word and World, London 2005.

16) Vgl. Ed P. Sanders, Paul and Palestinian Judaism. A Comparision of Patterns of Religion, London 1977 (dt. 1985); Paul, the Law and the Jewish People, Philadelphia 1983, 17­64; Paul, Oxford 1991 (dt. 1995).

17) Vgl. Peter Stuhlmacher, Revisiting Paul¹s Doctrine of Justification. A Challenge to the New Perspective. With an Essay by Donald A. Hagner, Downers Grove 2001; Jürgen Roloff, Die lutherische Rechtfertigungslehre und ihre biblische Grundlage, in: Wolfgang Kraus/Karl-Wilhelm Niebuhr (Hrsg.), Frühjudentum und Neues Testament im Horizont Biblischer Theologie (WUNT 162), Tübingen 2003, 275­301; Seyoon Kim, Paul and the New Perspective. Second Thoughts on the Origin of Paul¹s Gospel (WUNT 140), Tübingen 2002; differenzierter: Stephen Westerholm, Perspectives Old and New on Paul. The »Lutheran« Paul and its Critics, Grand Rapids 2004. Die Skepsis ist stark in: Donald A. Carson/Peter O¹Brien/Mark A. Seifrid (Hrsg.), Justification and Variegated Nomism II: The Paradoxes of Paul (WUNT II/181), Tübingen 2004; die positiven Stimmen überwiegen in Michael Bachmann (Hrsg.), Lutherische und Neue Paulusperspektive. Beiträge zu einem Schlüsselproblem der gegenwärtigen exegetischen Diskussion (WUNT 182), Tübingen 2005.

18) Vgl. Hans-Martin Rieger, Eine Religion der Gnade. Zur »Bundesnomismus«-Theorie von E. P. Sanders, in: Friedrich Avemarie/Hermann Lichtenberger (Hrsg.), Bund und Tora. Zur Begriffsgeschichte alttestamentlicher, frühjüdischer und urchristlicher Tradition (WUNT 92), Tübingen 1996, 129­161.

19) So bei Lloyd Gaston, Paul and the Torah, Vancouver 1987.

20) Vgl. Eduard Lohse, Rechtfertigung und Kirche, KuD 43 (1997), 11­123; Michael Theobald, Rechtfertigung und Ekklesiologie nach Paulus. Anmerkungen zur »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre«, ZThK 95 (1998), 103­117.

21) Vgl. Martin Karrer, Rechtfertigung bei Paulus. Eine Reflexion angesichts der aktuellen Diskussion, KuD 46 (2000), 126­155.

22) Vgl. Karl-Wilhelm Niebuhr, »A New Perspective on James«. Neuere Forschungen zum Jakobusbrief, ThLZ 129 (2004), 1019­1044.

23) Vgl. Richard H. Bell, The Irrevocable Call of God. An Inquiry into Paul¹s Theology of Israel (WUNT 184), Tübingen 2005.

24) Zu den Ersten, die aus den Qumranfunden Konsequenzen für die Paulusdeutung gezogen haben, zählt Ulrich Wilckens in seinem Kommentar zum Römerbrief für den EKK (Neukirchen-Vluyn 1978­1982).

25) Gerhard Dautzenberg sieht sich gar genötigt, der paulinischen Bundestheologie Antijudaismus anzulasten: Art. Antijudaismus, LThK3 1 (1993), 749 f.

26) Vgl. Susanne Schewe, Die Galater zurückgewinnen. Paulinische Strategien in Gal 5 und 6 (FRLANT 208), Göttingen 2005.

27) Neue Studien sammelt Stanley E. Porter (Hrsg.), Paul and his Opponents (Pauline Studies 2), Leiden 2005; darin: John C. Hurd, Reflections concerning Paul¹s »Opponents« in Galatia, 129­148.

28) Wichtige Beobachtungen macht Dieter Sänger, »Vergeblich bemüht« (Gal 4,11)? Zur paulinischen Argumentationsstrategie im Galaterbrief, NTS 48 (2002), 377­399.

29) Vgl. Paul Mik/at, Konflikt und Loyalität. Bedingungen für die Begegnung von früher Kirche und römischem Imperium (Vorträge der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Geisteswissenschaften 402), Paderborn 2005.

30) Das bezweifelt wiederum Ruth Schäfer, Paulus bis zum Apostelkonzil. Ein Beitrag zur Einleitung in den Galaterbrief, zur Geschichte der Jesusbewegung und zur Pauluschronologie (WUNT II/179), Tübingen 2004.

31) Mark D. Nanos sieht auch hier eher eine pharisäische Spionage: Introuding »Spies« and »Pseudo-Brethrens«: The Jewish intra-Group Politics of Paul¹s Jerusalem Meeting (Gal 2:1­10), in: Porter, Paul and his Opponents (s. Anm. 27), 59­97.

