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Ausgabe:

September/2006

Spalte:

1077 f

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Mabe, Jacob Emmanuel:

Titel/Untertitel:

Mündliche und schriftliche Formen philosophischen Denkens in Afrika. Grundzüge einer Konvergenzphilosophie.

Verlag:

Frankfurt a. M.-Berlin-Bern-Bruxelles-New York-Oxford-Wien: Lang 2005. 508 S. m. 3 Tab. 8°. Kart. Euro 49,00. ISBN 3-631-54397-2.

Rezensent:

Theo Sundermeier

J. E. Mabe, in weiteren Kreisen bei uns bekannt geworden durch das von ihm herausgegebene Afrika-Lexikon (2001), das afrikanische und europäische Wissenschaftler in bemerkenswerter Kooperation zusammenbringt, schlägt in dieser von der Technischen Universität Berlin angenommenen Habilitationsschrift nicht nur Schneisen in das für viele undurchdringliche Gestrüpp afrikanischer Philosophie, sondern zeigt durch den Ansatz einer eigenen Philosophie einen möglichen Ausweg aus der verfahrenen Situation. Eine tabellarische Zusammenfassung (276 ff.), die auf dem Philosophenkongress in Ibadan 1995 einstimmig angenommen wurde, ergänzt die kurze historische Übersicht über das bisher Geleistete, eine afrikanische Philosophiegeschichte in nuce. Obwohl es im Buch insgesamt um die Philosophen afrikanischer Herkunft südlich der Sahara geht, so werden die Wurzeln jedoch auch in ägyptischer und nordafrikanisch-christlicher Tradition gesehen (Kapitel 1, 65­140).

»Schneisen schlagen« heißt, eine Typologie erstellen. Überzeugend ist die Einordnung der verschiedenen Philosophen in »Ethnophilosophie«, »philosophischen Universalismus«, »Weisheitsphilosophie« (181 ff.). Nicht nur hier, sondern auch in der Darstellung der drei führenden afrikanischen Philosophen, M. Towa, P. J. Hountondji und H. O. Oruka (211 ff.), spart M. nicht mit deutlicher Kritik. Ihr bisheriges »Scheitern« sieht er u. a. darin begründet, dass man »die Moderne stets mit Europa identifiziert und die Tradition stets mit Kulturen, deren Wurzeln im vorkolonialen Afrika liegen« (234), also keinen echten Dialog führt. Ethnophilosophen sind rückwärtsgewandt, ohne methodisch überzeugend aufzuzeigen, wie die Vielfalt afrikanischen Denkens, die Mythen, Erzählungen und Sprichwörter philosophisch aufgearbeitet und in ein System gebracht werden können. Unreflektiert wird die Vergangenheit als Ideal gepriesen, »das freie Denken hingegen setzt voraus, dass man sich vom gesamtgesellschaftlichen Konventionalismus und Konformismus verabschiedet, indem man eine wertneutrale Position bezieht« (293). Weiter wirft er ihnen vor, dass sie versäumt haben »die Demokratisierungsprozesse der 90er Jahre in Afrika mit Ideen und sonstigen Impulsen zu unterstützen« (300), was dazu geführt hat, dass die Demokratien und neuen staatlichen Verhältnisse nicht als etwas Eigenes verstanden und akzeptiert wurden und deshalb so leicht korrumpiert werden konnten. Bemerkenswert offen unterzieht er die »Monotonie« der Kritik, wie die Frage wiederholt wird, ob es eine afrikanische Philosophie gebe (301). In der Tat ist das große Problem aller afrikanischen philosophischen Ansätze, ob man sich der europäischen Traditionsgeschichte anschließt und auf ihr aufbaut oder sich allein auf die eigenen mündlichen Quellen verlässt.

In seinem eigenen Ansatz versucht M. eben dies, literale und orale Quellen miteinander ins Gespräch zu bringen und in einem System miteinander zu verbinden. Zwar legt er noch keinen neuen Entwurf vor, die notwendige methodologische Vorarbeit leistet er jedoch, indem er »Grundzüge« einer »Konvergenzphilosophie« entwickelt (Kapitel 4, 303­398). Interessant ist dabei, welchen Weg er beschreitet, um nicht nur afrikanische Weisheitstraditionen, sondern auch das Weltwissen der Heiler, der Diviner und selbst der Hexen, also das Oraldenken, in sein System einzuarbeiten, und wie er die abendländischen Traditionen in einen Dialog zu bringen und zu integrieren sucht. Reziprozität, Komplementarität und Simultanität sind dabei die Regeln, wie Sprech- und Schreibkultur zueinander gebracht werden können und müssen. Sie sind die Prinzipien, legen aber auch die Maßstäbe offen für die geistige Kommunikation und Konfrontation zwischen Menschen verschiedener kultureller und philosophischer Traditionen (349). Um der oralen Tradition auf die Spur zu kommen, schlägt er die Methode der Meditation, Inspiration und Initiation vor. Nur so kann man die Trennung »zwischen Erlebniswelt und Vorstellungswelt schriftlich und mündlich zugleich überwinden« (368). Nur so kann man dazu beitragen, »die Umsetzung der Demokratie, der Freiheit, des Friedens, der Menschenrechte etc., die bei literalen Philosophen stärker wirken« (422), in das afrikanische Denken zu unterstützen.

Während meines jahrelangen Aufenthalts im südlichen Afrika habe ich das Konzept der »Konvivenz« erlernt und entwickelt, um das praktische Zusammenleben der verschiedenen Menschen, Völker und Rassen strukturell zu ermöglichen. Ich entdecke eine bemerkenswerte innere Strukturparallelität in diesem philosophischen Ansatz. Konvivenz ­ Konvergenz: Ich bin von dem Ansatz überzeugt.