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Ausgabe:

September/2006

Spalte:

1064 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Alston Jr., Wallace M., and Michael Welker [Eds.]:

Titel/Untertitel:

Reformed Theology. Identity and Ecumenicity.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2003. XIV, 449 S. gr.8°. Kart. US$ 49,00. ISBN 0-8028-4776-5.

Rezensent:

Alasdair Heron

Diese Aufsatzsammlung bildet in gewisser Weise eine Fortsetzung des 1999 von Michael Welker und David Willis herausgegebenen Bandes »Toward the Future of Reformed Theology. Tasks, Topics, Traditions« (Grand Rapids: Eerdmans 1999). Ihre Absicht ist es, eine noch »more catholic Reformed community of enquiry« zu vertreten sowie »an ongoing process of developing and bringing to light and exploring more thoroughly the rich, structured pluralism that we find in Reformed theology today« (X) zu fördern.

Die insgesamt 28 Aufsätze stammen von den Teilnehmern an einer Tagung in März 1999 im Heidelberger Internationalen Wissenschaftsforum. Etwas mehr als ein Drittel kamen jeweils aus Nordamerika oder Europa, dazu jeweils drei aus Asien und Südafrika. Die recht vielfältigen Themen sind in fünf Abteilungen gruppiert: 1.Reformed Identity in Historical Continuity and Contextual Awareness; 2. How to Shape Reformed Ecclesiology; 3. Spirit and Covenant: Reformed Pneumatology in Very Different Contexts; 4. Affirming and Questioning Reformed Doctrines in Ecumenical Conversation; 5. Ecumenicity and Ethical Profiles of Reformed Theology: Catholicity and Practical Contextuality.

Dies ist allerdings nur eine sehr grobe Gliederung, in die nicht all die Aufsätze sehr bequem oder nahtlos hineinpassen. Insgesamt hat man mehr den Eindruck eines unstrukturierten Pluralismus, aber das entspricht durchaus der realen Situation im weltweiten Feld der reformierten Kirchen und Theologie ­ wie auch mehrere der Beiträge eigens betonen.

Diese Verschiedenheit wird zum Beispiel schon in den Beiträgen zur ersten Abteilung deutlich. Yung Han Kim, »The Identity of Reformed Theology Š as Transformational Cultural Theology«, analysiert die spirituellen Herausforderungen der globalen Kultur im 21. Jh. ­ Postmodernismus, Pluralismus, Neuheidentum, technologischer Säkularismus, Cyber-Kultur ­, um dann klassische Themen der reformierten Theologie als Grundlage für eine »cultural transformation« etwa im Sinne von H. Richard Niebuhr darzubieten. Dann behandelt Eberhard Busch das paradox klingende Thema »Reformed Strength in its Denominational Weakness«, um die bescheidene Stärke einer Tradition hervorzuheben, die eben nicht monolithische Uniformität und imponierende Selbstdarstellung zu den entscheidenden notae ecclesiae zählt. Jan Rohls, »Reformed Theology ­ Past and Future«, betont die intellektuelle Vielseitigkeit reformierter Theologie durch die Jahrhunderte und wehrt sich besonders gegen die Verengungen, die er bei Karl Barth diagnostiziert. Dagegen schätzt Bruce McCormack, »The End of Reformed Theology? The Voice of Karl Barth in the Doctrinal Chaos of the Present«, den bleibenden Wert der Erbschaft Barths völlig anders und, versteht sich, ungleich positiver ein. Schließlich bietet William Stacey Johnson, »Theology and the Church¹s Mission: Catholic, Orthodox, Evangelical and Reformed« eine mit treffenden historischen Schlaglichtern untermauerte Aktualisierung der Stichworte sola gratia, sola fide, solus Christus, sola Scriptura als Programm für die Mission der Kirche in der Neuzeit.

Schon bei diesen Beiträgen ist es interessant zu beobachten (oder zu vermuten), inwiefern die verschiedenen Perspektiven durch den Hintergrund, Werdegang und Kontext des jeweiligen Verfassers bestimmt und geprägt sind bzw. durch die Art Fragen, die er für wichtig oder interessant hält.

Unter den anderen Beiträgen werden sicherlich einige Leser diejenigen besonders interessant finden, die über reformierte Theologie, Kirchen und Erfahrung unter bestimmten kontextuellen und kulturellen Bedingungen berichten, so zum Beispiel: David Fergusson, »Church, State and Society in the Reformed Tradition«; Botond Gaál, »A Reformed Theological Perspective Based on the Characteristic Past and Present of Debrecen«; A. van de Beek, »Calvinism as an Ascetic Movement«; George Hunsinger, »Social Witness in Generous Orthodoxy: The New Presbyterian ðStudy CatechismЫ; Milan Opocensky, »Processus Confessionis«; oder die drei südafrikanischen Beiträge: Dirk Smit, »Can We Still Be Reformed? Questions from a South African Perspective«; H. Russel Botman, »A Cry for Life in a Global Economic Era«; Piet J. Naudé, »Identity and Ecumenicity, How Do We Deal Theologically with So-Called ðNontheologicalÐ Factors?«

Wer allerdings neues theologisches Denken erwartet, wird in der Regel enttäuscht sein. Selbst wo traditionelle reformierte Themen ­ etwa Prädestination oder Vorsehung ­ kritisch reflektiert werden, gehört die Kritik in der Regel schon zum Standardrepertoire. Es werden auch Positionen referiert und vorgetragen, die nicht frappierend neu vorkommen ­ etwa die Souveränität Gottes oder trinitarische Ekklesiologie oder Kirche und Welt oder Schleiermachers Schriftverständnis oder reformierte und pfingstlerische Pneumatologie. Eine Ausnahme freilich bildet der einzige Aufsatz, dessen Verfasser eigentlich nicht reformiert, sondern Anglikaner ist! Douglas Farrow, »In Support of a Reformed View of Ascension and Eucharist«, greift die alte christologisch-eucharistische Streitfrage in frischer und zum Nachdenken anregender Weise auf, nicht um die Position Calvins zu überwinden, wohl aber um sie zu vertiefen, und zwar bei ausdrücklicher Wahrnehmung der Missverständnisse, die ihr entgegengebracht wurden und werden. Seine subtile und komplexe Argumentation kann hier nicht zusammengefasst werden, aber ein Schlüssel zum Ganzen ist die Einsicht, dass beim Paradox von Gegenwart-in-Abwesenheit im eucharistischen Geschehen nicht nur eine räumliche, sondern auch eine zeitliche Dimension zu bedenken ist.

Also: Es gibt Gutes darin. Mir bleibt allerdings die Frage, die ich schon beim Band von Willis und Welker spürte: Wozu dient eine solche Sammlung so disparater Beiträge? Vielleicht nur, um klar zu machen, dass die Frage nach reformierter Identität ­ oder die Frage, ob diese Frage überhaupt wichtig und richtig ist ­ gestellt werden kann und soll. Das ist immerhin mehr als nichts; und auf alle Fälle kann man aus diesem Buch viel lernen.