32) Vgl. Christfried Böttrich, Petrus und Paulus in Antiochien (Gal 2,11­21), BThZ 19 (2002), 224­239.

33) So Hans Dieter Betz, Der Galaterbrief (engl. 1979), München 1988.

34) Die Wortparallelen zeigen, dass das åԘ”·›™ÂÈÓ zwar bis zur Beschneidung gehen kann, was dann freilich Est 8,17 LXX und Jos., bell 2,454 eigens erwähnen, aber nicht gehen muss, was Jos., bell. 2,463 als selbstverständlich voraussetzt. In 4Makk 4,26 meint åԘ”·šÛÌޗ das Einhalten der Speisegebote.

35) Oder »einer«?; vgl. Enno Edzard Popkes, »Bevor einer von Jakobus kam Š«: Anmerkungen zur textkritischen und theologiegeschichtlichen Problematik von Gal 2,12, NT 46 (2004), 253­264.

36) Dafür plädieren Christoph Burchard, Nicht aus Werken des Gesetzes gerecht, sondern aus Glauben an Jesus Christus ­ seit wann?, in: Christof Landmesser/Hans-Joachim Eckstein/Hermann Lichtenberger (Hrsg.), Jesus Christus als die Mitte der Schrift. Studien zur Hermeneutik des Evangeliums. FS Otfried Hofius (BZNW 86), Berlin 1997, 341­362; Michael Theobald, Der Kanon von der Rechtfertigung (Gal 2,16; Röm 3,28) ­ Eigentum des Paulus oder Gemeingut der Kirche?, in: Thomas Söding (Hrsg.), Worum geht es in der Rechtfertigungslehre? Die biblische Basis der »Gemeinsamen Erklärung« von katholischer Kirche und Lutherischem Weltbund (QD 180), Freiburg-Basel-Wien 1999, 131­192. Gegen die Deutung als Antithese plädiert François Vouga, An die Galater (HNT 10), Tübingen 1998, 58: »Š es sei denn Š«.

37) Hingegen spricht vom Kontext her nichts dafür, auch die Gegner in Galatien und auf dem Apostelkonzil in das »wir« einzubeziehen; zur Diskussion vgl., Does the »we« in Gal 2.15­17 include Paul¹s Opponents?, NTS 49 (2003), 560­565. 38) Vgl. Douglas Atchinson Campbell, The Quest for Paul¹s Gospel. A Suggested Strategy (JSNT.S 274), London 2005.

39) Vgl. Jean-Noël Aletti, Galates 1­2. Quelle function et quelle demonstration?, Bib. 86 (2005), 305­323.

40) Vgl. Johan S. Vos, Die Kunst der Argumentation bei Paulus. Studien zur antiken Rhetorik (WUNT 149), Tübingen 2002.

41) So Seyoon Kim, The Origin of Paul¹s Gospel (WUNT II/4), Tübingen 1981; Christian Dietzfelbinger, Die Berufung des Paulus als Ursprung seiner Theologie (WMANT 58), Neukirchen-Vluyn 1985.

42) Auch wenn man nicht unbedingt mit »Wandlungen« paulinischer Theologie zu rechnen braucht, wie Udo Schnelle allerdings wenigstens mit Blick auf die Israeltheologie ernsthaft zu bedenken gibt (Paulus. Leben und Denken, Berlin 2003), ist doch mit einer Entwicklung der paulinischen Theologie zu rechnen; vgl. (mit starken Unterschieden) Jürgen Becker, Paulus. Der Apostel der Völker, Tübingen 1989; Ulrich Wilckens, Theologie des Neuen Testaments I/3, Neukirchen-Vluyn 2005, 25­266.

43) Vgl. Michael Bachmann, Gal 1,9: »Wie wir schon früher gesagt haben, so sage ich jetzt erneut«, BZ 47 (2003), 112­115.

44) Das parV hat adversative Bedeutung, wie üblich bei Paulus (vgl. Röm 16,17). Anders Luther: »anders als Š«. Das ist wohl zu streng.

45) Der Zusammenhang mit dem Gemeindeausschluss wird auch durch die Qumrantexte deutlich (vgl. 1QS VI 24 ­ VII 25); vgl. André Caquot, Malédictions et bénedictions qoumrâniennes, RHPhR 82 (2002), 3­14.

46) Vgl. Otfried Hofius, »Die Wahrheit des Evangeliums«. Exegetische und theologische Erwägungen zum Wahrheitsanspruch der paulinischen Verkündigung, in: Ders., Paulusstudien II (WUNT 143), Tübingen 2002, 11­37.

47) Darauf führt jedoch Gerhard Dautzenberg den paulinischen Freiheitsbegriff zurück: Freiheit im hellenistischen Kontext, in: Johannes Beutler (Hrsg.), Der neue Mensch in Christus. Hellenistische Anthropologie und Ethik im Neuen Testament (QD 190), Freiburg-Basel-Wien 2001, 57­81.